# taz.de -- Neues Gesetz in Schleswig-Holstein: Klimaschutz mit wenig Ambitionen | |
> Schleswig-Holstein erneuert sein Klimaschutzgesetz. Umweltverbänden und | |
> Opposition gehen die Maßnahmen nicht weit genug. | |
Bild: Passt klimaschutzmäßig nicht zusammen: Ausbau von Windkraft und Autobah… | |
KIEL taz | Zu wenig, zu vage, zu spät – die Kritik von Umweltverbänden und | |
Opposition am Klimaschutzgesetz der Landesregierung in Kiel ist laut. | |
Umwelt- und Energiewendeminister Jan-Philipp Albrecht (Grüne) sieht | |
Schleswig-Holstein dagegen als Vorreiter. Der Landtag hat die | |
[1][Neufassung des Gesetzes] am Mittwoch verabschiedet. | |
Ein „Armutszeugnis“ sei das neue Gesetz, sagte Oppositionsführerin Serpil | |
Midyatlı (SPD) in der Landtagsdebatte. Die SPD legte einen eigenen | |
Gegenentwurf vor, der aber keine Mehrheit fand. Für die | |
Regierungsfraktionen wies Oliver Kumbartzky (FDP) die Kritik der SPD als | |
„nicht fundiert“ zurück. Mit den nun beschlossenen Änderungen werde das | |
Gesetz „fit für die Zukunft“. Das Land gehe mit den Vorgaben für seine | |
Verwaltung selbst mit gutem Beispiel voran. | |
Schleswig-Holstein hat erst 2017, also 20 Jahre nach dem bundesweiten | |
[2][Vorreiter Hamburg], [3][ein eigenes Klimaschutzgesetz beschlossen] | |
(siehe Kasten). Es sei dem damaligen Umweltminister Robert Habeck wichtig | |
gewesen, dieses Paket zu schnüren, bevor er als Grünen-Parteichef nach | |
Berlin wechselte, heißt es aus Kreisen der Umweltschutzverbände. | |
Grundsätzlich können Landesklimaschutzgesetze nur bestimmte Bereiche | |
regeln. Darunter fällt, wie viele Emissionen die eigenen Verwaltungen und | |
Tochterbetriebe mit ihren Gebäuden und Fahrzeugen inklusive des | |
Schienennahverkehrs in die Luft blasen. Im alten Gesetz wollte | |
Schleswig-Holstein das Zero-Ziel bis 2050 erreichen. In der Neufassung soll | |
es nun bereits 2045 so weit sein, das Land übernehme damit die neuen, | |
ehrgeizigen Ziele, die Bund und EU vorgeben, so Tobias Koch (CDU). | |
## Hamburg und Bremen nennen gar kein Ziel für Klimaneutralität | |
Allerdings wollen die Verwaltungen von Berlin und Nordrhein-Westfalen bis | |
2030 ihre Arbeit klimaneutral verrichten, Thüringen und Baden-Württemberg | |
bis 2040, heißt es in einer [4][Übersicht des WWF über alle | |
Landesklimagesetze]. Zur Ehrenrettung Kiels: Einige Länder, darunter | |
Hamburg und Bremen, nennen gar kein Limit. | |
Minister Jan Philipp Albrecht (Grüne) hatte bereits im Vorfeld der Debatte | |
die Kritik der SPD zurückgewiesen. Als wichtige Punkte des Gesetzes nennt | |
er die „Wärmeplanung“ der Kommunen, mit der Städte und Gemeinde Wege zur | |
Klimaneutralität finden sollen. Dieses Instrument wird für einen Großteil | |
aller Orte verbindlich. Kein Land habe mehr Geld vom Bund für solche Ziele | |
eingeworben als Schleswig-Holstein, so Albrecht. | |
Das Gesetz sieht auch vor, dass Gebäude künftig teilweise mit erneuerbaren | |
Energien geheizt werden müssen – dies betrifft auch private | |
Hausbesitzer*innen, wenn sie neue Heizungen einbauen. Zudem soll es auf | |
Dächern und auf Parkplätzen verbindliche Flächen für Photovoltaik geben. | |
„Schleswig-Holstein ist und bleibt Energiewendeland Nr. 1“, so Albrecht im | |
Landtag. „Wir sind der Schrittmacher für den Klimaschutz, auch im Bund.“ | |
Für den Minister ist die Neufassung des Gesetzes ein Schwerpunkt seiner | |
Amtszeit – und eine Art Abschiedsgeschenk, denn der Grüne möchte aus der | |
aktiven Politik ausstiegen und in den Vorstand der parteinahen | |
Heinrich-Böll-Stiftung wechseln. Die Stiftungsgremien entscheiden Anfang | |
Dezember über seine Bewerbung. Zufall oder nicht: Gerade hat der | |
Landesverband der Böll-Stiftung ein Handbuch veröffentlicht, dessen | |
Forderungen über das Energiewende-Gesetz des Ministers hinausgehen und auf | |
das Serpil Midyatli in der Landtagssitzung genüsslich hinwies. | |
## Umweltschützer sehen schwere Mängel | |
Der Unmut der Umweltschutzverbände hatte sich bei einer Ausschuss-Anhörung | |
im Vorfeld der Landtagsdebatte entladen: „Eklatante Mängel bei der | |
Erreichung der Pariser-Klimaschutzziele“ erkannte der BUND, der | |
Gesetzentwurf sei „ambitionslos“. Fritz Heydemann, stellvertretender | |
Landesvorsitzender des Nabu, wies darauf hin, dass die Politik der | |
Jamaika-Regierung insgesamt einer „Reduzierung des Ausstoßes | |
klimaschädigender Gase widerspreche“. Er nannte den Ausbau von Autobahnen | |
und eine Raumplanung, die auf Bodenversiegelung statt Naturschutz setze. | |
Damit „bekommt die Glaubwürdigkeit der Klimaschutzpolitik erhebliche | |
Risse“. | |
Kritik am Gesetz gibt es auch von Seiten der Wirtschaft, darunter dem | |
Bauernverband. Die Verbände befürchten Nachteile oder höhere Kosten für | |
ihre Mitglieder. Generell aber bekennen sich alle Gruppen zum Klimaschutz. | |
Das Thema ängstige viele Menschen, die einen, weil sie ihren Lebensstil | |
fürchten, andere, weil ihnen der Wandel zu langsam gehe, sagte Eka von | |
Kalben von den Grünen. „Unsere Aufgabe ist es, den Menschen die Furcht zu | |
nehmen und sie nicht zu schüren. Weder in die eine noch in die andere | |
Richtung.“ Die Grünen hätten sich mehr gewünscht, das Gesetz sei ein | |
Kompromiss. | |
Ein Signal für mehr Nachhaltigkeit gibt das Land mit seiner Geldpolitik: | |
Künftig sollen bei allen Investitionen „ökologische, soziale und ethische | |
Kriterien“ gleichrangig zu den rein wirtschaftlichen Aspekten | |
berücksichtigt werden, verspricht Finanzministerin Monika Heinold (Grüne). | |
24 Nov 2021 | |
## LINKS | |
[1] http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/drucks/03000/drucksache-19-03061… | |
[2] /Volksinitiative-fordert-mehr-Klimaschutz/!5789858 | |
[3] /Kiel-novelliert-Klimaschutzgesetz/!5722234 | |
[4] https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/WWF_KSG_Gutachten1_La… | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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