# taz.de -- Corona-Maßnahmen in Deutschland: Immer noch ein Flickenteppich | |
> In Deutschland erreicht die Zahl der Neuinfizierten einen neuen | |
> Höchstwert. Die Bundeskanzlerin bittet die Bürger, zuhause zu bleiben. | |
Bild: Geradezu flehentlich richtete sich Bundeskanzlerin Merkel am Samstag an d… | |
BERLIN taz | Das Chaos ist perfekt. Ob Maskenpflicht, Beherbergungsverbot, | |
Sperrstunden oder Umgang mit privaten Partys – Kanzleramt und | |
Länderregierungen konnten sich beim Spitzentreffen am vergangenen Mittwoch | |
auf keine einheitliche Linie einigen. Nun sieht die Deutschlandkarte der | |
Corona-Regeln endgültig aus wie ein Flickenteppich. | |
[1][Ausgerechnet das Beherbergungsverbot, die Maßnahme, über die Kanzlerin | |
Angela Merkel mit den Länderchefs am heftigsten gestritten hatte], haben | |
die Gerichte zum Ende der vergangenen Woche in einer Reihe von | |
Bundesländern einkassiert: In Baden-Württemberg, Brandenburg und | |
Niedersachsen kippten Gerichte die Verbote mit der Begründung, ein | |
Unterbringungsverbot für Touristen aus Risikogebieten stelle einen | |
unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte dar. Bayern und Hessen | |
kippten daraufhin von selbst das Verbot. In Schleswig-Holstein entschied | |
ein Gericht, das dortige Beherbergungsverbot sei rechtmäßig. | |
Ein ähnliches Durcheinander herrscht bei Sperrstunden: Allein in | |
Niedersachsen gehen die Behörden völlig unterschiedlich vor. In Regionen | |
mit besonders hohen Zahlen an Neuinfektionen wie das Oldenburger | |
Münsterland, Vechta und Cloppenburg gilt ab 23 Uhr eine Sperrstunde. In | |
anderen Landkreisen mit ähnlich hohen Werten gibt es solche Maßnahmen | |
nicht. In Berlin wiederum kippte am Freitag das Berliner Verwaltungsgericht | |
die 23-Uhr-Sperrstunde. Es gab elf Gastwirten recht, die gegen die | |
Sperrstunde geklagt hatten. Die Aufhebung der Sperrstunde gilt jetzt | |
zunächst aber nur für jene Wirte, die Klage eingereicht hatten. | |
Dabei wären klare Regeln zur Eindämmung der stark zunehmenden Zahlen | |
derzeit wichtiger denn je. Das Robert-Koch-Institut (RKI) [2][meldete am | |
Sonntag] innerhalb eines Tages mehr als 5.580 neue Infektionsfälle. Für | |
einen Sonntag ist das ein neuer Höchstwert. An Sonn- und Montagen sind die | |
erfassten Fallzahlen meistens niedriger, weil am Wochenende nicht alle | |
Gesundheitsämter Daten an das RKI übermitteln. Am Samstag lag die Zahl bei | |
7.830, zum dritten Mal in Folge ein Höchstwert. | |
## Gemeldete und tatsächliche Zahlen | |
Mit großer Wahrscheinlichkeit wird die Zahl der registrierten | |
Neuinfektionen bereits ab Mittwoch die Marke von 10.000 Fällen am Tag | |
übersteigen. Falls die bislang beschlossenen Maßnahmen keine Wirkung | |
erzielen, dürften es Ende des Monats gar über 20.000 registrierte | |
Neuinfizierte am Tag geben. | |
In den kommenden zehn Tagen wird die Pandemie-Kurve so oder so exponentiell | |
und praktisch ungebremst nach oben schnellen. Denn die gemeldeten Zahlen | |
hinken den tatsächlichen Zahlen hinterher. Selbst wenn es in den | |
vergangenen Tagen ein Umdenken in der Bevölkerung gegeben haben sollte und | |
die Menschen rigoros Masken tragen und Abstand halten, wird man den Effekt | |
erst in knapp zwei Wochen in der Statistik sehen. | |
Eben weil sich Bund und Länder nicht auf einheitliche – und ginge es nach | |
Angela Merkel – auch strengere Maßnahmen einigen konnten, wandte sich die | |
Bundeskanzlerin am Samstag [3][in ihrem wöchentlichen Podcast] geradezu | |
flehentlich an die Bürger. „Ich bitte Sie: Verzichten Sie auf jede Reise, | |
die nicht wirklich zwingend notwendig ist, auf jede Feier, die nicht | |
wirklich zwingend notwendig ist. Bitte bleiben Sie, wenn immer möglich, zu | |
Hause.“ Es komme nun zentral darauf an, die Kontaktpersonen jedes | |
infizierten Menschen zu benachrichtigen, um Ansteckungsketten zu | |
unterbrechen. „Wie der Winter wird, wie unser Weihnachten wird, das | |
entscheidet sich in diesen kommenden Tagen und Wochen.“ | |
Schon jetzt sind in einigen Regionen die Gesundheitsämter überlastet. Bei | |
rund 90 Prozent sei die Quelle der Neuinfizierten nicht mehr eindeutig | |
festzustellen, bestätigte Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD). | |
Im besonders betroffenen Berliner Bezirk Neukölln spricht | |
Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) von einem „absoluten Krisenmodus“. | |
Die Zahl der Krankenhausaufnahmen bei Menschen mit Covid-19 steige bereits. | |
## Neuer Lockdown? | |
Einen Lockdown vergleichbar mit dem im Frühjahr will die Bundesregierung | |
aber ebenfalls vermeiden. Das Bundesfinanzministerium geht bereits jetzt | |
davon aus, dass die Bewältigung der Coronavirus-Krise die öffentlichen | |
Kassen fast 1,5 Billionen Euro kosten wird. | |
[4][SPD-Gesundheitsexperte und Epidemiologe Karl Lauterbach schließt | |
zumindest „lokale Shutdowns“] nicht aus. Wenn es nicht gelinge, das | |
exponentielle Wachstum zu bremsen, „steigen die täglichen Fallzahlen | |
innerhalb kürzester Zeit so stark an, dass die Kliniken und | |
Gesundheitsämter überlaufen werden“, sagte er der Funke Mediengruppe, und | |
appellierte an die Vernunft aller. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus | |
Söder (CSU) warnte in der Bild am Sonntag: Wer zögere, riskiere einen | |
zweiten Lockdown. „Nie waren Umsicht, Vorsicht und Solidarität so wichtig | |
wie jetzt“, sagte Söder. | |
18 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Coronavirus-und-Beherbergungsverbot/!5717010/ | |
[2] https://www.dystopie-festival.net/2020/?lang=de | |
[3] https://www.bundeskanzlerin.de/bkin-de/mediathek/bundeskanzlerin-merkel-akt… | |
[4] /Karl-Lauterbach-ueber-die-Coronakrise/!5681313/ | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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