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# taz.de -- Holz aus Afrika für die Energiewende: Globale Partnerschaft in der…
> Eine Kooperation zwischen Hamburg und Namibia für den Klimaschutz könnte
> zum Vorbild werden. Aber nicht alle finden die Idee gut.
Bild: Kampf gegen die Natur: Diese Fläche im Bezirk Windhoek wurde chemisch vo…
Hamburg taz | Vor dem Tor zur Würzburger Festung Marienberg, dort wo früher
einmal die Zugbrücke gewesen sein muss, hat sich eine Gruppe von Männern
und Frauen zum Fototermin versammelt. Den Anlass gab eine Delegation aus
Namibia, ehemals Deutsch-Südwestafrika, die zum 19. Fachkongress
Holzenergie angereist war. Ihr Ziel: auszuloten, inwiefern sich ein
namibisches Umweltproblem in [1][deutschen Klimaschutz] ummünzen ließe.
Der [2][Besuch der Delegation am 26. September 2019] wurde von der
Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ermöglicht, die für
die Bundesregierung das operative Geschäft dessen abwickelt, was man auch
„Entwicklungshilfe“ nennt. Für Namibia hat sich die GIZ das Projekt „Bush
Control & Biomass Utiliziation“ (BCBU) ausgedacht.
Die Idee dabei ist, die Dornbüsche und Bäumchen von Gattungen wie Acacia,
Prosopis, Mopane und Terminalia, die weite Landstriche überwuchern, als
Ressource zu begreifen. Das Holz kann gehäckselt, zu Pellets verarbeitet
und verfüttert oder verbrannt werden. Es können Zäune, Kochlöffel oder
Pressspanplatten daraus hergestellt werden, aber auch Holzkohle. Von 2015
bis 2019 ist die Zahl der Namibier, die im Biomasse-Sektor arbeiten, nach
Angaben der GIZ von 6.000 auf 11.000 Menschen gestiegen.
Doch was im Land selbst verarbeitet wird, entspricht nur einem Zehntel
dessen, was an Biomasse nachwächst. „Händeringend“ werde deshalb nach
internationaler Nachfrage für diese Biomasse gesucht, sagt der Hamburger
Senat. „Mehrere europäische Städte und Unternehmen“ seien als mögliche
Abnehmer angefragt worden.
## Buschholz statt Kohle
[3][Das rot-grün regierte Hamburg hat zugegriffen]. Bis Juli will der Senat
geprüft haben, ob er eine [4][Biomassepartnerschaft mit Namibia] eingeht.
Dann könnte Buschholz aus der Savanne im Kraftwerk Tiefstack im Osten
Hamburgs verbrannt werden – statt Kohle, wie es bisher der Fall ist.
Der Senat steht unter Druck, [5][rasch klimafreundliche Fernwärme zu
liefern]. Denn nach einem entsprechenden Volksentscheid musste der
Stadtstaat das Fernwärmenetz 2019 für 950 Millionen Euro von Vattenfall
zurückkaufen. Jetzt ist er selbst in der Verantwortung, für „eine sozial
gerechte, klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte
Energieversorgung aus erneuerbaren Energien“ zu sorgen, wie sie der
Volksentscheid vorschreibt.
Bis 2030, so hat Umweltsenator Jens Kerstan (Die Grünen) angekündigt,
sollen die angeschlossenen 500.000 Haushalte klimaneutral versorgt werden.
Die Biomasse aus Namibia käme hier wie gerufen, gäbe es nicht die Hüter des
Volksentscheides, die damit überhaupt nicht einverstanden sind. Als solcher
versteht sich Gilbert Siegler vom Hamburger Energietisch (HET).
„Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass in Namibia Buschholz genutzt
wird“, sagt Siegler. Wenn die GIZ aber etwas Gutes tun wolle, dann solle
sie dafür sorgen, dass die Wertschöpfung in Namibia geschehe. Die
Biomassepartnerschaft wäre aber ein Geschäft, das vor allem deutsche
Interessen bediene. „Namibia liefert Deutschland billigen Rohstoff und
kauft dafür teure Maschinen ein“, sagt Siegler. Seine Befürchtung: „Man
richtet die Entbuschung jetzt am Bedarf von Kraftwerken in Deutschland
aus.“
Viele Umweltorganisationen halten das Verbrennen von Biomasse an sich schon
für einen Irrweg beim Klimaschutz. Das Verbrennen sei die ungeschickteste
Art und Weise, Biomasse zu nutzen, sagt Jana Ballenthien von Robin Wood.
Werde Holz verbrannt, setze das pro Energieeinheit mehr CO2 frei, als wenn
Kohle verbrannt werde.
Biomasseverbrennung erhöhe den ökonomischen Druck auf die Wälder und sei
klimapolitisch unsinnig, weil dabei CO2 freigesetzt werde, das erst in
vielen Jahren wieder gebunden werde – Zeit, die der Klimawandel der
Menschheit nicht lasse.
Die Idee einer transkontinentalen Biomassepartnerschaft habe einen
Aufschrei in der internationalen Waldnaturschutzszene verursacht. „Das wäre
eines der ersten Male, dass aus Savannen im großen Stil Holzbiomasse nach
Europa transportiert würde“, sagt die Robin-Wood-Referentin.
