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# taz.de -- Musikmesse Jazzhead in Bremen: Raus aus dem verqualmten Keller
> Die Bremer Musikmesse „Jazzahead“ ist ein Marktplatz für Musiker, Labels,
> Journalisten und Instrumentenmacher. Das Publikum wird immer jünger.
Bild: Fachgespräch am Messestand: die Jazzahead! in Bremen
Der Plauderpegel oszilliert auf hohem Dezibel-Niveau, aber Musik tönt aus
keinem Lautsprecher. Weiter weg zu sein vom Jazzatmosphäre-Klischee eines
düster verrauchten, versifften und verschwitzten Kellerclubs voller alter
weißer Männer – das ist kaum möglich. Fast zwölf Meter reckt sich der Raum
auf 5.000 Quadratmetern dem Himmel entgegen, charmefrei und roh.
Glasfassaden locken Frühlingssonne ins Bremer Messezentrum zur [1][17.
Jazzahead]. Geraucht wird vor der Tür, fürs Versiffen sorgen lediglich
tonnenweise verstreute Werbematerialien.
Das hin und her hetzende Publikum wird jährlich jünger und spiegelt die
Tatsache, dass Jazz längst keine Männermucke mehr ist. Perfekt deodoriert
gibt sich die aus Amerika, Australien und natürlich Europa angereiste
Jazzfamilie, eingepfercht in mal winzigen Messekabuffs oder hofierend in
offener und kühl designter Ausstellungsarchitektur.
Aus dem Rahmen fallen als Dauercamper mit Wohnwagen und Kleingartenecke das
Musikland Niedersachsen und [2][Berthold Records], die sich Omas
Wohnzimmermobiliar geborgt haben.
Den Ton macht die Business-Etikette der immer gleichen PR-Freundlichkeit.
Alle stellen dar, gut drauf zu sein und mit hoffnungsvollem Optimismus in
die Zukunft zu schauen. [3][Auf der Jazzahead] wirbt jeder um Verbündete
fürs Geschäft – es ist ein Markt für Jazz vermittelnde, ermöglichende und
praktizierende Menschen: 1.500 Standbesucher treffen auf die 1.300
Standbetreibende.
Die Ukraine findet Aufmerksamkeit für „Jazzmen in war“, die ihre
Instrumente gegen Waffen getauscht haben. Flötenbauer und Tourbus-Vermieter
suchen Kunden, TV-Sender Interviewpartner, Jazzmedien nach Themen und
Lesern, die Cologne Jazz Week nach Leuten, die Kölsch mögen.
## Das Geschäft mit der Aufmerksamkeit
Um finanzkräftige Kooperationspartner buhlt eine Jazzday-Initiative,
Musiker umwerben Labelmanager, Künstleragenturen, Vertriebsprofis,
Journalisten sowie Booker von Clubs und Festivals. Und Musikbeauftragte der
Länder erkunden Exportchancen ihrer Künstler. Die Messe brummt. „Work &
Meet“ ist hier ein und dasselbe. Wer mit seinem Anliegen vorspricht, kann
mit Knabbergebäck, Schulterklopfgesprächen und dem Ausschank edler
Alkoholika rechnen. Aber Plattenverträge und Auftritte? Schwierig. Also
erstmal Netzwerke knüpfen.
Eine besondere Spezies sind Messis, die sich Hals über Kopf ins Getümmel
stürzen und ein Maximum an Infos sammeln. Dabei konkurrieren sie mit den
Überstrukturierten, die nicht rechts und links schauen, nur einen vorab
ausbaldowerten Plan mit Meetings und Gesprächen absolvieren. Hinzu gesellen
sich die Mal-gucken-was-geht-Besucher, spontan offen für jede Begegnung.
Und auch die Abgreifer sind noch nicht ausgestorben, sie lassen alles in
Taschen verschwinden, was nicht festgetackert ist.
## Zwischen Bier und Käse
Als die Beauftragten für luxemburgischen Jazz anfangen, vorzüglichen
Weißwein auszuschenken, wächst die Gruppe der Interessierten rasant,
schwappt aber nach einem Glas schnell herüber zum Nachbarstand, denn dort
geht belgisches Bier über den Tresen. Fast ebenso beliebt, wenn die
Franzosen folkloristisch korrekt Käseplatten mit Rotwein kredenzen.
Wer nach weiteren Erlebniswerten strebt, geht eine Halle weiter, dort ist
die Jazzahead ein Showcase-Festival. Wo sonst 7.000 Besucher ihren Stars
zujubeln können, sind mit schwarzem Tuch zwei Säle für 600 Sitzplätze
abgehängt und illusionieren durch mit Troddeln verzierten Scheinwerfer eine
Spur Gemütlichkeit. [4][Die Konzerte] starten fast immer wie ausgedruckt
und enden aller leidenschaftlichen Improvisation zum Trotz pünktlich nach
30 Minuten.
700 Nachwuchsbands haben sich um einen Gig beworben, 36 dürfen dem
akkreditierten Fachpublikum vorspielen, ergänzt um 300 Jazzfans mit
schlichten Konzerttickets. Das Publikum ist sensibel für frische Ideen und
lässt sich dafür aus einer satten Trägheit immer mal wieder zu
entdeckungsfreudiger Begeisterung hinreißen.
5 May 2023
## LINKS
[1] https://jazzahead.de/
[2] /Fusion-von-Jazz-und-Volkslied/!5911739
[3] /Jazzahead-Festival-in-Bremen/!5398960
[4] https://jazzahead.de/festival/#festival-brochure
## AUTOREN
Jens Fischer
## TAGS
Schwerpunkt Stadtland
Kolumne Großraumdisco
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Jazz
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