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# taz.de -- Klimaschutz in Hamburg: Senat schwächelt beim Kohleausstieg
> Der rekommunalisierte Versorger Wärme Hamburg verfehlt sein
> CO2-Reduktionsziel. Damit werde das Klimaschutzgesetz verletzt, sagen
> Umweltverbände.
Bild: Ein Klotz am Bein der Hamburger Energiewende: das Kohlekraftwerk Wedel
Hamburg taz | Umweltorganisationen haben dem Hamburger Senat vorgeworfen,
beim Kohleausstieg die Zügel schleifen zu lassen und damit sein eigenes
[1][Klimaschutzgesetz] nicht zu beachten. Die Verbände stützen sich auf
Kraftwerksdaten und ein von ihnen in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten, das
sie am Montag präsentierten. Demnach darf der städtische Wärmeversorger
Wärme Hamburg nicht allein nach betriebswirtschaftlichen Motiven handeln,
sondern muss dem Pariser 1,5-Grad-Klimaziel Priorität einräumen. „Die
Dekarbonisierung hat eindeutig Vorrang vor betriebswirtschaftlichen
Erwägungen“, sagt einer der Autoren des Gutachtens, der Anwalt Dirk Legler.
Die Hamburger Fernwärme ist nach dem Strom- und Gasnetz im September 2019
[2][als letztes Versorgungsnetz rekommunalisiert] worden. Ziel der
[3][Volksinitiative zur Rekommunalisierung] war „eine sozial gerechte,
klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus
erneuerbaren Energien“.
Der Aspekt des Klimaschutzes wurde durch eine Einigung von Senat und
Bürgerschaft mit der Initiative „Tschüss Kohle“ betont: Sie ließ sich auf
einen Kohleausstieg erst 2030 ein; dafür schreibt das [4][Hamburgische
Klimaschutzgesetz] vor, „den Einsatz von unmittelbar aus Stein- oder
Braunkohle produzierter Wärme bereits vor Ablauf der in Satz 1 genannten
Frist möglichst weitgehend zu vermeiden“.
Das habe Wärme Hamburg seit dem Rückkauf durch die Stadt aber versäumt,
kritisieren der Umweltverband BUND, die Volksinitiative „Tschüss Kohle“ und
die Genossenschaft Energienetz Hamburg. Sie verweisen auf die von den
beiden relevanten Kraftwerken veröffentlichten Zahlen. Beide haben in den
Jahren 2020 und 2021 bei der Stromproduktion sogar mehr Kohle verbrannt als
2019.
## Ein langer Winter
Das sei ein durchaus valider Indikator, weil die beiden Kraftwerke Strom
und Wärme produzierten und das Verhältnis zwischen Strom und Wärme übers
Jahr gesehen konstant sei, sagt Matthias Ederhof von Energienetz Hamburg.
Für das Kraftwerk Tiefstack gebe es gar keinen Plan, im laufenden Betrieb
weniger Kohle zu verbrennen. Das Kraftwerk Wedel habe das selbst gesteckte
Ziel, 2021 ein Fünftel weniger Kohle einzusetzen, verfehlt.
Wärme Hamburg räumt ein, sie werde das Ziel, 100.000 Tonnen CO2 gegenüber
dem Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2019 einzusparen, leider verfehlen. Ein
langer Winter, der Brand eines Kraftwerks und stark gestiegene
Brennstoffpreise hätten es unmöglich gemacht, das Ziel in diesem Jahr zu
erreichen.
„Wärme Hamburg hat auf ein besseres Jahresergebnis verzichtet, um durch
Verlagerungen von Wärme- und Stromlieferungen vom Heizkraftwerk Wedel auf
die Gas- und Dampfturbinenanlage Tiefstack Einsparungen zu realisieren“,
sagt Sprecherin Karen Kristina Hillmer. Damit habe Hamburg Wärme
zusätzliche 2,5 Millionen Euro ausgegeben, um weniger Kohle einsetzen zu
müssen.
Björn Marzahn, der Sprecher der zuständigen Behörde für Umwelt und Energie,
argumentiert mit Blick auf die Haushalte: „Wir haben uns gemeinsam mit
Wärme Hamburg entschieden, die stark erhöhten Gaspreise nicht auf die
Kunden umzulegen, sondern haben eine saisonale Reduzierung der CO2-Ziele in
Kauf genommen.“
## Das Pariser Klimaziel im Blick behalten
Ederhof sieht das nochmal anders. „Die Kohleeinsparung darf nicht dem
Gewinnstreben zum Opfer fallen“, findet er auch mit Blick auf das
Gutachten. Im vergangenen Jahr hat Wärme Hamburg allerdings noch 22
Millionen Euro Miese erwirtschaftet. Das liege aber vor allem an den Kosten
für das Herauslösen des Unternehmens aus dem Vattenfall-Konzern, heißt es
im [5][Geschäftsbericht]. In Zukunft hoffen die Stadt und die Initiatoren
des Volksentscheids auf Gewinne.
Die Gutachter von der Hamburger Kanzlei Günther ziehen aus der Analyse der
Rechtslage den Schluss, dass der Senat die Wärme- und Stromproduktion aus
den beiden Kraftwerken bis auf das „wirtschaftlich vertretbare Maß“
verringern müsse. Wo das liege, dürfe er nicht nur rein
betriebswirtschaftlich herleiten, sondern er müsse das Pariser Klimaziel im
Blick behalten.
Der Senat müsse laufend technisch und wirtschaftlich prüfen, wie weniger
Kohle eingesetzt werden könnte, und Wärme Hamburg verbindliche Vorgaben zur
Dekarbonisierung beider Kraftwerke machen und diese veröffentlichen.
„Wenn Wärme Hamburg uns allen gehört, dann müssen wir auch alle gemeinsam
entscheiden, was uns der Klimaschutz wert ist“, sagt Ederhof. „Bislang wird
das weder transparent gemacht noch diskutiert.“ Das Unternehmen dürfe dies
nicht alleine entscheiden.
22 Nov 2021
## LINKS
[1] /Anhoerung-zum-Hamburger-Klimaplan/!5651244
[2] /Hamburgs-Fernwaermenetz-Rueckkauf/!5540770
[3] https://unser-netz-hamburg.de/abstimmungstext-2.html
[4] https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/jlr-KlimaSchGHA2020pP9
[5] https://waerme.hamburg/downloads
## AUTOREN
Gernot Knödler
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Hamburg
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