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# taz.de -- Pläne für Standorte stillgelegter Meiler: Freizeitpark statt Kohl…
> Da der fossile Energieträger keine Zukunft hat, suchen die Betreiber neue
> Verwendungen für ihre Elektrizitätswerke. Eine Idee:
> Wasserstoff-Fabriken.
Bild: Vor der Inbetriebnahme: das Kraftwerk Hamburg-Moorburg 2013
Freiburg taz | Der Kohleausstieg hat begonnen: Die Kohlekonzerne haben Ende
des vergangenen Jahres erbittert darum gekämpft, ihre Kraftwerke auf der
ersten Abschaltliste zu platzieren, für die die Bundesregierung hohe
Entschädigungssummen bereitgestellt hat. Nun sollen dieses Jahr elf
[1][Kohleblöcke vom Netz gehen], die zusammen auf eine Nennleistung von
fast 4,8 Gigawatt kommen. Neun davon sind Steinkohlekraftwerke, zwei kleine
Anlagen werden überwiegend mit Braunkohle befeuert.
Aber was passiert eigentlich mit den ausgedienten Kraftwerken und ihren
Standorten? Als Industrieruinen müssen die Anlagen nicht enden. Die
Besitzer denken über ganz unterschiedliche Optionen für die Bauten und
Flächen nach.
Da wäre zum Beispiel das [2][Kohlekraftwerk Hamburg-Moorburg], das die
große Überraschung unter den Bewerbungen um die diesjährigen Stilllegungen
war. Schließlich hat der Energiekonzern Vattenfall die Anlage mit zwei
Blöcken erst ab 2007 gebaut – und damit massive Proteste der sich zunehmend
formierenden deutschen Klimabewegung ausgelöst. In Betrieb ging das
3-Milliarden-Euro-Projekt im Jahr 2015, nun wird es nach nicht einmal sechs
Jahren als größtes Kraftwerk der Elfer-Gruppe abgeschaltet. Die
Nachnutzungskonzepte in Moorburg reichen von der Umrüstung auf andere
Brennstoffe bis hin zum Abriss.
Am vergangenen Freitag wurde nun bekannt, dass Vattenfall, Shell,
Mitsubishi Heavy Industries sowie Hamburgs kommunaler Wärmeversorger
Hamburg Wärme eine Absichtserklärung unterzeichnet haben, wonach am
Standort Moorburg ein Elektrolyseur mit einer Leistung von 100 Megawatt
aufgebaut werden soll. So wollen die Firmen „eine führende Position in der
europäischen grünen Wasserstoffwirtschaft“ einnehmen. Eine konkrete
Investitionsentscheidung steht aber noch aus.
Schon bevor die Stilllegung bekannt wurde, war in Hamburg die Verbrennung
von Buschholz aus Namibia als Alternative zur Kohle diskutiert worden.
Umweltverbände wie Robin Wood lehnen das strikt ab. Wegen des langen
Transportweges und der mit der Abholzung vor Ort verbundenen Umweltschäden
sei diese Form der Energiegewinnung nicht klimaverträglich. Hinzu komme,
dass Energie in Namibia selbst knapp sei.
## Gewerbeflächen in Hamm
Konkreter als in Moorburg sind die Vorstellungen schon im
nordrhein-westfälischen Hamm, wo der Energiekonzern RWE das Kraftwerk
Westfalen stilllegt. Nicht mehr benötigte Flächen sollen zusammen mit der
städtischen Wirtschaftsförderung zu Gewerbeflächen entwickelt werden. Auf
einem Teil des Areals könnte ein Phasenschieber im Dienste des
Übertragungsnetzbetreibers Amprion entstehen.
Solche Komponenten sind aus technischen Gründen im Stromnetz wichtig. Sie
kompensieren sogenannten Blindstrom. Dieser ergibt sich durch physikalische
Effekte im Wechselstromnetz, die dazu führen, dass es zu zeitlichen
Verschiebungen zwischen den Verläufen von Strom und Spannung kommt. Das
führt dann dazu, dass Strom im Netz pendelt, ohne Leistung erbringen zu
können. So belastet Blindstrom die Netze und muss stets kompensiert werden,
indem man Strom und Spannung wieder in Einklang bringt – daher der Name:
Man schiebt beide Größen wieder in die gleiche Phase. Das taten von jeher
konventionelle Kraftwerke und auch Pumpspeicherwerke. Mit der Energiewende
werden daher neue Phasenschieber gebraucht.
Am Standort Ibbenbüren erwägt der Energiekonzern RWE unterdessen, sein
Kohlekraftwerk als Kapazitätsreserve anzubieten. Als solche werden Anlagen
bezeichnet, die außerhalb des Strommarktes vorgehalten werden. Sie können
bei Bedarf durch die Übertragungsnetzbetreiber abgerufen werden, falls die
Stromnachfrage durch die am Markt verfügbaren Kapazitäten nicht gedeckt
werden kann.
Auch der Energiekonzern Uniper denkt am Standort des Kohlekraftwerks Heyden
an die großflächige Ansiedlung von Industrie, etwa von „Unternehmen der
Kreislaufwirtschaft“. Geprüft würden aber auch die Stromerzeugung auf Basis
von Erdgas beziehungsweise Wasserstoff sowie Einrichtungen zur
Stabilisierung des Stromnetzes.
Die Steag wiederum sieht ihren Standort Duisburg-Walsum „als Hub für die
Sektorenkopplung“. Fossile Energie soll aber auch hier weiter eine Rolle
spielen: Für den zur Stilllegung angenommenen Block Walsum 9 steht ein
„Fuel-Switch auf Erdgas“ im Raum. Darüber hinaus prüft die Steag aber auch
„die Errichtung eines Wasserstoff- und Sauerstoff-Hubs“. Zudem untersucht
die Steag Optionen zur Stromspeicherung am Standort, nachdem sich dort
bereits ein 15-Megawatt-Batteriespeicher befindet.
Aber vielleicht finden sich mancherorts auch noch ganz neue Optionen, an
die heute noch niemand denkt. Als Vorbild könnten zwei gescheiterte
AKW-Projekte gelten: Auf dem Gelände des nie angelaufenen [3][„Schnellen
Brüters“ in Kalkar] am Niederrhein entstand ein Freizeitpark. Und im
österreichischen Zwentendorf wurde das vollendete, aber nie in Betrieb
genommene Atomkraftwerk zeitweise als Unterrichtsgebäude genutzt.
25 Jan 2021
## LINKS
[1] /Kohlekraftwerke/!t5012483
[2] /Konsequenzen-der-Kraftwerks-Abschaltung/!5729012
[3] /Anti-AKW-Geschichte-als-Roman/!5714034
## AUTOREN
Bernward Janzing
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