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# taz.de -- Konferenz zu Kultur in der Coronakrise: Kleine Clubs sind dann einf…
> Die Krise der Kulturwirtschaft bleibt ernst. In einer von den Grünen
> organisierten Zoom-Konferenz diskutierten Branchenvertreter:innen die
> Lage.
Bild: Krise der Veranstaltungsbranche: eine Demonstration des Aktionsbündnisse…
Verschoben, erneut verschoben, abgesagt. Auf Sankt Nimmerlein vertagt. Die
Lage in der deutschen Veranstaltungswirtschaft ist nicht bloß ernst, sie
ist in weiten Teilen existenzbedrohend. „Uns geht die Luft aus“, sagte Jens
Michow, Vorsitzender des Bundesverbands der Konzert- und
Veranstaltungswirtschaft, bei einer Videokonferenz am Freitag.
„Das Konjunkturpaket der Bundesregierung ist weder für Künstler noch für
Veranstalter passgenau. Immerhin hatten wir jetzt mal eine Anhörung im
Wirtschaftsausschuss, um unsere Anliegen darzustellen – endlich! Bislang
hören wir aber vor allem, was alles nicht geht.“ Setze sich dies fort, so
Michow, werde es „Insolvenzen rasseln ohne Ende“. Nach sieben Monaten ohne
Großveranstaltungen stehen viele Soloselbstständige vor dem Nichts, der
Arbeitsagentur oder der Umschulung, zahlreiche Unternehmen kurz vor dem
K.o.
Die Bundestagsfraktion der Grünen hatte zur Zoom-Konferenz geladen, um mit
Branchenvertreter:innen über die tiefe Krise zu sprechen, die Covid-19 für
die Kulturwirtschaft bedeutet. Neben Michow waren etwa die Künstlerin
Carolin Kebekus, Festivalorganisatorin Sybille Kornitschky (jazzahead!) und
Booker Stephan Thanscheidt (FKP Scorpio) dabei.
Sie diskutierten [1][den „10-Punkte-Plan zur Rettung der
Veranstaltungswirtschaft“] der Grünen, den ihr kulturpolitischer Sprecher,
Erhard Grundl, Ende vergangener Woche vorgestellt hat. Darin vorgesehen:
ein Existenzgeld für Soloselbstständige von 1.200 Euro, umsatzbezogene
Überbrückungshilfen für Unternehmen, Ausfallabsicherungen für Veranstalter,
angepasste Kreditprogramme, eine Anlaufstelle für Notfälle. Auch soll die
Forschung unterstützt werden, die coronakompatible Formate analysiert.
## 10-Punkte-Vorstoß positiv aufgenommen
Von den bisherigen Überbrückungshilfen des Bundes für kleine und
mittelständische Firmen, so Grundl, käme viel zu wenig an, weil sie zu
voraussetzungsreich und falsch konzipiert seien. Bis Ende August war
[2][nur 1 Prozent des Geldes abgerufen worden]. Die 24-köpfige Runde nahm
den 10-Punkte-Vorstoß, der nach etlichen Hilferufen aus der Szene und der
Demonstration [3][„Alarmstufe Rot“] in Berlin Anfang September entstand,
überwiegend positiv auf.
Die wenigsten glauben, dass die Auftragslage sich schnell bessern wird.
„Ich bin eigentlich Optimist, aber ich gehe nicht davon aus, dass es im
Frühjahr wieder losgeht“, sagte Stephan Thanscheidt, dessen Agentur
Festivals wie Hurricane und Southside veranstaltet. Und selbst wenn nun
vereinzelt wieder Veranstaltungen stattfänden, sei eine extreme
Verunsicherung zu spüren, erklärte Kebekus: „Die Leute müssen das Gefühl
haben: Es ist safe, es ist sicher, Kulturveranstaltungen zu besuchen.“ Eine
Imagekampagne für die Bedeutung der Kultur und für die Professionalität der
Branche könne da helfen.
## Viel steht auf dem Spiel
Wirtschaftlich scheint vielen, bis hinauf zum Bundeswirtschaftsminister,
nicht bewusst zu sein, was da auf dem Spiel steht. Laut einer im Juni
vorgestellten Studie erwirtschaftet die Veranstaltungsbranche knapp [4][130
Milliarden Euro jährlich], sie ist der sechstgrößte Wirtschaftszweig und
beschäftigt rund 1,5 Millionen Menschen.
Was wird von den gewachsenen Strukturen in der Nachcoronazeit bleiben? Ihr
Lichttechniker schule gerade zum Wirtschaftsprüfer um, erzählte Kebekus:
„Wird dann bald ein Wirtschaftsprüfer mein Licht machen? Wie viele sind
dann noch da?“ Ganz ähnliche Probleme sieht Frank Spilker (Die Sterne) für
die Indieszene: „Ich mache mir Sorgen, dass Strukturen verschwinden, dass
Clubs, in denen ohnehin schon immer alle am Rande des Existenzminimums
gearbeitet haben, dann weg sind.“
Nicht zu unterschätzen ist die psychosoziale Dimension dieser kulturlosen
Zeiten, sowohl für Besucher:innen als auch für die Beschäftigten. Unter den
Soloselbstständigen – den Technikern, den Stagehands, den Roadies – habe es
bereits Suizide gegeben, berichten einige in der Runde.
## Nachvollziehbare und einheitliche Regelungen
Die Branche setzt neben den finanziellen Hilfen darauf, dass bald wieder
Kulturveranstaltungen stattfinden können, die diesen Namen auch verdienen.
„Es muss durchdringen und akzeptiert werden, dass wir professionell sind in
Fragen der Hygiene und des Infektionsschutzes“, erklärte Sandra Beckmann,
„Alarmstaufe Rot“ – Mitinitiatorin von der Initiative für die
Veranstaltungswirtschaft, „die Regelungen und Vorgaben sollten dann aber
auch nachvollziehbar und einheitlich sein“.
„Jazzahead!“-Veranstalterin Sybille Kornitschky will schon bald wieder auf
weit höhere Besucher:innenzahlen an den Veranstaltungsorten kommen: „Eine
Auslastung von 50 Prozent muss das Ziel sein.“
Wie realistisch ist, dass der Grünen-Rettungsplan umgesetzt wird? Aus dem
Plan soll ein Antrag werden, der seinen parlamentarischen Weg geht –
Ausgang ungewiss. Auf Länderebene wolle man dort, wo man mitregiere, das
Mögliche möglich machen, so die kulturpolitischen Sprecher:innen Grundl und
Katrin Göring-Eckardt.
Alles penibel notiert hatte die ebenfalls anwesende Claudia Roth. Sie habe
verstanden, dass die Veranstaltungsbranche eine „Lobby wie der Fußball“
brauche, sagte sie. Schließlich seien Kulturveranstaltungen
„systemrelevant, weil sie demokratierelevant sind“. Wie wahr!
12 Oct 2020
## LINKS
[1] https://www.erhard-grundl.de/wp-content/uploads/Initiativen/10-Punkte-Plan-…
[2] https://www.zeit.de/wirtschaft/2020-08/ueberbrueckungshilfe-unternehmen-cor…
[3] https://alarmstuferot.org/
[4] http://rifel-institut.de/fileadmin/Rifel_upload/3.0_Forschung/Meta-Studie_g…
## AUTOREN
Jens Uthoff
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