# taz.de -- Klimaschutz-Enquete in Bremen: Mit Trippel-Schritten nach Paris | |
> Eine Enquetekommission soll für Bremen die Klimaschutzstrategie | |
> entwickeln. Nun hat sie ihren Zwischenbericht vorgestellt. | |
Bild: Abwarten geht nicht: Demo in Bremen im Juni 2019 | |
Seit zehn Monaten [1][tagt die Klimakommission]: Am Freitag hat das | |
Gremium einen Zwischenbericht vorgelegt, in dem sie Vorschläge macht, wie | |
sich Bremen dem Ziel der Klimaneutralität nähern kann – primär durch | |
Maßnahmen, die das Land selbst in der Hand hat. | |
Dass [2][die Enquete] das Klimaschutz-Rad neu erfinden wird, [3][hatten | |
bereits vor einem Jahr Kritiker*innen bezweifelt] – und die nun | |
vorgestellten Maßnahmen klingen größtenteils bekannt. „Aber in der Tiefe | |
hat sich einiges geändert“, betont der Kommissionsvorsitzende Martin | |
Michalik (CDU). | |
Bis 2023 soll der Kohleausstieg endgültig geschafft sein. Das | |
übergangsweise vorgesehene erdgasbetriebene Blockheizkraftwerk in Hastedt | |
muss „Wasserstoff-ready“ geplant und gebaut werden, damit es in der Zukunft | |
klimaneutral laufen kann. | |
Die Potenziale von Solarenergie und Windkraft sollen voll ausgeschöpft | |
werden: Laut Michalik ist eine Verzehnfachung bis 2030 bei Solar möglich; | |
auch über eine Pflicht zu Photovoltaik-Anlagen auf öffentlichen Gebäuden. | |
Die Windkraft könne bis 2030 um 50 Prozent gesteigert werden. Aufgrund des | |
sich verdoppelnden Strombedarfs muss das Stromnetz ausgebaut werden. So | |
auch die Wärmeversorgung. Dafür braucht es eine umfassende Netzplanung. Der | |
Erdgasverbrauch wird auf null reduziert, das Netz wird ein Wasserstoffnetz. | |
## Dreckschleuder Stahlwerk | |
[4][Das Stahlwerk emittiert] mehr CO2 als Bremens übrige Industrie | |
zusammen. Hier ist daher das Einsparpotenzial am größten. „Die Umstellung | |
beider Hochöfen ist dringlich“, so Kommissionsmitglied Carsten Sieling | |
(SPD). Ein Hochofen soll zwischen 2026 und 2028 außer Betrieb genommen und | |
durch eine elektrischen Schrottschmelze ersetzt werden. Außerdem wird | |
geprüft, wie die heute verwendete Kohle durch Erdgas und Wasserstoff | |
ersetzt werden kann. Das treibt aber den Strom- und Wasserstoffbedarf | |
extrem hoch. Damit steigen die infrastrukturellen Anforderungen. | |
Das, was in Bremen bislang geplant ist, reicht fürs Stahlwerk aber wohl | |
nicht aus. Der Senat müsse also durch zügige Genehmigungsverfahren beim | |
Ausbau des Stromnetzes unterstützen, heißt es im Bericht. Das Gleiche gelte | |
fürs Netz zur Versorgung der Stahlindustrie mit lokal produziertem | |
Wasserstoff. Auch dann müsse immer noch viel importiert werden. | |
Ein Landeswärmegesetz soll kommen, auch um den Austausch von | |
Nichterneuerbaren-Heizungsanlagen zu gewährleisten. Wie genau das aussehen | |
kann bleibt unklar. Für die genaue Wärmeplanung warte man noch auf ein | |
Gutachten des Hamburg-Instituts, das im Sommer komme, so Sieling. Für | |
Neubauten soll ein „Plusenergie-Neubaustandard“ gelten. Sanierungen sollen | |
insgesamt beschleunigt werden. | |
Vorbildfunktion sollen die öffentlichen Gebäude übernehmen: Bis spätestens | |
2035 sollen die 1.600 Gebäude in Bremer Hand saniert sein. Daneben setzt | |
man auf Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften, die über die | |
wirtschaftlichen Möglichkeiten dazu verfügten, die Wärmeversorgung | |
umzustellen und Solardächer und -wände zu bauen. Für private | |
Eigentümer*innen soll es Förderprogramme geben. | |
Der Umweltverbund aus Rad-, Fuß-, öffentlichem Personennahverkehr sowie | |
Sharing-Angeboten [5][muss ausgebaut und qualitativ besser] werden. Der | |
Straßenraum ist zu seinen Gunsten umzuverteilen. Ebenso muss der Umstieg | |
auf klimaneutrale Antriebstechnologien gelingen, im privaten und | |
