| # taz.de -- Hilfen für die Veranstaltungsbranche: Branche im Dauerblues | |
| > Die Kulturstätten müssen wieder schließen. Der Bundestag debattierte über | |
| > Hilfen für die Veranstaltungsbranche. Kommt der Unternehmerlohn? | |
| Bild: Hier kommt vorerst keiner auf die Bühne: Theater in Berlin | |
| Von Montag an also sind die Vorhänge also wieder zu, die Projektoren wieder | |
| aus, die Verstärker wieder still, die Mikrofone wieder stumm. Für die | |
| Veranstaltungswirtschaft ist der neuerliche Lockdown die Verlängerung eines | |
| nun schon acht Monate langen Dauerdesasters. | |
| Die meisten Unternehmen wie Clubs, Bookingagenturen, Security- oder | |
| Technikerfirmen berichten im Coronajahr von Umsatzeinbrüchen zwischen 80 | |
| und 100 Prozent. Die wenigen Veranstaltungen, die mit Hygienekonzepten | |
| stattfinden konnten, waren nicht rentabel, und die traditionell stärksten | |
| Zeiten der Konzertwirtschaft – das Frühjahr und der Herbst – wurden von | |
| zwei Viruswellen weggespült. Geht es so weiter, drohen zahlreiche | |
| Insolvenzen. | |
| Nach [1][den zwei Großdemonstrationen des „Alarmstufe Rot“-Bündnisses] der | |
| Veranstaltungswirtschaft hat am Freitag der Bundestag über die Coronahilfen | |
| für die Branche debattiert. Die Grünen reichten den „[2][10 Punkte-Plan zur | |
| Rettung der Veranstaltungswirtschaft“] als Antrag ein. Erhard Grundl, | |
| kulturpolitischer Sprecher der Grünen, erklärte, die Koalition solle | |
| aufhören, bei dem Thema herumzulavieren – sonst sei von der Branche bald | |
| nichts mehr übrig. | |
| „Die Überbrückungshilfen der Koalition versagen, und sie sind auch nach | |
| Überarbeitung nicht viel besser. Es reicht nicht, wenn sie ankündigen, in | |
| den nächsten Wochen würden sie über den Unternehmerlohn beraten. Jetzt | |
| müssen Sie handeln!“, sagte Grundl. | |
| ## Doppelte Novemberkrise | |
| Der bundesweite fiktive Unternehmerlohn, auch Existenzgeld genannt, ist | |
| einer der zentralen Punkte des Grünen-Papiers. 1.200 Euro monatlich sollen | |
| Selbstständige und Soloselbstständige erhalten, bei denen coronabedingt | |
| Auftragsflaute herrscht. Verhindern soll dies, dass etwa selbstständige | |
| Künstler, Techniker, Caterer, Schausteller, Messebauer und | |
| Sicherheitskräfte, denen derzeit die Aufträge fehlen, sofort ins System der | |
| Grundsicherung fallen – sie können derzeit vereinfacht Hartz IV beantragen. | |
| Die Überbrückungshilfen I und II des Bundes wiederum greifen für diese | |
| Klientel oft nicht, weil dabei nur Betriebskosten abgerechnet werden können | |
| (die bei sehr vielen kaum anfallen), die Grünen [3][fordern auch hier | |
| Nachbesserungen]. In Baden-Württemberg gibt es den Unternehmerlohn bereits, | |
| auch in Nordrhein-Westfalen (in anderer Ausgestaltung). Bayern hat nun | |
| angekündigt, dem BaWü-Vorbild zu folgen und den Unternehmerlohn für | |
| Künstler einzuführen. | |
| Ob er aber auch im Bund kommt, ist ungewiss. Bundesarbeitsminister Hubertus | |
| Heil (SPD) sprach [4][gegenüber der Funke Mediengruppe am Freitag im | |
| Hinblick auf die Solo-Selbstständigen] davon, den vereinfachten Zugang zu | |
| Hartz-IV-Leistungen bis Ende kommenden Jahres fortsetzen zu wollen, während | |
| Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) jüngst den Unternehmerlohn | |
| befürwortete. | |
| Das war allerdings auch vor Ankündigung des Lockdowns und der | |
| „Novemberhilfen“, bei denen die Regierung den Unternehmen 75 Prozent des | |
| Umsatzes von November 2019 – [5][beziehungsweise des monatlichen Mittels | |
| des Jahres 2019 –] erstatten will. Zehn Milliarden sollen dafür | |
| bereitstehen, auch die Veranstaltungsbranche profitiert davon. | |
| Den doppelten Novemberblues könnte das abmildern, insgesamt aber wird das | |
| der Veranstaltungswirtschaft nicht weiterhelfen, denn zahlreiche | |
| Beschäftigte haben sich bereits aus der Branche verabschiedet – von ihnen | |
| werden viele nicht zurückkehren. | |
| ## „Die Veranstaltungsbranche hat geliefert“ | |
| Die Insolvenzwelle, von der Jens Michow, der Präsident des Bundesverbandes | |
| der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft spricht, dürfte längst im Gange | |
| sein. Die Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung ist noch bis Ende des | |
| Jahres ausgesetzt (und wird vermutlich noch weiter ausgesetzt) – erst im | |
| Frühjahr wird sich also endgültig zeigen, wer von der Krise übrig bleibt. | |
| Dass nun wieder alle Kultureinrichtungen trotz ausgefeilter Hygienekonzepte | |
| einen Monat schließen müssen, stößt auf deutlich weniger Verständnis als im | |
| Frühjahr. Comedian Carolin Kebekus [6][wies mit Künstlerkollegen wie | |
| 2raumwohnung oder BAP] in einem offenen Brief darauf hin, wie hart die | |
| Branche in den vergangenen Monaten für diese Konzepte gearbeitet hat. | |
| „Die Veranstaltungsbranche hat geliefert. Es liegen gute Hygienekonzepte | |
| auf dem Tisch“, betonte auch Linken-Abgeordnete Simone Barrientos in der | |
| Bundestagsdebatte am Freitag, „trotzdem müssen Theater und Kinos schließen, | |
| aber Shoppingmalls dürfen offen bleiben. Wie wär’s denn mit Konsumverzicht | |
| statt verordnetem Kulturverzicht?“ | |
| Bedenkenswert ist zumindest, dass jene Hygienemaßnahmen der Venues, die | |
| über viele Monate hinweg, in denen es auch Covid-19-Fälle gab, für gut und | |
| sicher befunden wurden, nun offenbar angesichts steigender Zahlen nicht | |
| mehr als sicher gelten. | |
| Denn auch ein kleines bisschen Kultur wäre immer noch besser als gar keine | |
| Kultur. | |
| 1 Nov 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Folgen-der-Coronapandemie/!5721021 | |
| [2] https://www.gruene.de/artikel/10-punkte-plan-zur-rettung-der-veranstaltungs… | |
| [3] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw44-de-veranstaltungswi… | |
| [4] https://www.bmas.de/DE/Presse/Interviews/2020/2020-10-30-funke-mediengruppe… | |
| [5] https://twitter.com/W_Schmidt_/status/1321831485431861248 | |
| [6] https://www.instagram.com/p/CG49ObTAjpC/?utm_source=ig_embed | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Uthoff | |
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