# taz.de -- Erdwärme-Bohrungen in Hamburg: So tief wie nie zuvor | |
> Erstmals in Norddeutschland soll Tiefengeothermie zum Heizen von | |
> Wohnungen genutzt werden. Das Projekt ist Teil der Hamburger | |
> Energiewende. | |
Bild: Hier wird die Energiewende sichtbar: Solarkollektoren auf dem Energiebunk… | |
HAMBURG taz | Der rot-grüne Senat will die Erdkruste anbohren, um Wärme | |
abzuzapfen. Bis zu dreieinhalb Kilometer tief soll die Bohrung | |
niedergebracht werden. Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) sprach am | |
Mittwoch von einem „wichtigen Meilenstein für die Wärmewende in Hamburg“. | |
Dass die Bohrung Erdbeben auslöse, davon sei „überhaupt nicht auszugehen“, | |
versicherte Michael Prinz, der Geschäftsführer des städtischen Versorgers | |
Hamburg Energie. | |
Der Versuch, Erdwärme aus so großer Tiefe zu fördern, ist bisher einmalig | |
in Norddeutschland, obwohl die norddeutsche Tiefebene zu den | |
aussichtsreichen Gebieten für Tiefengeothermie gehört. Das Projekt ist vor | |
mehr als zehn Jahren im [1][Rahmen der Internationalen Bauausstellung] | |
(IBA) in Wilhelmsburg unter dem Oberthema „Stadt im Klimawandel“ | |
angeschoben worden. Die aus der [2][IBA] hervorgegangene gleichnamige | |
Stadtentwicklungsgesellschaft setzt es jetzt um. „Ziel ist es, Geothermie | |
salonfähig zu machen“, sagte Prinz von Hamburg Energie. | |
Noch während der Laufzeit der Bauausstellung wurde unter Einbeziehung der | |
Abwärme ansässiger Industrie ein Nahwärmenetz geschaffen, in dessen Zentrum | |
ein riesiger alter Flakbunker steht. Er wurde mit Solaranlagen bestückt, | |
entkernt und mit einem riesigen Wassertank als Energiespeicher versehen. In | |
dieses Netz soll nun künftig auch Erdwärme eingespeist werden. Dafür sollen | |
an der Alten Schleuse zwei Bohrungen abgeteuft werden: eine, um das | |
Thermalwasser zu fördern, die andere, um das Wasser zurückzuleiten, nachdem | |
es in einem Wärmetauscher seine Energie abgegeben hat. Die Wärme sei | |
CO2-frei, praktisch unbegrenzt verfügbar und die Förderung brauche wenig | |
Platz, sagte Kerstan. | |
Zu den Risiken des Projekts gehört, dass das vermutete | |
Thermalwasservorkommen sich als unergiebig erweisen könnte. „Wir haben | |
viele Untersuchungen durchgeführt, sodass wir von einer sehr hohen | |
Fündigkeit ausgehen“, sagte Prinz. | |
Dazu kommt wie bei jeder Bohrung das Risiko, dass Flüssigkeit austritt und | |
die Umwelt verunreinigt. Das Erdbebenrisiko sei minimal, weil es keine | |
tektonischen Spannungen im Untergrund gebe, sagte Prinz. Hier seien die | |
Bedingungen besser als in München, wo bereits im großen Stil Wärme aus der | |
Tiefe gefördert wird. | |
Mit 23 Millionen Euro fördert der Bund das insgesamt 76 Millionen Euro | |
schwere Vorhaben als „Reallabor für die Energiewende“. Innovativ ist es | |
wegen seiner Einbindung. „Es ist viel mehr als eine | |
[3][Tiefengeothermie]-Bohrung“, sagte Senator Kerstan, „sondern ein | |
Konzept, wie man eine Kleinstadt versorgt.“ | |
Der Clou dabei ist die Verknüpfung unterschiedlicher Wärmequellen und | |
-speicher – physisch und über einen digitalen Marktplatz. „Die | |
Wohnungswirtschaftsunternehmen können frei entscheiden, welche Energie sie | |
einkaufen zu welchem Preis“, sagte Prinz. | |
Weil während des Sommers weniger Wärme gebraucht wird, sollen weitere | |
Speicher gebaut werden. Statt des bereits angekündigten Aquiferspeichers | |
unter der Dradenau soll zuerst ein solcher Speicher am Kraftwerk Tiefstack | |
eingerichtet werden. Dabei wird die Wärme in eine salzhaltige | |
Grundwasserschicht geleitet und dann bei Bedarf wieder abgezapft. | |
25 Feb 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Internationale-Bauausstellung-in-Hamburg/!5068378 | |
[2] https://www.iba-hamburg.de/ | |
[3] https://www.mags-projekt.de/MAGS/DE/Downloads/BMU_TiefeGeothermie.pdf?__blo… | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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