# taz.de -- Ortsbegehung im Kulturzentrum: Knutschen in der Kesselhalle | |
> Im Bremer Schlachthof ist Raum für Jazzmessen und Unipartys. Wenn es | |
> richtig voll ist, wird auf den oberen Rängen die Luft knapp. | |
Bild: Nah am Publikum: Tocotronic in der Kesselhalle | |
Bremen taz | Unten im Magazinkeller wummern Bässe, oben in der Kesselhalle | |
spielt jemand auf einem glänzenden schwarzen Flügel Jazzpiano. Unten gibt | |
es Unipartys, oben findet einmal im Jahr mit der Jazzahead! die größte | |
Jazzmesse der Welt statt. (Vielleicht ist Bremen an keinem anderen | |
Zeitpunkt im Jahr so international wie bei der Jazzahead!.) Unten knutscht | |
man die Sitznachbar:in aus der Statistikvorlesung, oben werden von | |
schwitzigen Händen Visitenkarten weitergereicht. Stickig ist es überall, | |
nicht umsonst heißt der große Konzertsaal hier Kesselhalle. Wenn es voll | |
ist, wird auf den oberen Rängen die Luft knapp. | |
Irgendwo dazwischen gibt es Theater, Lesungen, ein Magazin und | |
wahrscheinlich hundert andere Projekte. „Von totem Fleisch zur lebendigen | |
Kultur“ ist das Motto auf Instagram. Der Schlachthof ist aus Bremen nicht | |
wegzudenken. Trotz der Nähe zum Bahnhof befindet sich das Kulturzentrum | |
geografisch in Findorff, dem Viertel mit dem langweiligsten Ruf in Bremen | |
(„Keine Straßenbahn“, „nur Familien“) – offensichtlich zu Unrecht. W… | |
Gelände betritt, muss grundsätzlich darauf achten, nicht von Menschen auf | |
Skateboards überfahren zu werden. | |
Obwohl der schrabbelige Backstage-Raum der Kesselhalle keine Duschen und | |
auch nicht wirklich Privatsphäre hat, erzählte ich hier mal bei der | |
Künstler:innenbetreuung allen, die es hören wollten, dass die Atmosphäre | |
auf der Bühne dafür viel besonderer ist als in den benachbarten | |
Messehallen. Spätestens nach dem Konzert stimmten alle zu, alle lieben die | |
Backsteine und die alte Industriearchitektur, die so ganz im Gegensatz | |
steht zur den kalten Glas- und Stahlkonstruktionen von nebenan. | |
## Kultur und Geschichte | |
Der Schlachthof ist ein pulsierendes Organ in der Bremer Kulturszene, | |
pulsierend genug, um der Pandemie zu trotzen – anders als viele kleinere | |
Orte. Er ist Kultur, aber auch Geschichte. Während sich bei der jährlichen | |
Gedenkveranstaltung eher die ältere Generation versammelt, gibt es auch | |
junge Menschen, die ihn als Gedenkort, wo 1943 Tausende Sinti und Roma nach | |
Auschwitz deportiert wurden, betrachten. Das muss so bleiben. | |
Mehr über Kulturzentren von unten lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der | |
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11 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Teresa Wolny | |
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