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# taz.de -- Berliner Kulturschaffende über Lockdown: „Man wird konservativ p…
> Insbesondere junge KünstlerInnen haben es im neuerlichen Lockdown schwer,
> sagt Janina Benduski vom Landesverband der freien darstellenden Künste.
Bild: Protestkultur im Oktober in Berlin: Demo gegen die Corona-Auflagen für d…
taz: Frau Benduski, was bedeuten die Lockdown-Beschlüsse im November für
die freie Szene, für die Kultur in Berlin?
Janina Benduski: Sie bedeuten, dass alles erst mal wieder gestoppt werden
muss. Wir haben in den vergangenen Monaten viel Zeit damit verbracht,
Veranstaltungen infektionssicher zu machen und alternative
Veranstaltungsformate zu entwickeln, wie zum Beispiel 1:1-Spaziergänge, um
Begegnungen stattfinden zu lassen, aber auf andere Art. Das heißt also
jetzt in den ersten Novembertagen für die KünstlerInnen: umplanen, absagen,
Ausfallkonditionen klären. Und dann zu überlegen, wie man sich
planungstechnisch überhaupt an den Dezember herantrauen will.
Die Kulturszene hat viel Zeit und Energie in Hygienekonzepte gesteckt.
Trotzdem jetzt der weitgehende Lockdown. Fühlen Sie sich ungerecht
behandelt?
Ein Teil fühlt genau das – wir kriegen gerade wirklich eine Welle von
Fragen und Mitteilungen von unseren Mitgliedern. Und ja, ein Teil der
Kulturlandschaft ist wirklich angegriffen, weil man in den letzten Monaten
sehr sorgfältig Konzepte entwickelt hat, aber nun schließen muss, während
es [1][Ausnahmeregelungen für Einkaufszentren und auch Kirchen] gibt. Ich
glaube, da wird eben auch der Stellenwert verhandelt, den Kunst und Kultur
hat im Vergleich zum Konsum, im Vergleich zu anderen Begegnungsorten haben.
Ein großer Teil ist aber bereit, diese Maßnahmen mitzutragen. Diesem Teil
geht es eher darum: Wie plötzlich kommen diese Maßnahmen, wie werden sie
kommuniziert, wie schnell kommen tatsächlich wirtschaftliche
Entschädigungen? Das sind zerrissene Reaktionen, die uns da erreichen.
Können Sie das Argument nachvollziehen, mit dem auch Berlins Kultursenator
Klaus Lederer (Linke) die Beschlüsse verteidigt: Wenn das
Infektionsgeschehen nicht mehr nachvollziehbar ist, muss man pauschal
werden in den Maßnahmen – einfach um jeglichen Kontakt insgesamt zu
reduzieren?
Das können, denke ich, die meisten nachvollziehen. Was für Unverständnis
sorgt, ist, dass man an einigen Stellen pauschal wird und an anderen nicht
– wie eben beim Einkaufszentrum oder beim Autohaus, das darf ja auch offen
bleiben.
Die freie Szene ist sehr divers. Wen trifft es jetzt besonders hart?
Es trifft vor allem die, die direkt in Aufführungen arbeiten: Musik, Tanz,
Theater. Und dort wiederum die am stärksten, die nicht grundgefördert sind.
Manche Akteure haben ja eine gewisse öffentliche Förderung, da fällt es
leichter, erst mal mit reduziertem Programm zu überleben. Aber dann gibt es
die, die ausschließlich von den Ticketeinnahmen leben: kleinere Musikclubs
und Theater, Straßentheatergruppen – für die steht da unmittelbar eine
Null.
Dass der Probenbetrieb im November weitergehen darf, nützt vor allem den
größeren Häusern?
Ja, genau. Größere Institutionen können da in einer Art Winterschlaf, wenn
man so will, eine gewisse Zeit ganz gut überbrücken – es fallen zwar
Einnahmen weg, aber für feste MitarbeiterInnen greift das Kurzarbeitergeld,
die öffentlichen Zuschüsse tragen die Mietkosten und so weiter. Das ist
alles gut so, aber es gilt eben nicht für die kleineren, ungeförderten
Häuser.
Auch Musikschulen und Jugendkunstschulen bleiben offen. Ist das ein
Verdienstfaktor für freie KünstlerInnen?
Ja, absolut. Viele haben ein zweites Standbein in der Lehre. Auch an den
[2][Unis läuft die Lehre ja weiter, wenn auch digital.]
Was ist mit denen, die zuarbeiten im Kulturbereich, die
BühnentechnikerInnen, oder diejenigen im Veranstaltungsmanagement?
Die trifft es hart. Auch die Cateringfirmen, die freien Fotograffen, die
Social Media-Leute – die werden nur nach Bedarf beauftragt. Für sie bleibt
momentan nur die Grundsicherung.
