# taz.de -- Hamburger Senat mit neuer Strategie: Widerständiges wird weggeklagt | |
> Statt auf Kompromisssuche zu gehen, klagt der Hamburger Senat immer | |
> häufiger gegen Volksinitiativen. Es sollte anders sein. | |
Bild: Hamburgisches Verfassungsgericht: Hierhin zieht`s den Senat immer öfter | |
Das [1][Urteil des Hamburgischen Verfassungsgerichts] war kaum | |
überraschend: Die Forderungen, die die Volksinitiative „Bürgerbegehren und | |
Bürgerentscheide jetzt verbindlich machen – Mehr Demokratie vor Ort“ | |
formuliert hatte, verstoßen gegen die Landesverfassung. Wütend hingegen | |
macht, dass sich mit dem Urteil erneut zeigt, wie es dem rot-grünen Senat | |
seit einiger Zeit beständig gelingt, missliebige Einmischung – besonders | |
auf juristischem Wege – schnell abzukanzeln. | |
Die Freude bei SPD und Grünen ist nun groß: „Die Einheitsgemeinde ist eine | |
große Errungenschaft unserer Stadt, die es zu bewahren gilt. Sie schafft | |
Identität und hält unsere Stadt über alle Ebenen hinweg handlungsfähig“, | |
frohlockte der verfassungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Olaf | |
Steinbiß, pathetisch, als habe die Initiative versucht, die heiligen | |
Rathausmauern niederzureißen. Immerhin etwas nüchterner und ausgewogener, | |
aber ähnlich zufrieden, äußerten sich die Grünen nach dem Urteil. | |
Dass es vielleicht doch ein Problem ist, wenn es eine Volksabstimmung gibt, | |
aber der Wahlausgang vom Senat einfach beiseite gewischt werden kann, dazu | |
wollte sich bislang niemand so recht äußern. Stattdessen lautete die Parole | |
hier: Frühzeitig die Initiative vor das Verfassungsgericht zerren, bevor | |
die inhaltliche Debatte darüber an Fahrt gewinnen kann. Das | |
Kräfteverhältnis auf der juristischen Ebene ist ja ziemlich klar, an | |
genügend Jurist:innen mangelt es einer Landesregierung selten. | |
Und dieser Weg wurde zuletzt häufig gewählt: Da war die Volksinitiative zur | |
Streichung der Schuldenbremse in der Landesverfassung. Rot-Grün könnte | |
diese mit ihrer Mehrheit streichen. [2][Doch vom Senat war öffentlich kaum | |
eine Äußerung zum Inhalt zu vernehmen, man pochte einzig auf rechtliche | |
Probleme randständiger Aspekte.] Das Verfassungsgericht kassierte dann auch | |
dieses Volksbegehren. | |
## Zurückziehen auf die juristische Ebene | |
Ebenso war es bei der Volksinitiative, die sich für mehr Pflegepersonal im | |
Krankenhaus einsetze. Auch hier landete die Forderung schnell vor Gericht. | |
Und in Hamburg wie in Berlin gibt es eine Volksinitiative, die sich für das | |
Erproben eines bedingungsloses Grundeinkommens gründete. So eine Erprobung | |
kann man sinnvoll oder auch nicht finden – aber verfassungswidrig? Der | |
Berliner Senat prüfte nach erfolgreicher Einreichung der notwendigen | |
Unterschriften das Vorhaben. Und Hamburg? Genau, der Fall liegt derzeit mit | |
der Klage des Senats beim Verfassungsgericht. | |
Durch das ständige Zurückziehen auf die juristische Ebene machen es sich | |
die politischen Entscheidungsträger:innen zu leicht. Mehr noch zeigt | |
sich mittlerweile: Rot-Grün arbeitet beständig daran, barsch | |
durchzuregieren und sich nicht mehr auf inhaltliche Debatten einzulassen. | |
[3][Es wird nun betont, dass es ja bei rechtlichen Bedenken schlicht die | |
Pflicht sei, das Gericht anzurufen.] Die Zeit, in der der rot-grüne Senat | |
durch Dialog versucht, einen Kompromiss mit Volksinitiativen auszuloten, | |
ist wohl vorbei. Jetzt werden nur noch die Jurist:innen vorgeschickt. | |
8 Feb 2022 | |
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## AUTOREN | |
André Zuschlag | |
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