# taz.de -- Klimaaktivistin über ihr Engagement: „Ich habe Hoffnung“ | |
> Dorothee Häußermann gab ihren Job als Lehrerin auf und widmete sich ganz | |
> der Klimabewegung – unter anderem als Romanautorin. | |
Bild: Dorothee Häußermann: Die Autorin und Klimaaktivistin glaubt an die eige… | |
taz: Frau Häußermann, wie sind Sie Klimaaktivistin geworden? | |
Dorothee Häußermann: Ich bin erst spät politisch aktiv geworden. Ich war | |
zwar immer interessiert, habe als Studentin mitgestreikt, aber danach habe | |
ich erst einmal lange als Lehrerin gearbeitet. Dann habe ich es mit der | |
Angst zu tun bekommen, weil ich immer mehr über Klimawandel gelesen haben | |
und mir klar wurde: Es geht hier darum, dass unser Planet, so wie er ist, | |
zerstört wird. Die Lage ist so ernst, dass es nicht reicht, wenn ich | |
versuche, umweltfreundlich einzukaufen, während das Kohlekraftwerk Neurath | |
in zehn Sekunden so viel Kohlendioxid ausstößt wie ich in einem ganzen | |
Jahr. | |
Was taten Sie, als Ihnen das klar wurde? | |
Auf individueller Ebene ist unser Handlungsspielraum zu klein, wir müssen | |
uns zusammenschließen und für politische Veränderung einsetzen. Ein | |
Schlüsselerlebnis war für mich das Klimacamp 2009 in London. Dort habe ich | |
erlebt, wie Menschen genau das tun: gemeinsam Verantwortung ergreifen. | |
Seitdem bin ich in der Klimabewegung aktiv und organisiere Kampagnen gegen | |
Braunkohle. | |
Greta Thunberg hat auch mit ihren Klimastreiks begonnen, weil sie Angst um | |
unseren Planeten hat. Welches Gefühl treibt Sie noch an? | |
Es ist Angst. Aber auch Liebe zur Natur. Ich kann nicht zulassen, dass so | |
viel Schönheit zerstört wird. Und ein Gefühl von Verantwortung. Wir sind | |
alle Teil einer Kausalkette, egal, was wir tun oder nicht tun. Ich denke, | |
dass das ein großes Problem ist: Bei vielen Menschen ist dieses Bewusstsein | |
von Verbundenheit nicht da, und sie glauben darum nicht, dass sie eine | |
Rolle spielen können. | |
Haben Sie bei Ihrer Arbeit als Aktivistin Grenzerfahrungen gemacht? | |
Ja. Für mich bedeutet es großen Stress, in Konflikt mit Autoritäten zu | |
gehen: mit der Polizei, der Regierung, großen Konzernen. Ich bin dazu | |
erzogen worden, ein nettes Mädchen zu sein. Aber ohne Konflikt geht es | |
nicht. Fossile Konzerne werden nicht von selbst ihre Macht abgeben. | |
Sie waren als Aktivistin im Hambacher Forst dabei. Was bedeutet es für die | |
Bewegung, dass der Protest den Bergbau dort gestoppt hat? | |
Am Anfang waren wir dort nur ein paar hundert Leute, und später kamen zu | |
den Demonstrationen Tausende, und alle Medien haben über uns berichtet. Das | |
war ein wichtiges Zeichen für alle Kämpfe, die wir jetzt führen. Den | |
Menschen, die heute dagegen kämpfen, dass ihre Dörfer für den | |
Braunkohle-Tagebau abgebaggert werden, gibt das unglaublich viel | |
Motivation. Denn es ist klar: Wir können Erfolg haben. | |
Sie nennen sich Bewegungsarbeiterin. Was bedeutet das konkret? | |
Ich finanziere mich über die Bewegungsstiftung. Menschen, die meine | |
politische Arbeit wichtig finden, können an die Stiftung für mich spenden. | |
Ich habe deshalb die Freiheit, in verschiedenen Projekten unentgeltlich zu | |
arbeiten, auch für Aktionen zivilen Ungehorsams. | |
In Ihrem letzten Roman „Wind aus Nord-Süd“ geht es darum, welche Wege | |
Menschen für ein Engagement gegen die Klimakrise wählen. Der Roman ist ein | |
