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# taz.de -- Aufkauf von Kohlekraftwerken: Geschäfte mit Kohle und Steuergeld
> Der tschechische Konzern EPH ist seit etwa zehn Jahren in Deutschland
> aktiv – doch ziemlich unbekannt. Dabei kassiert er Milliarden für
> Renaturierung.
Bild: Das Kohlekraftwerk im niedersächsischen Mehrum
Berlin taz | Er ist – mit 18,9 Milliarden Euro Gewinn im Jahr 2021 – einer
der größten Fossilkonzerne Europas, aber kaum einer kennt ihn: die
tschechische „Energetický a Průmyslový Holding“ mit Sitz in Prag, abgek�…
EPH. Wann immer in Europa ein Fossilkraftwerk veräußert werden soll, ist
die EPH zur Stelle.
Zuletzt übernahmen [1][die Tschechen 2021 vom Eon-Nachfolger Uniper das
Kohlekraftwerk Schkopau], eines der gesundheitsschädlichsten Kraftwerke
Deutschlands. „Während wir viel über RWE, Uniper oder die LEAG reden, hat
die EPH kaum jemand im Fokus“, sagt René Schuster, Bundesvorsitzender der
Grünen Liga. Um das zu ändern, hat der ostdeutsche Umweltverband eine
Studie aus Tschechien über die Machenschaften der EPH übersetzt und am
Mittwoch veröffentlicht.
Hinter EPH steckt Daniel Křetínský, Oligarch und einer der reichsten
Menschen Europas: Er hält 94 Prozent jener Investmentgesellschaft, die die
EPH besitzt. Reich geworden ist Křetínský mit dem Erdgasgeschäft in der
Slowakei. Aber auch in Frankreich, Großbritannien, Italien oder Tschechien
verdient der Oligarch mit der Anheizung des Treibhauses Milliarden.
In Deutschland stieg sein Konzern 2012 ins Braunkohlegeschäft ein und
kaufte sich die Mitteldeutsche Braunkohle-AG, die Mibrag. 2013 kam das
Helmstedter Braunkohlerevier mit dem Kraftwerk Buschhaus dazu. 2016 das
gesamte Lausitz-Geschäft mit damals noch über 10.000 Mitarbeiter:nnen –
unter dem Namen Leag.
## EPH kassiert Gelder für Renaturierung
Um das loszuwerden, überwies der schwedische Staatskonzern Vattenfall, der
sich in Deutschland mit der Kohle verspekuliert hatte, damals knapp 2,7
Milliarden Euro auf Daniel Křetínskýs Konten. Geld, das für die
Rekultivierung der Tagebaue in der Lausitz gedacht ist.
Kein Einzelfall: Der deutsche Kohlekonzern Uniper bezahlte EPH 2019 dafür,
eines der größten Fossilkraftwerke Frankreichs zu übernehmen – obwohl der
Kohleausstieg dort für das Jahr 2021 längst beschlossen war. Wegen des
russischen Angriffskrieges läuft das Kraftwerk Émile-Huchet heute aber
immer noch. In Deutschland wurde EPH dafür entschädigt, das Kohlekraftwerk
Mehrum 2021 stillzulegen – heute läuft es wieder, ohne dass die
Steuermillionen der Entschädigung zurückgezahlt wurden.
„Daniel Křetínský gehört zu den größten Kohlebaronen in Europa“, hei�…
in der Studie: „Seine Strategie ist, die Schließung seiner Kohlekraftwerke
aufzuhalten, öffentliche Mittel abzuschöpfen und den Kohleausstieg in den
Ländern, in denen er tätig ist, zu verzögern.“ Die EPH-Kohlekraftwerke mit
ihrer Gesamtkapazität von aktuell 12,2 Gigawatt stoßen mehr Treibhausgase
aus als ganz Finnland, so der Report. Im Jahr 2021 war EPH demnach für
knapp 49 Megatonnen Kohlendioxid verantwortlich – in der EU Platz drei
hinter dem polnischen PGE-Konzern und RWE.
## „Spekulationsobjekt Ausstiegsentschädigung“
Wenn andere Akteure Skrupel bekommen und aus fossilen Produktionsanlagen
aussteigen – Daniel Křetínský ist zur Stelle. Um sich dann an den
Steuerzahlern zu bereichern: Nach den Leag-Plänen sollte noch tief in den
2040er Jahren Braunkohle verstromt werden. Das 2020 beschlossene
Kohleverstromungsbeendigungsgesetz (KVBG) sieht ein Ende 2038 vor, was sich
Křetínský mit Entschädigung in Höhe von 1,75 Milliarden Euro entgelten
lässt – vom deutschen Steuerzahler.
