# taz.de -- Einheitliche Linie in Coronapolitik: Jens Spahn will mehr Macht | |
> Der Gesundheitsminister will mehr Corona-Zuständigkeiten – auf Kosten der | |
> Länder. Markus Söder signalisiert Wohlwollen, doch es gibt auch Protest. | |
Bild: Besser maskiert: Jens Spahn mit Mund-Nasen-Schutz | |
KALRSRUHE taz | Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) möchte seine | |
Corona-Sonderbefugnisse verlängern und sogar ausweiten. Dagegen gibt es | |
Proteste aus dem Bundestag, auch vom Koalitionspartner SPD. Mindestens | |
genau so wichtig dürfe aber sein, wie die Bundesländer auf den Vorstoß | |
reagieren. | |
Der Entwurf ist noch nicht öffentlich. Dem Vernehmen nach will Spahn aber | |
generell Verordnungen erlassen können, „wenn dies zum Schutz der | |
Bevölkerung vor einer Gefährdung durch schwerwiegende übertragbare | |
Krankheiten erforderlich ist“. Damit könnte er weit in die | |
Länderzuständigkeiten eingreifen. | |
Bisher liegt der Schwerpunkt beim Kampf gegen den [1][Coronavirus] | |
eindeutig bei den Landesregierungen. Diese handeln zwar aufgrund eines | |
Bundesgesetzes, des Infektionsschutzgesetzes. Angewandt wird das Gesetz | |
aber von den Ländern. Die haben großen Spielraum, weil die Vorgaben des | |
Infektionsschutzgesetzes sehr vage sind, ja auch vage sein müssen, da | |
niemand weiß, wie eine Pandemie mit einem neuen unbekannten Virus verläuft. | |
Genausowenig ist klar, wie sich die Menschen verhalten und wie schnell zum | |
Beispiel ein Impfstoff zur Verfügung steht. | |
Das Infektionsschutzgesetz ermöglicht zur Abwehr und zur Bekämpfung von | |
Epidemien [2][massive Eingriffe in die Grundrechte der Bürger]. So erlaubt | |
das Gesetz es ausdrücklich, Schulen und Schwimmbäder präventiv zu | |
schließen, ebenso vorgesehen ist es, Versammlungen zu verbieten. | |
Ansteckungsverdächtige Personen können in Quarantäne geschickt werden. Auch | |
für Ausgangsbeschränkungen gibt es eine eindeutige Rechtsgrundlage – | |
allerdings erst seit Ende März, da wurde das Gesetz vom Bundestag | |
entsprechend nachgebessert. | |
## Der Bundestag soll mitreden | |
Andere Maßnahmen stützen sich jedoch nur auf die Generalklausel des | |
Infektionsschutzgesetzes (Paragraph 28). Danach können Behörden „die | |
notwendigen Schutzmaßnahmen“ anordnen. Die Generalklausel ist nötig, um auf | |
überraschende Entwicklungen sofort angemessen reagieren zu können. Selbst | |
die weitgehende Schließung des Einzelhandels im Frühjahr und die | |
gegenwärtige Maskenpflicht werden auf diese Generalklausel gestützt. | |
Über die konkreten Beschränkungen entscheiden die Landesregierungen der 16 | |
Bundesländer per Rechtsverordnung. Deshalb gibt es zwischen den | |
Bundesländern immer wieder kleinere Unterschiede. Zudem traten viele | |
Einschränkungen zeitlich leicht versetzt in Kraft. | |
Die Bundesregierung hat keine der Maßnahmen angeordnet. Kanzlerin | |
[3][Angela Merkel ist nur als eine Art Moderatorin dabei], wenn die | |
RegierungschefInnen der Länder in regelmäßigen Konferenzen versuchen, eine | |
gemeinsame Linie zu finden. | |
Auch zusätzliche Befugnisse, die Gesundheitsminister Jens Spahn Ende März | |
eingeräumt wurden, sind eher marginal. So darf er etwa Schutzmasken zentral | |
beschaffen und Kontrollen von einreisenden Ausländern anordnen. Weil aber | |
auch diese beschränkten Bundesbefugnisse beim Infektionsschutz umstritten | |
sind, wurden sie an die Feststellung einer „epidemischen Lage nationaler | |
Tragweite geknüpft“. Diese Feststellung hat der Bundestag Ende März | |
getroffen und noch nicht zurückgenommen. Für die Corona-Verordnungen der | |
Bundesländer spielt dies aber keine Rolle. | |
Diese Sonderbefugnisse des Bundes, die in Paragraph 5 des | |
Infektionsschutzgesetz geregelt sind, sind es nun, die nach Spahns Wunsch | |
über die bisherige Befristung zum 31. März 2021 hinaus verlängert – und | |
ausgeweitet werden sollen. | |
Politiker von SPD und FDP kritisieren, dass Spahn dann mit eigenen | |
Verordnungen weit in die Befugnisse der Länder eingreifen könnte. Die | |
Kritiker fordern zumindest eine stärkere Beteiligung des Bundestags. | |
Allerdings müssten zunächst die Länder mit dieser Ausweitung von | |
Bundeskompetenzen einverstanden sein. Im März 2020 scheiterte ein erster | |
derartiger Vorstoß Spahns an einem sofortigen Veto der Länder. Diesmal | |
könnte die Lage offener sein. Selbst Bayerns Ministerpräsident Markus Söder | |
(CSU) hat Zweifel daran geäußert, ob das politische System in Deutschland | |
der Coronakrise gewachsen ist. „Ich bin ein überzeugter Föderalist, aber | |
ich glaube, dass der Föderalismus zunehmend an seine Grenze stößt.“ | |
19 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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