# taz.de -- Das neue Medienjahr: Wie es 2021 flimmert und rauscht | |
> Die klassischen Medien kriseln dem Pandemie-Ende entgegen und neue | |
> Gesetze sollen das Netz besser regeln. Was wichtig wird. | |
Bild: Mediendurcheinander im digitalen Zeitalter. Wir räumen auf | |
Das Medienjahr 2021 ist das Jahr, in dem die Branche die Gewinne und | |
Verluste aus der Pandemie zählen wird. Und sich mal wieder fragen muss, ob | |
sie schon digital genug ist. Unsere Vorausschau auf die wichtigsten | |
Ereignisse. | |
Ob Wikileaks-Gründer Julian Assange in die USA ausgeliefert wird, | |
entscheidet eine Richterin in London am 4. Januar. Die USA werfen ihm | |
Spionage und Geheimnisverrat vor. Assange hatte 2010 auf seiner Wikileaks | |
geheime Dokumente und Videos veröffentlicht, die beweisen sollen, dass | |
US-Militärs im Irak und in Afghanistan Kriegsverbrechen begangen haben. | |
Assange soll in den USA nach einem Spionagegesetz von 1917 verurteilt | |
werden, [1][ihm drohen bis zu 175 Jahre Haft]. | |
Seit knapp zwei Jahren sitzt Assange in einem Hochsicherheitsgefängnis bei | |
London ein. Seine Haftbedingungen werden als menschenunwürdig beschrieben. | |
[2][Christian Mihr], Chef von Reporter ohne Grenzen, sagt, Großbritannien | |
verletze mit dem Auslieferungsverfahren einen elementaren Grundsatz der | |
Rechtsstaatlichkeit. Würde Assange ausgeliefert und in den USA verurteilt, | |
kriminalisiere das investigativen Journalismus, sind sich | |
Journalist:innen weltweit einig. Journalismus wäre dann Spionage. | |
Barack Obama hatte zu seiner Amtszeit auf eine Anklage Assanges verzichtet. | |
Die Regierung Trump nahm die Verfolgung allerdings wieder auf. Ob Assange | |
nach einer möglichen Auslieferung an die USA tatsächlich verurteilt wird, | |
hängt also auch von Joe Biden ab. | |
## Facebook News und mehr Daten für Geheimdienste | |
Facebook News startet in Großbritannien. Bislang hatte das soziale Netzwerk | |
nur in den USA einen eigenen Nachrichtenbereich. Deutschland und Frankreich | |
sollen folgen. Verhandlungen mit den deutschen Verlagen dürften 2021 | |
beginnen. In den USA und Großbritannien kooperiert das Netzwerk mit großen | |
Medienhäusern. In einem eigenen Bereich sollen kuratierte | |
Nachrichteninhalte präsentiert werden, zugeschnitten auf die Interessen der | |
Nutzer:innen. Transparente Kriterien, welche Angebote mitmachen können | |
und dadurch mehr Sichtbarkeit auf der Plattform erhalten würden, gibt es | |
nicht. Allerdings verbietet [3][der neue Medienstaatsvertrag] Plattformen | |
wie Facebook, journalistische Inhalte willkürlich zu gewichten. | |
Polizei und Geheimdienste sollen auf verschlüsselte Daten zugreifen können, | |
um Terrorismus und schwere Kriminalität bekämpfen zu können. [4][Das | |
jedenfalls will die EU-Kommission]. Mit den Mitgliedstaaten würden | |
„mögliche rechtliche, operative und technische Lösungen für den | |
rechtmäßigen Zugang“ zu verschlüsselten Daten geprüft, heißt es in einem… | |
Dezember vorgestellten Antiterrorplan. Bislang müssen Ermittler:innen | |
Trojaner auf Geräten Verdächtiger installieren, um verschlüsselte | |
Nachrichten lesen zu können. Datenschützer:innen befürchten nun, dass | |
Messengerdienste gezwungen werden könnten, für staatliche Stellen eine | |
Hintertür einzubauen, um ein vereinfachtes Mitlesen zu ermöglichen. Der | |
Chaos Computer Club und der Branchenverband Bitkom äußerten sich kritisch. | |
Die IT-Sicherheit insgesamt werde geschwächt. | |
## Nichts entschieden beim Rundfunkbeitrag | |
Der Rundfunkbeitrag bleibt erst mal, wie er ist, aber damit ist die Sache | |
noch lange nicht geklärt. ARD, ZDF und Deutschlandradio wollten die | |
Erhöhung um 86 Cent per Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht einklagen. | |
Die Karlsruher Richter:innen befanden aber kurz vor Weihnachten: | |
[5][Grund zur Eile besteht nicht]. Man wird jetzt in aller Ruhe | |
