# taz.de -- Maßnahmen gegen Corona-Pandemie: Über 19.000 Neuinfektionen gemel… | |
> Vor Beginn des Teil-Lockdowns in Deutschland steigt die Zahl der | |
> Infektionen weiter. Die Slowakei startet einen Massentest. In Spanien | |
> gibt es gewaltsame Unruhen. | |
Bild: Die Zahl der positiven Coronatests hat weiter zugenommen (Symbolbild) | |
BERLIN/BRATISLAVA/MADRID dpa/afp/rtr | Vor Beginn des [1][Teil-Lockdowns in | |
Deutschland an diesem Montag] hat das Robert Koch-Institut erneut einen | |
Höchstwert registrierter Corona-Neuinfektionen gemeldet: 19.059 neue Fälle | |
haben die Gesundheitsämter den Angaben vom Samstag zufolge binnen eines | |
Tages verzeichnet. Eine einmonatige Zwangspause für Restaurants und Bars, | |
Kultur- und Freizeiteinrichtungen soll den Trend ab kommender Woche | |
stoppen. Sollten die Intensivstationen dennoch überlastet werden, wollen | |
Bund und Länder an Covid-19 erkrankte Intensivpatienten zwischen den | |
Bundesländern verteilen. | |
Die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, die Berliner | |
Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD), sagte den Zeitungen der | |
Funke-Mediengruppe, Deutschland sei in fünf Regionen aufgeteilt, die sich | |
über die Auslastung der klinischen Kapazitäten informierten und im | |
Bedarfsfall freie klinische Kapazitäten zur Verfügung stellten. „Sollte | |
sich in einem Bundesland oder einer Region eine starke Beanspruchung | |
abzeichnen oder sogar eine Überlastung eintreten, wird über zentral | |
eingerichtete Stellen in den Regionen der überregionale Patiententransport | |
in aufnahmefähige Regionen organisiert.“ | |
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte der Deutschen | |
Presse-Agentur: „Durch klare Strukturen und Abläufe, medizinisch-fachliche | |
Beratung und Bündelung von Transportressourcen wird gewährleistet, dass bei | |
drohender beziehungsweise eingetretener regionaler Überlastung von | |
intensivmedizinischen Kapazitäten ein Ausgleich innerhalb Deutschlands auch | |
unter komplexen Rahmenbedingungen bewältigt werden kann.“ | |
Derweil will Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus nicht ausschließen, dass | |
der gerade erst beschlossene Teil-Lockdown länger als bis Ende November in | |
Kraft bleibt. „Es ist der Plan, dass wir zum Dezember lockern. Garantieren | |
kann das niemand“, sagte Brinkhaus den Funke-Zeitungen. „Fakt ist aber: | |
Ohne etwas zu tun, werden wir sicher keinen guten Dezember haben. Wir | |
müssen kämpfen.“ Auch der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CD… | |
hatte eine Verlängerung zuvor nicht ausgeschlossen. | |
Das Coronavirus sei „nichts, was man auf dem Reißbrett oder auf lange Zeit | |
planen kann“, sagte Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) der Bild. „Eine | |
solche Pandemie ist eine Naturkatastrophe. Sie verändert ihr Gesicht | |
ständig. Deshalb ist es sehr, sehr schwer, längerfristige Vorhersagen zu | |
machen.“ | |
## Schulen, Kitas und der Einzelhandel bleiben geöffnet | |
Ab Montag wird die Zahl der Menschen, die in privaten Räumen und in der | |
Öffentlichkeit zusammenkommen dürfen, streng begrenzt. Hotels dürfen keine | |
Touristen mehr aufnehmen. Schulen, Kitas und der Einzelhandel bleiben | |
anders als im Frühjahr aber geöffnet. In einigen Bundesländern wurden die | |
Beschlüsse bereits in Landesverordnungen gegossen. Andere Länder wollen | |
erst im Laufe des Wochenendes bestimmen, wie die verschärften Regelungen | |
konkret umgesetzt werden. | |
[2][Kultur- und Gastrobranche] protestieren heftig gegen die Schließungen. | |
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) räumte [3][in ihrem am Samstag | |
veröffentlichten Podcast] ein, dass es nun erneut viele träfe, die seit | |
Beginn der Pandemie Umsatzeinbußen verzeichneten. Sie versicherte, dass den | |
Betroffenen schnell und unbürokratisch geholfen werden solle – und | |
wiederholte ihre Einschätzung aus der Regierungserklärung am Donnerstag: | |
„Der Winter wird hart.“ Juristen rechnen mit einer Klagewelle. Am Berliner | |
Verwaltungsgericht sind bereits die ersten Eilanträge eingegangen. | |
Die neuen Corona-Schnelltests sollten aus Sicht von Patientenschützern auch | |
genutzt werden, um Sterbenden und Angehörigen einen gemeinsamen Abschied zu | |
ermöglichen. „Niemals darf es erneut dazu kommen, dass sie voneinander | |
isoliert und allein gelassen werden“, sagte der Vorstand der Deutschen | |
Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der dpa. Bund und Länder seien | |
gefordert, ausreichend Schnelltests für Menschen in der letzten Lebenszeit, | |
Angehörige und Begleiter wie Seelsorger oder Hospizhelfer bereitzustellen. | |
## Massentest in der Slowakei startet | |
In der Slowakei haben flächendeckende Corona-Tests der gesamten Bevölkerung | |
