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# taz.de -- EuGH über den Vorrang von EU-Recht: In die Schranken verwiesen
> In Rumänien dürfen Urteile des Verfassungsgerichts ignoriert werden. Das
> soll „systematische Straflosigkeit“ bei Korruption verhindern.
Bild: Protest gegen die Änderungen der Justizgesetze in Bukarest im März 2019
Freiburg taz | Nationale Gerichte der EU-Staaten dürfen Entscheidungen des
jeweiligen Verfassungsgerichts ignorieren, wenn diese gegen EU-Recht
verstoßen. Dies hat [1][der Europäische Gerichtshof (EuGH)] in zwei Fällen
aus Rumänien entschieden. Mit diesem spektakulären Urteil will der EuGH die
Rechtsstaatlichkeit in den EU-Staaten stärken und [2][den Vorrang des
EU-Rechts] sichern.
Das rumänische Verfassungsgericht steht im Verdacht, zu sehr die Interessen
von korrupten hochrangigen Mitgliedern der langjährigen sozialistischen
Regierungspartei zu decken. Andere rumänische Gerichte versuchen
dagegenzuhalten. Sie berufen sich auf EU-Recht, das den Mitgliedstaaten
rechtsstaatliche Mindeststandards vorgibt, zumindest soweit finanzielle
Interessen des EU-Haushalts betroffen sind.
Der EuGH musste an diesem Dienstag über zwei Vorlagen von rumänischen
Gerichten entscheiden. Der rumänische Kassationsgerichtshof beschwerte
sich, dass das rumänische Verfassungsgerichts eine Verurteilung von
Abgeordneten in einem Korruptionsverfahren aufgehoben hat – weil die
Richterbank falsch besetzt gewesen sei.
Wegen der Verjährungsregeln drohe Straflosigkeit. Das Landgericht Bihor
wollte wissen, ob es in einem Korruptionsverfahren Beweismittel verwenden
darf, die unter Mitwirkung des Geheimdienstes entstanden, obwohl das
rumänische Verfassungsgericht dies verboten hatte.
## Ignoranz erlaubt
Der EuGH hat nun zwar nicht selbst entschieden, ob die Urteile des
rumänischen Verfassungsgerichts gegen EU-Recht verstoßen. Er erlaubte es
aber den rumänischen Gerichten, dessen Urteile zu ignorieren, wenn diese
„eine systemische Gefahr der Straflosigkeit von schweren Betrugsdelikten
zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union oder von
Korruptionsdelikten“ begründen.
Außerdem entschied der EuGH, dass rumänische Richter nicht disziplinarisch
verfolgt werden dürfen, wenn sie ein Urteil des Verfassungsgerichts
missachten, das gegen EU-Recht verstößt. Der EuGH setzte damit einen
Automatismus im rumänischen Recht außer Kraft. Dass ein Richter wegen des
Inhalts einer Gerichtsentscheidung disziplinarrechtlich verfolgt wird,
müsse auf „ganz außergewöhnliche Fälle beschränkt bleiben“.
Der EuGH nutzte das Verfahren, um den Vorrang des EU-Rechts vor nationalem
Recht zu begründen. Diesen Vorrang bestreitet nicht nur Polens
Verfassungsgericht, auch das Bundesverfassungsgericht behält sich eine
Letztkontrolle gegenüber EuGH-Entscheidungen vor.
Ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland war
eingestellt worden, nachdem sich die Bundesregierung zum Vorrang des
EU-Rechts bekannt hatte. Rumäniens Justiz steht unter besonderer Kontrolle
der EU-Institutionen, weil Bukarest bereits beim EU-Beitritt 2007
rechtsstaatlicher Nachholbedarf attestiert wurde.
21 Dec 2021
## LINKS
[1] /Architektur-von-Gerichtsgebaeuden/!5812795
[2] /Rechtsstreit-zwischen-EU-und-Polen/!5805932
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
EuGH
Rumänien
EU-Recht
Verfassungsgericht
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