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# taz.de -- Klimaschädliches Wirtschaftsmodell: Chinas Kohlekraftwerke laufen …
> Die Volksrepublik verbrennt mehr Kohle als der Rest der Welt zusammen.
> Trotzdem will Peking bis zum Jahr 2060 klimaneutral werden.
Bild: Reich der Mitte mit hohem Energiehunger: Kohlekraftwerk in Shanghai
Peking taz | Die [1][UN-Klimakonferenz in Glasgow] steuert auf die
Zielgerade zu, in den Kohleprovinzen Shanxi und Innere Mongolei laufen die
Kraftwerke am Anschlag. China befindet sich in einer schweren Energiekrise
– um die Industrieproduktion zu sichern, nutzt der Staat vorübergehend
wieder dreckige Brennstoffe.
Protest dagegen würde man sich in Peking verbieten. China will sich bei
seinem Weg in eine nachhaltige Zukunft nicht vom Rest der Welt reinreden
lassen. Die Staatsmedien betonen gerade so deutlich wie lange nicht mehr,
dass die Klimakrise zunächst von den entwickelten Wirtschaftsnationen
angegangen werden solle. „Die Frage des Klimawandels geht nicht nur um den
Klimawandel selbst, sondern auch um die Wirtschaft eines Landes“, wird Xi
Zhenhua, Chinas Sondergesandter für Klimafragen, von der Nachrichtenagentur
Xinhua zitiert.
Dass die Volksrepublik der mit Abstand größte Schadstoffverursacher ist, ja
seit rund einem Jahrzehnt mehr Kohle konsumiert als der Rest der Welt
zusammen, kommt in der innerchinesischen Debatte praktisch nicht vor.
Stattdessen werden gerne historische Statistiken hervorgekramt: Wenn man
den gesamten CO2-Verbrauch der letzten 200 Jahre heranzieht, erreicht die
Volksrepublik tatsächlich nur ein Achtel der CO2-Emissionen der Vereinigten
Staaten. Doch diese Argumentation ist ein Rückschritt.
Vor Jahren noch hatte sich Chinas Regierung stets mit dem Hinweis aus der
Verantwortung gezogen, wirtschaftliche Entwicklung genieße Vorrang vor
Klimaschutz. Doch unter Staatspräsident Xi Jinping hatte sich das geändert:
Im September versprach der mächtigste Mann des Landes, die chinesische
Wirtschaft solle bis 2060 klimaneutral sein.
Das scheinbare Einlenken beruhte auch auf der Erkenntnis, dass die massiven
Umweltprobleme des Landes die Legitimität der Kommunistischen Partei
bedrohen würde: Noch vor wenigen Jahren mutete der Blick aus dem Fenster in
den großen Städten, allen voran Peking, wie eine Blade-Runner-Filmkulisse
an. Die Luft war von Feinstaub verschmutzt, die Flüsse des Landes waren
verdreckt, die Lebensmittel nicht selten vergiftet. Der Frust der
Bevölkerung wurde immer greifbarer, trotz Zensurapparat, der kritische
Umweltjournalisten mundtot machte oder Dokumentarfilme einfach löschte.
## Enormer Energiehunger
Inzwischen fahren in den großen Städten so viele Elektroautos wie weltweit
nirgendwo, in den Wüsten im Nordwesten des Landes entstehen riesengroße
Solaranlagen, an vorgelagerten Inseln entlang der Ostküste gigantische
Windenergieparks. Die Investitionen der Volksrepublik in erneuerbare
Energien stellen längst die Bemühungen der Europäischen Union in den
Schatten.
Aber: Chinas umweltpolitische Bilanz ist ambivalent. Der Energiehunger im
Reich der Mitte steigt derzeit massiv an, die jüngsten Entwicklungen zeigen
fast allesamt in die falsche Richtung: Chinas Anteil am weltweiten
Treibhausgasausstoß ist im vergangenen Coronajahr nochmals deutlich
gestiegen. Im Jahr 2020 war es für 31 Prozent der globalen
Kohlendioxidemissionen verantwortlich, 2019 waren es noch 27 Prozent
gewesen.
Es wird immer deutlicher, wie wenig nachhaltig das Wirtschaftsmodell der
Chinesen ist. Rund 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wird aus
Industrieproduktion und Bautätigkeit generiert – Branchen, die zwar
Wachstum bringen, aber auch extrem energieintensiv sind. Um sich von der
[2][pandemiebedingten Krise] zu erholen, ließen die Staatsunternehmen
zuletzt neue Brücken, Autobahnen und Siedlungen bauen. Für Beschäftigung
und Wachstum, gleichzeitig Raubbau an der Natur.
„Erneuerbare Energien sind zwar ein großes Thema in China, aber noch machen
sie nicht mehr als 9 oder 10 Prozent am Energiemix aus. Kohle dominiert
nach wie vor“, sagt Jörg Wuttke, Präsident der europäischen Handelskammer
in Peking. Gut 60 Prozent des Energiebedarfs werden mit dem fossilen
Brennstoff gedeckt.
„Kohle ist nach wie vor mit der Energiesicherheit des Landes verbunden“,
sagt auch Renato Roldao, Klimaexperte beim Beratungsunternehmen ICF: „Erst
wenn die Energiewende beschleunigt wird, gibt das dem System mehr
Flexibilität, seine Abhängigkeit von Kohle zu reduzieren.“ Die globale
Klimakrise kann also nur gemeinsam mit China gelöst werden. Umso
enttäuschender ist es, dass [3][Staatschef Xi Jinping] in Glasgow gar nicht
erst aufgetaucht ist.
10 Nov 2021
## LINKS
[1] /Halbzeit-bei-Glasgower-Klimakonferenz/!5808900
[2] /Corona-in-China/!5811818
[3] /Politische-Macht-in-China/!5813372
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
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