| # taz.de -- Direkte Demokratie in Hamburg: Volksbegehren verfassungswidrig | |
| > Das Hamburgische Verfassungsgericht urteilt zugunsten des Senats. Der | |
| > kann sich weiterhin über Bürgerentscheide auf Bezirksebene hinwegsetzen. | |
| Bild: Kein neues Thema in Hamburg: Verbindliche Volksentscheide wurden auch sch… | |
| Hamburg taz | Das Hamburgische Verfassungsgericht hat am Freitag | |
| entschieden, dass die Forderung nach [1][verbindlichen Bürgerbegehren und | |
| Bürgerentscheiden auf Bezirks- und Senatsebene] gegen die Landesverfassung | |
| verstößt. Die Volksinitiative „Bürgerbegehren und Bürgerentscheide jetzt | |
| verbindlich machen – Mehr Demokratie vor Ort“ hatte sich dafür aufgestellt, | |
| doch der Hamburger Senat klagte gegen das Ansinnen – mit Erfolg. Nun darf | |
| das Volksbegehren nicht weiter fortgeführt werden. | |
| Mitte 2019 hatte die vom Verein „Mehr Demokratie“ angeführte | |
| Volksinitiative ihre Arbeit aufgenommen. Insgesamt hatten sich rund 30 | |
| Bürgerinitiativen in dem Bündnis vereint, um künftig auch | |
| [2][Bürgerentscheide] auf Bezirksebene rechtlich bindend zu machen. Anfang | |
| 2020 überreichte die Initiative dafür im ersten Schritt mehr als 14.000 | |
| Unterschriften im Rathaus. | |
| [3][Seit der Einführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden] in | |
| Hamburg habe der Senat über zwanzig Bürgerentscheide und Bürgerbegehren | |
| evoziert – also außer Kraft gesetzt oder die Bezirke angewiesen, die | |
| aufgeworfene Frage in seinem Sinne zu bearbeiten. Das kann der Senat immer | |
| dann anordnen, wenn er gesamtstädtische Interessen von den Bürgerbegehren | |
| berührt sieht. | |
| Das wollte die Initiative unmöglich machen: „Erfolgreiche Bürgerentscheide | |
| oder der Beschluss des Bezirks über die Annahme von Bürgerbegehren dürfen | |
| nur im Wege eines neuen Bürgerentscheids abgeändert werden“, lautete eine | |
| ihrer Kernforderungen. „Dabei fordern wir nur, was eigentlich eine | |
| Selbstverständlichkeit sein sollte“, sagte Initiativen-Sprecher Bernd Kroll | |
| vor der Entscheidung. | |
| ## Hamburger Senat klagte gegen Volksinitiative | |
| Im Senat gab es von Anfang an wenig Begeisterung für die Initiative. In der | |
| Klageschrift heißt es, dass die Initiative für ein solches Vorhaben auch | |
| eine konkrete Gesetzesänderung liefern müsste. Darüber hinaus verstoße die | |
| Initiative mit der Forderung gegen das Demokratieprinzip. Würde der | |
| demokratisch gewählte Senat keine Macht mehr über die ihm untergeordnete | |
| bezirkliche Verwaltung ausüben dürfen, könne er laut der Klageschrift seine | |
| „parlamentarische Verantwortung“ nicht mehr sicherstellen. | |
| Das Verfassungsgericht folgte der Ansicht des Senats einstimmig. Es stellte | |
| fest, dass die Abstimmungsvorlage „keine sachgerechte | |
| Abstimmungsentscheidung“ der Bürger:innen ermöglicht. Diese könnten | |
| anhand der Begründung weder die Auswirkungen der Änderungen überblicken | |
| noch die wesentlichen Vor- und Nachteile abschätzen. | |
| Vor allem aber wären die Forderungen der Initiative nur umsetzbar, wenn die | |
| sogenannte Einheitsgemeinde in Hamburg beseitigt würde. In der durch die | |
| Landesverfassung festgelegten Struktur sind die Bezirke in Hamburg nicht | |
| autonom. Anders als Gemeinden in Flächenländern haben Bezirke keine | |
| Zuständigkeiten, über deren Umsetzung sie frei entscheiden können. Der | |
| Senat führt und beaufsichtigt die gesamte Verwaltung – auch die der | |
| Bezirke. | |
| „Die Komplexität der Änderungen und die grundlegenden Folgen für die | |
| Verfasstheit der Freien und Hansestadt Hamburg erschlössen sich jedoch ohne | |
| besondere Vorkenntnisse des Hamburgischen Verfassungs- und | |
| Verwaltungsorganisationsrechts nicht“, teilten die | |
| Verfassungsrichter:innen mit. | |
| ## Volksinitiative will weitermachen | |
| Die Volksinitiative zeigt sich nach dem Urteil entspannt: Auch wenn das | |
| Verfassungsgericht das beantragte Volksbegehren vorläufig gestoppt habe, so | |
| hätten die Richter:innen doch das Ziel der Initiative für zulässig | |
| erklärt. | |
| „Durch die heutige Entscheidung des Hamburgischen Verfassungsgerichts | |
| besteht endlich Klarheit, dass wir Bürgerentscheide und Bürgerbegehren in | |
| Hamburg verbindlich machen können“, sagt Sprecher Kroll. Aufgeben wolle man | |
| nicht. Vielmehr zeigt sich Kroll sogar zufrieden, weil das Gericht der | |
| Initiative für die Zukunft geholfen habe: „Das Verfassungsgericht hat sogar | |
| aufgelistet, was genau wo geändert werden muss.“ | |
| 8 Feb 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| André Zuschlag | |
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