# taz.de -- FFF-Klimacamp am Hamburger Gänsemarkt: Um den Schlaf gebracht | |
> Fridays-for-Future-Aktivist*innen sind am 13. August ins Klimacamp | |
> gezogen. Auf dem Gänsemarkt müssen sie sich mit den Auflagen | |
> herumschlagen. | |
Bild: Offen für Debatten: Das Klimacamp-Zelt auf dem Gänsemarkt | |
HAMBURG taz | Es ist kurz vor halb zehn. Aktivist Jan Niemand sitzt in | |
einem Campingstuhl im Klimacamp der Initiative Fridays for Future (FFF) auf | |
dem Hamburger Gänsemarkt. Auf einer Box neben ihm ruht ein Megafon. Er | |
selbst hängt über seinem Smartphone und versucht sich wach zu halten. Es | |
ist sein siebter Tag im Klimacamp. Dem 17-Jährigen tut der Rücken weh, | |
seine Beine sind von Mücken zerstochen. Seit die Aktivist*innen am 13. | |
August das Camp aufgebaut haben, hat er nicht viel geschlafen, meist fünf | |
Stunden pro Nacht. | |
Alles, „damit wir nicht mehr ignoriert werden“, sagt Niemand. Ignoriert | |
fühlt er sich, von Senat und Bürgerschaft. Genau ein Jahr vorher, am 13. | |
August 2019, hatte FFF im Umweltausschuss gefordert, bis 2025 aus der Kohle | |
auszusteigen, Hamburg bis 2035 klimaneutral und die Innenstadt autofrei zu | |
machen. „Seitdem ist nichts passiert“, sagt Niemand über den Lärm der Aut… | |
hinweg. | |
„Sicher sind zentrale Forderungen von Fridays For Future Hamburg noch nicht | |
eingelöst“, räumt die Grünen-Fraktionssprecherin für Klimapolitik, Rosa | |
Domm, zunächst ein, „aber wir sind einen mächtigen Schritt vorwärts | |
gekommen.“ Die Befreiung der Innenstadt vom motorisierten Individualverkehr | |
beginnend im Oktober mit dem Jungfernstieg sieht sie als Erfolg an. Der | |
Pressesprecher der Umweltbehörde Jan Dube will zunächst nicht sagen, was | |
der Senat für den Klimaschutz tut, verweist auf die Fraktionen. Erst auf | |
Nachfrage teilt er mit: „Um den Klimaschutz voranzubringen, hat der Senat | |
zusätzlich 25 Millionen Euro für 2020 bereitgestellt.“ | |
Niemand reicht das nicht. Für ihn steht fest: Er wird mit anderen | |
Aktivist*innen das Klimacamp so lange aufrechterhalten, „bis uns die Leute | |
ausgehen“ – oder bis ihnen strafrechtliche Konsequenzen drohen. „Es geht | |
uns um die Rettung der Erde, egal wie absurd das klingt“, sagt er. Lasse | |
van der Veen-Liese, der auch auf dem Gänsemarkt ist, hat das Protestcamp | |
angemeldet. Eigentlich würde er sich gern vollkommen dem Klimaschutz | |
widmen, doch auf dem Gänsemarkt fließt ein Großteil seiner Energie momentan | |
in den Papierkrieg mit der Polizei. | |
Die Versammlungsbehörde schreibt den Aktivist*innen vor, dass sie vor Ort | |
nicht schlafen, sondern sich nur ausruhen dürfen. „Ausruhen, das heißt für | |
die Polizei, nicht länger als 30 Minuten Schlaf“, sagt van der Veen-Liese. | |
Nachts komme die Polizei für Stippvisiten ins Camp und stupse | |
Aktivist*innen wach. Polizei-Sprecher Holger Vehren bestätigt: „Durch | |
Polizeibeamte des Kommissariats 14 wird auf Streife regelmäßig das | |
Einhalten der Auflagen überprüft. Bei Verstößen schreiten sie anhand der | |
geltenden Rechtsvorschriften polizeilich ein.“ | |
Van der Veen-Liese will seinen Protest nicht den für ihn unsinnigen | |
Auflagen unterordnen, zu denen beispielsweise das Verbot gehört, Regale | |
aufzustellen. Im Camp dürften Auflagen nicht das Hauptgesprächsthema sein, | |
meint der Veranstaltungstechniker. Denn: „Wir können nicht mehr erwarten, | |
dass die Politik handelt, bevor wir nicht Menschen bewegen und sie dazu | |
bringen, sich hinter uns zu stellen.“ | |
Während van der Veen-Liese auf einem Getränkekasten sitzt und über neue | |
Protestformen spricht, vertreibt Niemand die lästigen Tauben. „Wir wollen | |
uns hier nicht häuslich einrichten“, sagt er. Viel mehr als Komfort wiege | |
der Austausch mit den Menschen. „Auf einmal reden die Leute nicht mehr mit | |
uns über den Klimawandel, sondern miteinander“, berichtet van der | |
Veen-Liese. Das Klimacamp auf dem Gänsemarkt ist offenbar nicht nur für FFF | |
ein neuer Ort der Vernetzung geworden. | |
24 Aug 2020 | |
## AUTOREN | |
Laura Strübbe | |
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