# taz.de -- Leiter über die Messe Jazzahead!: „Es ist schwer, die Lust auf J… | |
> Die Bremer Veranstaltung Jazzahead ist eine Kombination aus Jazz-Festival | |
> und Messe. Leiter Götz Bühler über Bezahlung, Coolness und die | |
> Frauenquote. | |
Bild: Vor allem fürs Fachpublikum: Showcase-Act im vergangenen Jahr Foto: M3B … | |
taz: Herr Bühler, die Jazzahead ist primär kein Publikums-, sondern ein | |
Insider-Festival. Dabei zu sein, wäre auch für normale Jazzfans ein | |
anregendes Vergnügen. | |
Bühler: Die müssen dabei sein. Die 3.000 Fachbesucher:innen haben | |
Zutritt zu den Konzerten, aber wir geben auch 1.800 Tickets für die drei | |
Tage in den freien Verkauf. So können wir uns auch beim jetzt 19. Festival | |
auf ein Publikum freuen, das Stimmung macht. | |
taz: Bisher gab es meist an die 800 Bewerbungen für die Showcases, in | |
diesem Jahr waren es nur noch 600. Warum? | |
Bühler: Die Zahl musste gedrückt werden, auch weil es zu aufwendig ist, so | |
viele Bands zu begutachten. Daher haben wir die Voraussetzungen für die | |
Bewerbung angehoben. Eingereicht werden dürfen nur noch Projekte, die nicht | |
älter als 18 Monate sind und Live-Erfahrung haben. | |
taz: Sie sind künstlerischer „Berater“ der Jazzahead. Weil Sie keine | |
konkreten Gestaltungsmöglichketen haben, da Jurys die Konzertreihen und die | |
Partnerländer kuratieren? | |
Bühler: Ich sitze in jeder Jury mit einer Stimme, stelle die Jurys zusammen | |
und achte auf die Vielfarbigkeit des Konzertangebots, dass also nicht etwa | |
alle Jurys drei Klaviertrios auswählen. | |
taz: Die Jurys sind ausschließlich mit Konzertveranstaltern besetzt. | |
Bühler: Ja, die wissen genau, was dem Publikum gefällt. Außerdem haben | |
Musiker:innen so eine Chance mehr, entdeckt zu werden. Vielleicht | |
bekommen sie keinen Jazzahead-Gig, aber ein Jurymitglied bucht sie für | |
seinen Club oder ein Festival. | |
taz: Sie haben ein Green-Touring-Tool für Jazzclubs mitinitiiert, damit | |
Künstler:innen nach der Jazzahead vielleicht noch ein paar Auftritte | |
haben. Funktioniert das? | |
Bühler: Mindestens die Hälfte der 38 Showcase-Bands sind bereits für | |
Anschlussauftritte gebucht. | |
taz: Wo sie dann auch richtig bezahlt werden? | |
Bühler: Ja. Aber sie werden auch bei uns bezahlt. Alle Bands bekommen, | |
neben einem professionellen Video-Mitschnitt im Wert von etwa 6.000 Euro, | |
pauschal 500 Euro. | |
taz: Das reicht nicht für Reise- und Übernachtungskosten. Die Deutsche | |
Jazzunion fordert 250 Euro pro Musiker:in und Auftritt. | |
Bühler: Zu uns kommen Musiker:innen für die Kontakt- und | |
Netzwerkmöglichkeiten. Zudem erhalten alle europäischen Bands in ihren | |
Ländern eine Förderung für den Jazzahead-Auftritt. | |
taz: Ein Ziel ist, dass die Jazzahead [1][weiblicher wird]. | |
Bühler: Es gibt keine Quote bei uns. Parität funktioniert trotzdem. Wenn | |
wir nicht Absagen aus Gründen wie Schwangerschaft und anstehendem | |
Geburtstermin bekommen hätten, wären dieses Jahr die Hälfte der | |
Bandleader:innen weiblich. Bei den Bewerbungen gibt es jährlich mehr | |
Frauen und Bands, die nur aus Frauen bestehen. Sie sind nicht mehr nur | |
Sängerinnen, es gibt ganz viele Saxofonistinnen, Trompeterinnen und | |
Bassistinnen. | |
taz: Warum kündigen Sie „Jazz from Africa“ als Jazzahead-Schwerpunkt an | |
und laden gerade mal drei Bands des Kontinents ein? | |
Bühler: Wir haben gemerkt, in sehr vielen Ländern brodeln eigenständige | |
Jazzszenen, aber es gibt keine Institutionen, die Tourkarrieren | |
ermöglichen. Dafür beginnen wir, einen Nährboden zu schaffen, mit den | |
Einladungen und auch mit einem Afrika-Stand auf der Messe. | |
taz: Warum nicht mal Südafrika oder Senegal als Partnerland ausrufen? | |
Bühler: Das ist leider noch nicht so einfach zu organisieren. Wir tasten | |
uns da ran. | |
taz: Jazz gilt als elitärer Soundtrack des Alte-weiße-Männer-Lebens und ist | |
auf dem Musikmarkt irrelevant. Woran liegt das? | |
Bühler: Jazz war und ist absolute Minderheitenmusik. Und wenn da mal etwas | |
erfolgreich ist, wird es unter [2][Pop] gelistet. Es werden immer wieder | |
Barrieren errichtet, wo keine sein sollten. Bei der Ablehnung von Jazzmusik | |
war anfangs viel [3][Rassismus] im Spiel. Man kann heute noch lesen, Jazz | |
sei zwar eine afrikanisch-amerikanisch basierte Musik, aber die wahren | |
Innovationen hätten die Europäer in den 1970er/80er-Jahren gemacht. | |
taz: Andere sprechen von kultureller Aneignung. Dabei steht Jazz doch für | |
Offenheit, Diversität, Freiheit, Individualität … | |
Bühler: Jazz ist die demokratischste [4][Musik], weil jeder auf der Bühne | |
an ihrer Schöpfung beteiligt ist, selbst wenn es eine Leader:in gibt, | |
lässt sie die anderen Soli spielen. Für junge Leute, die heute [5][Jazz] | |
entdecken, hat er ein cooles Image. Aber es ist schwer, die Lust auf eine | |
in alle Richtungen experimentierende Musik zu wecken. Viele Menschen suchen | |
ja eher die Bestätigung dessen, was sie schon kennen. | |
24 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Jens Fischer | |
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