entscheiden, ob den öffentlich-rechtlichen Sendern die 86 Cent zustehen. | |
Die Summe wäre die erste Erhöhung des Beitrags nach fast zehn Jahren, sie | |
liegt sogar unterhalb der Inflation. Eigentlich war sie seitens der | |
zuständigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) abgesegnet, | |
auch 15 von 16 Länderparlamenten sind dafür. Nur Sachsen-Anhalt scherte | |
aus. Die Fraktionen von CDU und AfD sind dagegen und halten die Mehrheit im | |
Landtag. CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff aber verhinderte den | |
symbolischen Akt eines gemeinsamen Mehrheitsvotings der Konservativen mit | |
den Rechtsextremen und zog die Beschlussvorlage zurück. | |
Solange nichts entschieden ist, bleibt der Beitrag bei 17,50 Euro | |
monatlich. Den Sendern, die ohnehin sparen müssen, fehlen somit weitere | |
Milliarden. Bisher galt, dass Kürzungen nie zulasten der Inhalte gehen | |
sollen. Dies wird dieses Jahr kaum mehr einzuhalten sein. | |
## Tschüss, Periscope | |
Die EU-Kommission will die Marktmacht von Techkonzernen wie Facebook, | |
Google und Amazon begrenzen. Mit dem [6][Digitale-Dienste-Gesetz und dem | |
Digitale-Märkte-Gesetz] hat sie dafür im Dezember entsprechende | |
Gesetzentwürfe präsentiert. Betreiber:innen von Plattformen sollen | |
gezwungen werden, ihre Algorithmen transparenter zu machen, illegale | |
Inhalte zu löschen und entschiedener gegen Hassrede vorzugehen. Die | |
Kommission alleine entscheidet das aber nicht. Die Mitgliedstaaten müssen | |
sich auf eine Linie verständigen, und das Europaparlament muss zustimmen, | |
bevor die Vorschläge umgesetzt werden können. Die Verhandlungen darüber | |
werden mindestens das ganze Jahr 2021 dauern, wahrscheinlich länger. | |
Twitter ist fertig mit Livefernsehen und stellt im März seine | |
Livevideoplattform ein: Periscope, die App, mit der man in Echtzeit in die | |
ganze Welt streamen kann. Dabei sollte Periscope mal den Journalismus | |
revolutionieren. | |
## Bild Live und Stellenabbau | |
Die Bild dagegen liebt Live-TV. Der eigene Kanal Bild Live wird 2021 massiv | |
ausgebaut. Bild Live berichtet schon jetzt im Internet – [7][immer dann, | |
wenn es geknallt hat]. Für Januar ist nun Claus Strunz aus dem | |
Sat1-Frühstücksfernsehen in die Chefredaktion von Bild berufen worden, | |
außerdem steckt Springer 22 Millionen Euro in das Videoangebot und stellt | |
70 neue Mitarbeiter:innen ein. | |
Print ist in der Krise, Auflagen sinken, Anzeigenerlöse auch. Zeitungen | |
streichen ihre Redaktionen zusammen. Dann kam Corona obendrauf. Die | |
Pandemie beschleunigte Entwicklungen. Die Digitalisierung zum Beispiel: Die | |
Zahl derer, die ihre Zeitung digital lesen – und bezahlen –, ist 2020 | |
explodiert. Die Werbeeinnahmen sanken trotzdem weiter. [8][Bei der | |
Süddeutschen muss nun ein Zehntel der Redaktion] gehen (nicht wegen | |
Corona), der Spiegel baut Stellen ab (wegen Corona), und die Funke-Gruppe | |
schließt Ende 2021 die letzte Druckerei in Thüringen. Thüringen wird zum | |
ersten Bundesland ohne eigene Zeitungsdruckerei. | |
Gefährlich wird das vor allem im ländlichen Raum: „Nachrichtenwüsten“ | |
drohen oder lokale Monopole. Eine Arbeitsgruppe der Länder soll daher 2021 | |
Vorschläge für Gesetze erarbeiten, die dem entgegenwirken. | |
1 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Verfahren-gegen-Julian-Assange/!5664573 | |
[2] /Auslieferungsverfahren-Julian-Assange/!5717554 | |
[3] /Neuer-Medienstaatsvertrag/!5721182 | |
[4] /Plaene-der-EU-Staaten/!5724002 | |
[5] /Rundfunkbeitrag-steigt-nicht/!5740353 | |
[6] /EU-Kommission-stellt-Gesetzentwuerfe-vor/!5734135 | |
[7] /Medien-in-der-Wien-Nacht/!5722554 | |
[8] /Sparkurs-bei-der-Sueddeutschen-Zeitung/!5735775 | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
Denis Giessler | |
Peter Weissenburger | |
Erica Zingher | |
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