40 Organisationen aus den Bereichen Umwelt- und Klimaschutz, Bürgerrechte
und Entwicklungspolitik sowie Wissenschaftlter haben deshalb einen
Brandbrief an den Bundesminister für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, Gerd
Müller (CSU), unterschrieben, in dem sie diesen auffordern, das Projekt zu
stoppen. Dass so viele Organisationen unterschrieben hätten, unter ihnen
auch ganze Netzwerke, wertet Ballenthien als Indiz für die „internationale
Tragweite“ des Falls.
Das [6][GIZ-Projekt „Nutzung von Biomasse“] genüge in seiner gegenwärtigen
Ausprägung wissenschaftlichen Standards nicht, heißt es in dem Brief. Es
nehme in revisionistischer Weise Bezug auf die deutschen Kolonialverbrechen
und drohe Namibia ökologisch und sozialpolitisch zu schaden. „Der Export
von Busch-Biomasse würde weder zum Klimaschutz noch zur Wiedergutmachung
beitragen, sondern Klima-Ungerechtigkeiten vergrößern“, resümieren die
Autoren.
Die GIZ und das Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (Ifas) der
Hochschule für angewandte Wissenschaften Trier gehen in einem Dossier zu
Biomasseindustrieparks (BIP), in denen das Holz gesammelt und verarbeitet
werden soll, davon aus, dass das Buschholz per se CO2-neutral verbrannt
werden kann, weil es ja einem laufenden Kohlenstoffkreislauf entstammt und
nicht aus vor Millionen Jahren gebundenem und heute freigesetztem
Kohlenstoff.
Bei einem Vergleich mit den fossilen Energieträgern Kohle und Gas berechnen
sie lediglich die Emissionen beim Transport per Lkw, Bahn und Schiff ein.
Die Energie, die bei der Ernte und Verarbeitung verbraucht wird, fällt
unter den Tisch mit dem Hinweis, es werde „durch Effizienz, Sektorkoppelung
und den Einsatz von Solarenergie der Einsatz fossiler Energieträger
weitestgehend reduziert“. Auf diese Weise errechnet das Ifas bezogen auf
den Energie-Output eine CO2-Ersparnis gegenüber Kohle um 73 und gegenüber
Gas um 55 Prozent.
Der [7][Hamburger Energietisch] hat ein Gegengutachten erstellen lassen,
das zu krass gegenteiligen Ergebnissen kommt und en détail in den kommenden
Wochen vorgestellt werden soll. Es argumentiert damit, dass das Holz
zeitversetzt nachwächst und auch gar nicht vollständig nachwachsen soll,
sodass unterm Strich CO2 freigesetzt würde – so ähnlich wie beim Abholzen
des Regenwaldes. Dazu käme das Methan aus dem Gedärm der Rinder, die auf
den freigemachten Flächen grasen sollen. Methan ist ein wirksameres
Klimagas als CO2.
Die Namibia Nature Foundation, die an dem Würzburger-Biomassekongress
teilnahm, lässt das so nicht gelten. „Es sollte bedacht werden, dass der
Klimaschutz eine Verpflichtung der Industrienationen ist, während für
Entwicklungsländer wie Namibia die Klimaanpassung im Vordergrund steht“,
schreibt sie in einer Stellungnahme zu dem offenen Brief an Minister
Müller.
## Vorsicht Ökoimperialismus
„Wir sollten uns daher vor Öko-Imperialismus hüten und die Klimaschutzziele
von Industrieländern nicht auf Entwicklungsländer projizieren, die oft am
stärksten vom Klimawandel betroffen sind.“ Für sie gehe es vorrangig darum,
das grundlegende Wohlergehen der Menschen und die Ernährungssicherheit zu
gewährleisten.
Bertchen Kohrs von der NGO Earthlife Namibia hat sich dagegen in
einschlägigen Kreisen unbeliebt gemacht, indem sie die Rinderhaltung,
zumindest im großen Stil, problematisiert. „Der Verbrauch an Wasser, das
wir nicht haben, ist enorm“, sagt sie. Sollte entbuscht werden, dann werde
es wegen Überweidung und anderer Faktoren bald wieder so aussehen wie
heute.
Sie stört sich zudem daran, dass in einer Machbarkeitsstudie für die GIZ
die Rede davon ist, mit der Biomassepartnerschaft ergebe sich „für
Deutschland eine Chance, die mit den historischen Ereignissen verbundenen
Schäden heilen zu können“. Kohrs hält das für heuchlerisch: „Projekte
können nicht als Ersatz für Kompensationsleistungen für den Kolonialismus
und den Völkermord gelten.“
15 Mar 2021
## LINKS
[1] /Klimaschutz-Enquete-in-Bremen/!5754544
[2] https://www.dasnamibia.org/namibian-biomass-for-climate-protection/
[3] https://www.hamburg.de/energiewende/namibia-biomass-partnership/14497848/pr…
[4] /Brandbrief-der-Umweltorganisationen/!5754572
[5] /Erdwaerme-Bohrungen-in-Hamburg/!5750480
[6] https://www.giz.de/de/mit_der_giz_arbeiten/91230.html
[7] https://www.giz.de/de/mit_der_giz_arbeiten/91230.html
## AUTOREN
Gernot Knödler
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