Mosaik aus Stimmen und Stilelementen, von Briefen und Tagebucheinträgen zu | |
Protestmailings und Dialogen. | |
Als Literaturwissenschaftlerin habe ich im Studium gelernt, Themen aus | |
verschiedenen, auch gegensätzlichen Perspektiven zu sehen. Das spiegelt | |
sich in der Vielstimmigkeit des Romans wieder. Vielleicht ist es mir | |
deswegen selber anfangs schwergefallen, mich wirklich festzulegen auf eine | |
politische Position. | |
Genau so spricht in Ihrem Buch auch die Figur der Lotte. Sie versucht, | |
ihren ökologischen Fußabdruck kleinzuhalten. Lottes Freundin arbeitet für | |
eine NGO, und eine dritte Frau steht unter dem Verdacht, Öko-Terroristin zu | |
sein. Welche der drei ist Ihnen am nächsten? | |
Ich finde mich in allen dreien teilweise wieder. | |
Ich hätte vermutet, dass Sie sich am meisten mit der NGO-Arbeiterin Kundrie | |
identifizieren. | |
Kundrie steckt gerade in einer Sinnkrise und auch für mich war das Buch | |
wichtig, um meine Zweifel zu verarbeiten, ob das, was ich mache, | |
wirkungsvoll ist. Es besteht die Gefahr, sich zwischen vielen Fronten | |
aufzureiben. Es ist wichtig, dass es Menschen gibt, die Ertrinkende aus dem | |
Mittelmeer retten, gegen Rassismus kämpfen, Kranke pflegen. Ich kann aber | |
nicht alles gleichzeitig tun. | |
Oft wird argumentiert, Ökologie sei ein Luxus. Lassen sich die ökologische | |
und die soziale Frage vereinbaren? | |
Für mich gibt es da keinen Widerspruch. Ein Argument für Kohlekraft sind | |
oft Arbeitsplätze, die da verloren gehen würden. Nur: Wenn wir die Kohle | |
verbrennen, zerstören wir damit auch Arbeitsplätze, zum Beispiel für die | |
Bauern in Mali, die wegen immer häufigeren Dürreperioden dort ihre Felder | |
nicht mehr bestellen können. Wir verursachen damit sehr viel Leid, Elend | |
und soziale Probleme. Ökologie und Soziales lassen sich nicht trennen. | |
Ein Kernproblem ist die Wachstumsspirale, die in unserem Wirtschaftssystem | |
so tief drin steckt, dass Wachstum sogar eines der SDG-Nachhaltigkeitsziele | |
der UN ist. | |
Die ökologische Krise ist eng mit dem Kapitalismus verwoben. Wir müssen | |
davon wegkommen, dass alle Probleme darüber geregelt werden, dass Menschen | |
mehr und mehr konsumieren sollen, auch wieder jetzt nach Corona. Aber es | |
ist schwierig. Wie bekommen wir einen Systemwechsel hin? Es ist, als | |
müssten wir in einer fahrenden Lok den Motor wechseln. | |
Und jetzt? Gibt es Hoffnung? | |
Die Frage ist, Hoffnung auf was? Einige Klimagruppen betonen stark, dass | |
wir nur noch wenige Jahre Zeit haben, um den Klimawandel aufzuhalten. Das | |
ist inhaltlich richtig, aber nicht die ganze Geschichte. Es geht nicht nur | |
um Kohlendioxid, sondern um die Frage, wie wir Ressourcen gerecht | |
verteilen, wer darüber entscheidet. Selbst wenn die Frist, in der wir die | |
globale Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzen können, irgendwann abgelaufen sein | |
sollte, ist das kein Grund aufzugeben und zu resignieren. Es geht weiter | |
darum, für eine gerechte Gesellschaft zu kämpfen. Ich habe Hoffnung, ja. | |
Aber nicht darauf, dass wir in 20 Jahren eine perfekte Utopie verwirklicht | |
haben, von der ich gar nicht so genau weiß, wie sie aussieht. Sondern | |
Hoffnung im Sinn von: Vertrauen in unsere eigene Wirksamkeit. | |
3 Aug 2020 | |
## AUTOREN | |
Friederike Grabitz | |
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