# taz.de -- Dörfer wehren sich gegen Kohleabbau: Demonstrieren, besetzen, klag… | |
> Die Klimabewegung hinterfragt nach dem Kohleausstiegsgesetz ihre | |
> Strategie. Eine Gruppe will Verfassungsbeschwerde einreichen. | |
Bild: Protest gegen die Zerstörung von Dörfern durch den Braunkohletagebau in… | |
BERLIN taz | In der Klimabewegung rumort es. Ihr großes Ziel, in | |
Deutschland [1][den Kohleausstieg] einzuleiten, ist mit dem am Freitag | |
beschlossenen Kohleausstiegsgesetz erreicht. Aber: Dass das letzte | |
Kohlekraftwerk erst 2038 vom Netz muss, ist den Aktivist:innen viel zu | |
spät. | |
Fridays for Future ruft schon zu neuen Freitagsstreiks auf – aber manche | |
Stimmen fordern, dass sich die Klimabewegung komplett neu sortiert. „Es ist | |
nicht von der Hand zu weisen, dass das eine krachende Niederlage für uns | |
als Klimabewegung ist“, sagt Tadzio Müller von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, | |
der seit Jahren in der Koordinierung verschiedener Klimaproteste aktiv ist. | |
„Seit zwölf Jahren veranstaltet der gemäßigte Teil Demos, der radikalere | |
Teil Klimacamps und Tagebaubesetzungen – und die Politik ignoriert uns, | |
obwohl wir mittlerweile so viele sind.“ | |
Müllers Fazit: „Wir müssen umdenken und zusammen massenhaft zivilen | |
Ungehorsam betreiben: mit der Basis von Fridays for Future, der Protestform | |
von Extinction Rebellion und der Besetzungstaktik von Ende Gelände.“ Er | |
wünscht sich Blockaden mitten in den Innenstädten, bei denen die | |
Aktivist:innen sich strategisch in verschiedenen Gruppen („Fingern“) | |
bewegen – und Fridays for Future bringen die vielen Teilnehmer:innen mit. | |
Eine Gruppe im Rheinland will erst mal juristisch ansetzen: Die | |
Gemeinschaft „Menschenrecht vor Bergrecht“ hat eine Verfassungsbeschwerde | |
gegen das Kohleausstiegsgesetz angekündigt. Sie besteht aus Menschen, die | |
nahe dem Tagebau Garzweiler II leben. | |
## Gesetz sieht Abbaggern von Dörfern vor | |
Den will der Energiekonzern RWE erweitern – und müsste dafür fünf | |
umliegende Dörfer abbaggern. Im Kohleausstiegsgesetz stehen die Pläne als | |
„energiepolitisch und energiewirtschaftlich“ notwendig festgeschrieben. | |
Diese Notwendigkeit zweifeln die Anwohner:innen des Tagebaus an – und damit | |
auch die Grundlage für ihre Umsiedlung. Mit dieser Argumentation wollen sie | |
nun vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. | |
„Die Bundesregierung ignoriert mit diesem Gesetz die Grundrechte der im | |
Tagebaugebiet lebenden Menschen, insbesondere die Achtung der Menschenwürde | |
und Gesundheit sowie das Eigentumsgrundrecht und die damit verbundenen | |
Interessen auf Bewahrung von Wohnung und Heimatort“, meint Rechtsanwalt | |
Dirk Teßmer, der die Gruppe vertritt. Auch mit dem Anspruch auf einen | |
effektiven Rechtsschutz sei das Gesetz nicht vereinbar. „Die | |
Grundrechtsverstöße sind so eklatant, dass das Gesetz vor dem | |
Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben kann“, sagt Teßmer. | |
Der Passus zu Garzweiler II war in früheren Versionen des Gesetzes nicht | |
vorgesehen. Sein Inhalt ist umstritten. RWE geht davon aus, bis 2038 noch | |
763 Millionen Tonnen Kohle zu brauchen. Dafür müsste die Grube wachsen. | |
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat im Auftrag von | |
Greenpeace im Mai ein Gutachten zu Garzweiler II angefertigt. Die | |
Wissenschaftler:innen kommen darin zu dem Schluss, dass Deutschland die | |
zusätzliche Kohle nicht braucht, weil die erneuerbaren Energien ausgebaut | |
werden. | |
Die Bürger:innen, die sich bei Menschenrecht vor Bergrecht organisieren, | |
haben gemeinsam ein Grundstück im Ort Keyenberg gekauft. Das wollen sie | |
zusätzlich zu ihren privaten Grundstücken gemeinschaftlich verteidigen. | |
Lang Zeit haben sie dafür nicht: Keyenberg soll den Kohlebaggern im Jahr | |
2023 weichen. | |
6 Jul 2020 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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