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# taz.de -- Klimacamp in der Bremer Innenstadt: Kampfbereit auf dem Sofa
> Aktivist*innen haben in der Bremer Innenstadt ein Klimacamp
> errichtet. Der Sprecher der Umweltbehörde gibt sich gesprächsbereit.
Bild: Setzen auf Dialog und Druck: die Aktivist:innen des Bremer Klimacamps
Bremen taz | Wegen der Coronapandemie stehen am Freitagnachmittag auf dem
Bremer Marktplatz keine Stühle vor den Cafés. Dafür gibt es Proteste und
zivilen Ungehorsam in der Innenstadt. Nur ein paar Meter entfernt bauen
Aktivist*innen am Grasmarkt gerade das erste Bremer Klimacamp auf. Ein
paar Pavillons und Sofas stehen schon, junge Menschen malen ein Banner:
„Wir bleiben, bis ihr handelt!“
Klimacamps sind eine Protestform, um die Politik dazu zu bewegen,
klimagerecht zu handeln. Das erste wurde in Deutschland am 1. Juli 2020 in
Augsburg errichtet. „Wir bauen auf drei Pfeiler“, sagt Leon Ueberall vom
Presseteam des Augsburger Klimacamps, „Diplomatie, Bildung und zivilen
Ungehorsam.“ Dazu zählen Gespräche mit Politiker*innen und
Passant*innen, sowie Workshops in den Camps, aber auch Blockaden und
Ähnliches.
In erster Linie sollen die Camps aber Druck auf die Politik ausüben. „Wir
wollen, dass die Städte bei der Bundesregierung für Klimaschutz eintreten,
sodass wir von unten Druck aufbauen können“, sagt Ueberall. Camps gibt es
zurzeit neben Bremen und Augsburg auch in Nürnberg und Hamburg. Außerdem
sind laut Ueberall noch 16 weitere Camps in Deutschland in Planung.
Die Aktivist*innen in Bremen haben eine Bühne aufgebaut. Mitorganisator
Paul-Nikos Günther geht auf die Bühne und hält vor rund 80 Menschen eine
Rede, in der er die Bremer Politik direkt anklagt: „Diese Krise ist euch
bekannt. Getan hat sich nichts. Nur viele leere Versprechen habt ihr uns
gegeben!“, ruft er. Fehlt nur noch ein hinterher gezischtes „How dare you!�…
Jens Tittmann ist der Sprecher von Maike Schäfer (Grüne), deren
Umweltbehörde den Klimaschutz gleich als Erstes im Namen trägt. Er ist für
einen Dialog mit Klimacamper:innen: „Es ist doch wichtig, sich mit
Klimaaktivist*innen auszutauschen, um gemeinsam zu beraten und
Strategien zu entwickeln“, sagt er. Er stellt sich dabei einen Besuch im
Camp oder eine Einladung in die Umweltdeputation oder Bürgerschaft vor. Die
Bremer Aktivist*innen sind ebenfalls gesprächsbereit. „Wir wollen das
Gespräch mit Politiker*innen und Menschen suchen, aber eben auch 24/7
Druck aufbauen“, sagt Paul-Nikos Günther.
Die Aktivist*innen fordern von der Bremer Politik, dass sie Maßnahmen
ergreift, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. „Wir müssen
unbedingt verhindern, dass sich das Klima um mehr als 1,5 Grad erwärmt“,
sagt Günther. Ansonsten träten sogenannte Kipp-Punkte ein. „Dann setzt sich
eine Spirale in Gang und das Klima könnte sich um sechs bis sieben Grad
erhitzen.“ Auch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare
Sicherheit (BUM) warnt vor solchen Kipp-Punkten. In einem Bericht heißt es,
dass beispielsweise das Schmelzen der arktischen Permafrostböden zur
Freisetzung von Treibhausgasen führe, die seit der letzten Eiszeit im
Permafrostboden gespeichert sind. Dies würde wiederum die Klimaerwärmung
erheblich beschleunigen.
Ganz konkret fordern die Aktivist*innen, dass Bremen bis 2032 klimaneutral
wird und sich selbst ein lokales CO2-Budget von 23,52 Millionen Tonnen CO2
ab 2021 setzt. Das bedeutet, dass Bremen von 2021 bis zur Klimaneutralität
2032 nicht mehr CO2 ausstoßen darf als im Budget festgeschrieben. Die
konkrete Summe haben die Aktivist*innen anhand der Zahlen aus dem
Bericht des Welktklimarats errechnet. Das CO2-Budget gibt an, wie viel CO2
weltweit höchstens emittiert werden darf, um die Erwärmung auf 1,5 Grad zu
beschränken.
Jens Tittmann hält ein CO2-Budget auf Grundlage des IPCC-Berichts für
richtig: „Die Kosten für Klimafolgeschäden sind definitiv teurer. Darum ist
die Forderung nach dem CO2-Budget nachvollziehbar und folgerichtig.“ Damit
Bremen das errechnete CO2-Budget auch wirklich einhält, fordern die
Aktivist*innen unter anderem eine Schließung des Flughafens für den
privaten Flugverkehr, die Dekarboniserung der Energieversorgung bis 2030,
ausschließlich vegane oder saisonale Ernährung in öffentlichen Kantinen,
Solar auf allen Dächern und Windkraft, wo sie den Naturschutz nicht stört.
Außerdem den Ausbau von Fuß- und Radverkehr, sowie einen kostenlosen
öffentlichen Nahverkehr. „Bremen tut einfach zu wenig in Sachen
Klimaschutz“, sagt Günther.
Tittmann widerspricht, Bremen tue inzwischen sehr viel, sagt er, allerdings
müsse man noch besser und schneller werden. „Wir haben in Bremen den
Klimanotstand ausgerufen, ein eigenes Handlungsfeld Klimaschutz mit 30
Millionen Euro eingeführt und wir treiben die Verkehrswende voran“, sagt er
und verweist auf neue Straßenbahnen, E-Busse und die Stilllegung von
Kohlekraftwerken.
Den Aktivist*innen gegenüber ist man auf Seiten der Stadt übrigens
nicht überall so aufgeschlossen wie Tittmann. Für das Camp in Bremen hat
das Ordnungsamt mit Verweis auf den Infektionsschutz einige Auflagen. So
dürfen keine Zelte auf dem Grasmarkt aufgestellt und dort auch nicht
übernachtet werden. Die Aktivist*innen überlegen, ob sie dagegen
gerichtlich vorgehen. „Die Polizei hat uns gesagt, dass sie uns sofort
räumen werden, falls wir Zelte aufstellen“, sagt Günther.
Genehmigt wurde das Camp zunächst nur bis zum 7. Mai. Nicht grade eine
lange Zeit, um mit der Stadt ins Gespräch zu kommen, bevor man von ihr
geräumt wird. „Ich denke, ich werde heute Nacht hier auf den Sofas
bleiben“, sagt Günther.
26 Apr 2021
## AUTOREN
Lukas Scharfenberger
## TAGS
Bremen
Schwerpunkt Klimawandel
Oldenburg
Klimaneutralität
Fahrrad
Verkehrswende
Wasserstoff
Bremen
Schwerpunkt Fridays For Future
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