Der Report spricht vom „Spekulationsobjekt Ausstiegsentschädigung“. Denn so
wie Křetínský sein Firmenimperium aufgebaut hat (siehe Kasten), lässt
befürchten, dass er sich aus dem Staub macht, sobald es nichts mehr zu
holen gibt – etwa mit den angesparten Milliarden für die Rekultivierung der
ostdeutschen Landschaften.
Russisches Erdgas sei „ein Huhn, das seit Jahren goldene Eier für
Křetínskýs Firmen legt“, heißt es in dem Report. „Goldene Eier“ in Fo…
Geld für Investitionen „nach Hyänen-Art“ in Westeuropa. Eine der
profitabelsten Tochtergesellschaften der EPH sei die slowakische Eustream,
die als Betreiberin der Transgaz- Pipeline die EU in Abhängigkeit von
russischen Gaslieferungen brachte. Trotz des russischen Angriffs
[2][liefert diese Pipeline auch heute noch russisches Erdgas – um die 250
Millionen Kubikmeter pro Woche]. So, als hätte die Slowakei keine
Sanktionen gegen Russland verhängt. Aber Křetínský ist ja kein Slowake,
sondern Tscheche.
## Private Medien und Fussballclubs für Sauberman-Image
„Weder in Tschechien, noch in Großbritannien, der Slowakei, Frankreich oder
Deutschland ist Daniel Křetínský besonders sichtbar“, sagt Studien-Autor
Radek Kubala von der tschechischen Nichtregierungsorganisation Re-Set. Zwar
leiste er sich mit Sparta Prag und West Ham United in der Premier League
zwei renommierte Fußballklubs, „aber das dient vor allem dem
Saubermann-Image. Über Unternehmenspolitik gibt der EPH-Boss nahezu nie
Interviews.“
Andererseits halte er sich ein Medienimperium, etwa die „Czech Media
Invest“, der mehrere tschechische Print- und Hörfunkmedien angehören,
darunter die Boulevardzeitung Blesk – die „Bild-Zeitung“ Tschechiens –
sowie mehrere französische Titel wie Elle oder das Nachrichtenmagazin
Marianne. „Natürlich versucht Křetínský über diese Medien seine Interess…
zu verfolgen“, sagt Autor Kubala. Auch habe er frühere Politiker für ihn
als Lobbyisten verpflichtet, etwa Mirek Topolánek, Tschechiens
Premierminister von 2006 bis 2009, der jetzt eine Talkshow in einem
Fernsehkanal Křetínskýs moderieren wird.
Daniel Křetínský werde mit seinen Geschäftspraktiken „auf einem
gesamteuropäischen Level zu einer Bedrohung der Demokratie“, heißt es in
dem Report. Sein Konzern befördere Energiearmut, wirtschaftliche
Ungleichheit und trage zur Unbewohnbarkeit unseres Planeten bei. „EPH
illustriert, wie sich in unseren Demokratien immer kleinere Eliten Macht an
sich reißen“, sagt Radek Kubala und spricht von einer „Oligarchisierung der
Gesellschaft“ auch im Westen. Křetínský sei eine „ernste Bedrohung der
Zukunft“.
## Bergbaufolgekosten für den Steuerzahler
Jetzt [3][will die EPH sogar die Stahlsparte von Thyssenkrupp übernehmen,
wie der Spiegel berichtete]. Bei deutschen Umweltverbänden ist die Sorge
deutlich weniger abstrakt. „Die Hinterlassenschaften der Tagebaue werden
uns noch Jahrzehnte beschäftigen und Milliarden Euro kosten“, sagt René
Schuster von der Grünen Liga. Bergbaufolgekosten nennt man das, für die die
Tagebaubetreiber einstehen müssen. „Wir sehen den fortgesetzten Versuch,
dass Daniel Křetínskýs Leag davon so viel wie möglich auf die Allgemeinheit
abwälzt“, so Schuster.
Vier Tagebaue betreibt die Leag noch, allein für den Tagebau Welzow Süd
sind Nachfolgekosten in Höhe von mindestens 1 Milliarde Euro veranschlagt.
„In der Bilanz der Leag sind dafür aber lediglich 215 Millionen Euro
eingestellt“, erklärt Björn Ellner vom Nabu Brandenburg. „Der Rest soll a…
jener Entschädigung kommen, auf die die Leag-Besitzer hoffen, wenn sie
einem früheren Kohleausstieg zustimmen.“ Somit würde der deutsche
Steuerzahler ganz legal die Kassen des tschechischen Milliardärs füllen.
21 Jul 2023
## LINKS
[1] https://www.uniper.energy/news/de/uniper-beendet-das-kapitel-braunkohle-in-…
[2] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1310890/umfrage/europaeische…
[3] https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/daniel-kretinsky-umstrittener…
## AUTOREN
Nick Reimer
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