begonnen. In etwa 5000 Testzentren im ganzen Land standen am Samstag rund | |
45.000 medizinische Fachkräfte, Soldaten und Polizisten bereit, um alle | |
Bürger ab zehn Jahren kostenlosen Schnelltests zu unterziehen. Die | |
Testzentren haben auch noch am Sonntag sowie am kommenden Wochenende | |
geöffnet. Das Nachbarland Tschechien verlängerte derweil den | |
Ausnahmezustand. | |
Der slowakische Ministerpräsident Igor Matovic erklärte, mit den | |
Massentests könnten „hunderte Menschenleben“ gerettet werden. Bei einem | |
Erfolg sieht er sie zudem als Vorbild für andere Länder: Die ganze Welt | |
werde das Experiment aufmerksam verfolgen. | |
Bei dem Massentest werden Antigen-Schnelltests verwendet, die innerhalb von | |
Minuten ein Ergebnis liefern – aber als weniger zuverlässig gelten als | |
sogenannte PCR-Tests, die in Labors ausgewertet werden. Die Teilnahme an | |
dem Massentest ist offiziell freiwillig. Wer nicht daran teilnimmt und dann | |
bei einer Polizeikontrolle kein negatives Testergebnis vorweisen kann, | |
riskiert aber eine hohe Geldstrafe. Wer positiv getestet wird, muss sofort | |
für zehn Tage in Quarantäne. Die rund 5,4 Millionen Einwohner zählende | |
Slowakei ist das erste Land dieser Größe, das seine gesamte Bevölkerung | |
testet. | |
[4][Im benachbarten Tschechien] kündigte die Regierung am Freitagabend an, | |
den Corona-Notstand bis zum 20. November zu verlängern. Die Regierung von | |
Ministerpräsident Andrej Babis hatte den Ausnahmezustand am 5. Oktober | |
verhängt, ursprünglich sollte er nur für 30 Tage gelten. | |
Gesundheitsminister Jan Blatny sagte, das Coronavirus breite sich | |
inzwischen zwar langsamer aus. „Aber wir haben das Schlimmste definitiv | |
noch nicht hinter uns.“ Unter dem Ausnahmezustand gilt eine nächtliche | |
Ausgangssperre. Schulen, Restaurants und die meisten Geschäfte sind | |
geschlossen. | |
## Ausschreitungen in Spanien | |
In mehreren spanischen Städten hat es in der Nacht zu Samstag gewalttätige | |
Demonstrationen gegen [5][die neuen Corona-Beschränkungen] gegeben. Im | |
Zentrum Barcelonas in Katalonien lieferten sich mehrere Hundert Menschen | |
und die Polizei bis spät in die Nacht Straßenschlachten, wie die Zeitung La | |
Vanguardia und das staatliche Fernsehen RTVE berichteten. | |
Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie die Polizei mit Pflastersteinen | |
beworfen wurde, Müllcontainer brannten und Barrikaden errichtet wurden. | |
Medien berichteten auch von einigen geplünderten Geschäften, während | |
Anwohner die Demonstranten von ihren Balkonen aus beschimpft hätten. Zwölf | |
Menschen seien festgenommen worden. | |
Die Polizei machte vor allem rechte Hooligans von der berüchtigten | |
Fangruppe „Boixos Nois“ (Verrückte Jungs) des Fußballvereins FC Barcelona | |
für die Gewalt verantwortlich. Auch in anderen Städten wie Bilbao im | |
Baskenland oder Burgos in Kastilien und León gab es Unruhen. | |
## Lockdown-Pläne in Großbritannien | |
Der britische Premierminister Boris Johnson erwägt Medienberichten zufolge | |
einen einmonatigen Lockdown für England mit Beginn in der kommenden Woche. | |
Grund seien Warnungen von Wissenschaftlern, wonach sich das Virus schneller | |
ausbreitet als in den schlimmsten Prognosen erwartet. Der Zeitung The Times | |
zufolge wird Johnson die neuen Maßnahmen womöglich in einer Pressekonferenz | |
am Montag ankündigen. Demnach sollen nur wichtige Geschäfte, Schulen, | |
Kindergärten und Universitäten offen bleiben. | |
Eine endgültige Entscheidung sei aber noch nicht gefallen, heißt es unter | |
Berufung auf hochrangige Regierungskreise. [6][Jeder Landesteil in | |
Großbritannien] mit seinen insgesamt fast 67 Millionen Einwohnern | |
entscheidet über seine eigenen Maßnahmen in der Corona-Krise. Bislang hatte | |
Johnson sich Forderungen nach Wiedereinführung landesweit geltender | |
Corona-Maßnahmen widersetzt. Nun allerdings wachsen angesichts sprunghaft | |
steigender Fallzahlen die Sorgen, dass die Krankenhäuser überlastet sein | |
könnten. | |
In der letzten Woche habe die Zahl der Todesfälle bei durchschnittlich 230 | |
pro Tag gelegen. Wissenschaftler zeigten sich überzeugt, dass nun täglich | |
mehr als 50 000 Neu-Infektionen pro Tag in England registriert würden, in | |
den kommenden Wochen müsse täglich mit bis zu 500 mit dem Coronavirus | |
infizierten Toten gerechnet werden. | |
31 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Einigung-im-Corona-Gipfel/!5724526 | |
[2] /Clubkultur-und-Coronakrise/!5724473 | |
[3] https://www.bundesregierung.de/breg-de/mediathek/kanzlerin-podcast/video-po… | |
[4] /Corona-in-Tschechien/!5717620 | |
[5] /Aktuelle-Corona-Entwicklungen/!5723259 | |
[6] /Coronamassnahmen-in-Westeuropa/!5719653 | |
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