öffentlichen Bereich. Auch Maßnahmen, die das Auto unattraktiver machen, | |
sollen die Vorhaben ergänzen. Der ÖPNV-Ausbau kann kurzfristig mit | |
Schnellbuslinien ergänzt werden. Die Busse der BSAG sollen auf | |
Elektroantrieb wechseln. | |
Bremen muss mit dem Umland gemeinsame ÖPNV-Pläne aufstellen, um für | |
Pendler*innen mitzudenken. Zudem sei es wichtig, so Vekehrsexpertin | |
Philine Gaffron, die Maßnahmen gut zu kommunizieren. Sie beträfen | |
schließlich persönliche Handlungsweisen. Dafür brauche es mehr Personal in | |
der Verwaltung und den Betrieben der Mobilitätsangebote. Über die Forderung | |
nach einem „ganzjährig kostenlosen ÖPNV für Schüler*innen, Student*innen, | |
Auszubildende und Stadt-Ticket-Berechtigte“ und „angemessene Ermäßigungen | |
für Senior*innen“ konnte in der Kommission keine Einigkeit hergestellt | |
werden. | |
„Wir müssen an die Bildungspläne ran“, so Expertin Jutta Günther von der | |
Uni Bremen am Freitag. Mehr Bildung für nachhaltige Entwicklung und | |
[6][Klimabildung müsse in die Schulen komme]n. Entsprechend müsste dann die | |
Ausbildung der Lehrer*innen verändert, die bereits Berufstätigen | |
fortgebildet werden. Auf Klimaschutz als wirklich verpflichtenden und | |
prüfungsrelevanten Unterrichtsinhalt konnten sich die Kommissionsmitglieder | |
indes nicht einigen. Die Ausbildungslehrpläne in Handwerk und Industrie | |
müssen überarbeitet werden, weil sich durch die technischen Veränderungen | |
die Berufe verändern. Auch dort müssen die Berufstätigen fortgebildet | |
werden. | |
## Bitte nicht bei Klimaforschung kürzen! | |
Die Klimaforschung an Hochschulen solle so aufgestellt bleiben wie bislang, | |
so Günther. „Wenn wir nicht neues Wissen für die Gestaltung der Zukunft | |
generieren, haben wir nichts, was wir in die Wirtschaft und in die Bildung | |
weitergeben können.“ | |
Mehr Mehrweggeschirr und Anreize für den Konsum von energieeffizienteren | |
Produkten sollen kommen. Das reiche aber nicht: Auch weniger zu konsumieren | |
sei notwendig ebenso wie die Etablierung einer Kultur des Teilens, | |
Reparierens und Weiternutzens. Dezentrale Reparaturcafés, offene | |
Werkstätten sowie Bürger*innendialoge zur Entwicklung von Ideen für | |
Klimaschutz im Alltag. Die Idee, öffentliche und Briefkasten-Werbung | |
einzuschränken, war nicht konsensfähig. | |
In der Stadt sollen durch Urban Gardening mehr Lebensmittel produziert | |
werden. Bis 2030 soll der Lebensmittelabfall in öffentlichen Kantinen | |
halbiert werden. Die Verpflegung dort soll klimafreundlicher werden. Die | |
Bevölkerung soll sensibilisiert werden, um auch [7][im privaten Bereich] | |
weniger Fleisch zu essen und weniger wegzuwerfen. | |
Der Bericht zeige „erste Erfolge“, sagt Philipp Bruck, Abgeordneter und | |
Sprecher der Grünen-Fraktion in der Enquetekommission. Doch ein Klimaziel, | |
das den Rahmen für Maßnahmen vorgebe, fehle noch. „Das muss in den | |
kommenden Monaten nachgeholt werden.“ Auch die Finanzierung der Maßnahmen | |
müsse in den nächsten Monaten noch besprochen werden, „damit Klimaschutz | |
nicht an der Haushaltsnotlage scheitert“. Freitag hat die Kommission ihr | |
Programm für die nächsten Monate festgelegt. Die Maßnahmen sollen in der | |
weiteren Arbeit auf ihre CO2-Reduktionspotenziale bewertet werden. | |
12 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Bremer-Enquete-Kommission-Klimaschutz/!5667554 | |
[2] https://www.bremische-buergerschaft.de/index.php?id=enquete-klimaschutz | |
[3] /Bremer-Enquete-Kommission-Klimaschutz/!5683750 | |
[4] /Konversion-des-Bremer-Stahlwerks/!5711339 | |
[5] /Bremer-Enquetekommission-Klimaschutz/!5728662 | |
[6] /Schulunterricht-zum-Thema-Klima/!5735078 | |
[7] /Debatte-in-Bremer-Klima-Enquete/!5741678 | |
## AUTOREN | |
Alina Götz | |
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