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# taz.de -- Klagen gegen Freizeit-Shutdown: Schlechte Aussichten vor Gericht
> Die Schließung von Kneipen und Freizeiteinrichtungen könnte zu einer
> Klagewelle führen. Doch die Chancen auf gerichtliche Hilfe dürften gering
> sein.
Bild: Am Montag beginnt der Freizeit-Shutdown, auch Kneipen sollen dicht machen
KARLSRUHE taz | Am Montag beginnt der [1][Freizeit-Shutdown:] Gastronomie,
Kultureinrichtungen und Wellness-Angebote sollen für vier Wochen dicht
machen. Viele Betroffene sind empört und drohen mit Klagen. Doch anders als
in den letzten Wochen dürften sich Gerichte nun eher zurückhalten.
Gewiss: Die Zahl der erfolgreichen Klagen gegen Corona-Maßnahmen war in den
letzten Wochen ungewöhnlich hoch. Vor allem Beherbergungsverbote für Gäste
aus inländischen Risikogebieten wurden reihenweise von Verwaltungsgerichten
gekippt. Auch Sperrstunden für die Gastronomie wurden [2][mehrfach von
Gerichten beanstandet.] Für Betroffene liegt der Impuls nahe, nun erst
recht gegen den Shutdown ihrer ganzen Branche zu klagen.
Aber die Konstellation ist nun eine andere oder wird zumindest so
dargestellt. In den letzten Wochen verwiesen die Gerichte oft auf das
Robert-Koch-Institut (RKI), das vor allem private Feiern als Treiber der
Pandemie ausmachte – während Hotels und Gaststätten hierzu wenig beitrügen.
Bei 75 Prozent der Fälle ist der Infektionsort unklar
Nachdem das RKI von Seiten mancher Länder gerüffelt wurde, betont es aber
inzwischen, dass man in 75 Prozent der Fälle gar nicht wisse, wo und wie
sich jemand infiziert hatte. Damit ist jeder Branche die Behauptung
erschwert, dass sie nur unwesentlich für das Steigen der Fallzahlen
verantwortlich sei. Kurz: Man weiß es eben nicht.
Außerdem wird der Freizeit-Shutdown nun als kohärentes Gesamt-Konzept
dargestellt, mit dem ein klar definiertes Ziel erreicht werden soll. 75
Prozent der Kontakte sollen reduziert werden, um die Zahl der
Neuinfektionen wieder in die nachverfolgbare Größenordnung von unter 50
neuen Fälle pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen zu bringen. Wenn es um
ein Gesamtkonzept geht, werden die Gerichte einzelne Maßnahmen vermutlich
weniger streng prüfen, solange sie einen nennenswerten Beitrag zum
Gesamtkonzept leisten können.
Es genügt dann auch nicht, wenn Gaststätten und Konzertveranstalter auf
ihre klug ausgetüftelten Hygiene-Konzepte verweisen. Die Infektionszahlen
haben sich nun mal trotz der Hygienekonzepte binnen Wochenfrist jeweils
verdoppelt. Die Politik, die ja auch Schutzpflichten gegenüber der
Bevölkerung hat, muss also etwas tun. Wenn sie dabei entscheidet, dass sie
auf die Schließung von Schulen, Kitas, Handel und Wirtschaft möglichst
verzichten will, so gibt es dafür gute sachliche Gründe. Es liegt dann
keine rechtswidrige Ungleichbehandlung vor.
Friseure dürfen offen bleiben, Kosmetiksalons aber nicht
Probleme mit der Gleichbehandlung kann es allenfalls in Detailfragen geben:
Warum müssen Kosmetiksalons schließen, während FriseurInnen diesmal
weiterarbeiten dürfen? Doch ein Erfolg vor Gericht müsste nicht zwingend
zur Öffnung der Kosmetik-Angebote führen, sondern könnte auch die
Schließung der Friseursalons zur Folge haben.
Natürlich geht es bei allem auch ums Geld. Viele Betriebe sind schon durch
die letzten Monate stark gebeutelt. Allerdings hat der Staat diesmal einen
großzügigen Ausgleich versprochen. Bei Unternehmen bis 50 MitarbeiterInnen
[3][sollen bis zu 75 Prozent des Umsatzes] vom November 2019 als
Entschädigung ausgezahlt werden. Das ist in vielen Fällen vielleicht sogar
mehr als bei geöffnetem Betrieb hätte erwirtschaftet werden können.
Schließlich sind die meisten Kunden derzeit deutlich zurückhaltender als
vor der Pandemie. Wenn das Geld fair verteilt wird, haben
Entschädigungsklagen also kaum eine Chance. Vielleicht ärgern sich sogar
die FriseurInnen, dass sie mit großen Verlusten weiterarbeiten müssen,
während die KosmetikerInnen fürs Schließen des Salons 75 Prozent
Entschädigung erhalten.
Maßstab ist das Prinzip der Verhältnismäßigkeit
Noch sind das aber alles Spekulationen. Die Absichtserklärung der
MinisterpräsidentInnen vom vorigen Mittwoch müssen erst in
Rechtsverordnungen der Bundesländer umgesetzt werden. Erst gegen diese kann
dann geklagt werden. Zuständig sind in der Regel die Verwaltungsgerichte
der Länder. Ihr Maßstab ist angesichts der weiten Ermächtigung im
Infektionsschutzgesetz vor allem das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, das
für jedes staatliche Handeln gilt.
Es geht also um eine Abwägung zwischen dem Nutzen, der erzielt werden kann
und dem Schaden, der dabei angerichtet wird. Die Abwägung kann also von
Woche zu Woche anders ausfallen. Je höher die Infektionszahlen und je
gefährdeter das Gesundheitssystem, um so tiefere Eingriffe kann der Staat
den BürgerInnen und Unternehmen zumuten.
31 Oct 2020
## LINKS
[1] /Einigung-im-Corona-Gipfel/!5724526
[2] /Klagen-gegen-Coronamassnahmen/!5721651
[3] /Hilfen-fuer-Betriebe-und-Selbststaendige/!5721109
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
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