Auf Bundesebene wird nun diskutiert, kleinen Betrieben und
Soloselbstständigen [3][75 Prozent von ihren Novembereinnahmen aus dem Jahr
2019] zukommen zu lassen.
Das wäre in der Tat eine große Sache: Diesen Entschädigungsansatz hatte man
bisher so nicht. Aber man müsste es für die Soloselbstständigen und
Kleinstbetriebe schaffen, von dem Novemberansatz wegzukommen, und
stattdessen eine Regelung beschließen, wonach das Jahresmittel der
Einkünfte als Grundlage genommen wird. Das ist jetzt ja auch in der
Diskussion.
Was ist mit BerufsanfängerInnen, die jetzt erst versuchen, sich eine
Existenz aufzubauen?
Das ist tatsächlich gerade das tragischste Kapitel. Sie haben keinen
Anspruch auf die Hilfsprogramme – und sie haben kaum eine Möglichkeit,
einen Fuß in die Tür zu bekommen. Kaum jemand sucht jetzt neue Leute,
Vorsprechen für SchauspielerInnen finden nicht mehr statt.
Wie kann man Ihnen helfen?
Wir überlegen jetzt, eine Art Seminarprogramm, ein Graduiertenkolleg
aufzulegen: als eine Gelegenheit zum Netzwerken und zur
Weiterqualifikation, um vielleicht an kleinere Aufträge zu kommen. Da
versuchen wir im Landesverband gerade Geld dafür zu finden. Ansonsten
sollten sich vor allem die großen Häuser mit der entsprechenden Absicherung
in der Pflicht sehen und schauen, dass sie Zugänge schaffen für diese
Generation.
Was erwarten Sie vom Land, was muss da noch kommen an Hilfen neben den
Bundesgeldern?
Wir erwarten vor allem, dass man jetzt darauf drängt, dass die Hilfen
schnell kommen, dass der sogenannte Unternehmerlohn kommt – und dass das
Land einspringt, sollte es nicht so sein.
Was ist mit den Soforthilfeprogrammen des Landes? Da laufen einige zum
Dezember hin aus.
Die [4][Soforthilfe IV muss verlängert] werden, das ist klar...
... die Liquiditätshilfe des Senats für Betriebe, die keine öffentlichen
Fördergelder bekommen.
Genau. Die Anträge sind sehr kompliziert und langwierig – die Betriebe
müssen auch erst einmal nachweisen, dass sie kein Geld aus Bundesprogrammen
bekommen. Das dauert alles einfach zu lange. Was auch wichtig wäre: Das
Berliner Haushaltsrecht verbietet eine Verschiebung von Projekt- und
Fördergeldern ins nächste Jahr. Gerade wenn Projekte abgesagt werden, wäre
das aber wichtig für viele Kulturbetriebe und KünstlerInnen. Immerhin gibt
es die Sonderregelung in der Pandemie, dass das Land Ausfallhonorare
übernimmt. Aber auch diese Regelung läuft jetzt aus.
Der November-Lockdown heißt: Es bleibt in – voraussichtlich – nur einem
Monat eigentlich keine Zeit, um großartige Alternativ-Formate zu
entwickeln, aber die Einnahmen brechen trotzdem weg. Das Geld muss schnell
kommen, oder?
Richtig. Und wir sind da inzwischen ein bisschen pessimistisch. Für die
sogenannte Kulturmilliarde, die im Sommer vom Bund ausgelobt wurde und mit
der vor allem der Neustart von Kultureinrichtungen finanziert werden soll,
laufen jetzt gerade die Deadlines für die Anträge. Das heißt, das Geld gibt
es vielleicht im Dezember. Und dazu kommt ja, dass jetzt der nächste
Lockdown beginnt – das heißt, viele Neustartkonzepte sind eventuell umsonst
eingereicht worden.
Sind Sie optimistisch, dass die Häuser im Dezember wieder öffnen?
Ich denke, da wird man sehr – wie sagt man – konservativ planen.
Was kann das verhinderte Publikum tun, um zu unterstützen?
Anteil nehmen an den Alternativen, an den digitalen Angeboten, die es jetzt
wieder geben wird. Die Anteilnahme muss auch gar nicht unbedingt finanziell
sein: Newsletter abonnieren, dabei bleiben, auch Spendenaktionen wird es
sicher wieder geben.
2 Nov 2020
## LINKS
[1] /Die-wichtigsten-Fragen-zum-Teil-Lockdown/!5722287&s=kultur+corona/
[2] /Erstsemester-und-Corona/!5721155&s=uni+corona/
[3] /Hilfen-fuer-Betriebe-und-Selbststaendige/!5721109&s=november+75+Prozent/
[4] /Kulturschaffende-in-Coronakrise/!5699234&s=soforthilfe+iv/
## AUTOREN
Anna Klöpper
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