Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Reaktionen auf „Asylpakt“ der EU: Europa ohne Solidarität
> Die Visegrád-Gruppe hält nichts vom neuen „Asyl- und Migrationspakt“ der
> EU-Kommission. Für Ursula von der Leyen ist das ein herber Rückschlag.
Bild: Kinder in einer temporären Flüchtlingsunterkunft auf Lesbos
Brüssel taz | Sie wollte kurzen Prozess machen – und lud die Chefs der
osteuropäischen Visegrád-Gruppe zu einem Besuch nach Brüssel. Doch wenn
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gehofft hatte, so ihren
„[1][Migrations- und Asylpakt]“ besser verkaufen zu können, dann wurde sie
enttäuscht.
„Es gibt keinen Durchbruch“, sagte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán
nach dem Treffen mit von der Leyen in Brüssel. Die Reformvorschläge
verfolgten noch immer das Ziel, Flüchtlinge über Quoten in der EU zu
verteilen. Das sei mit ihm nicht zu machen.
„Umverteilung und Quoten bleiben Umverteilung und Quoten – egal mit welchem
Namen“, sagte Orbán, der zusammen mit dem polnischen Regierungschef Mateusz
Morawiecki und Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babis die Brüsseler
Behörde besucht hatte.
Babis hatte den Kommissionsvorschlag, der auch eine neuartige
„Abschiebe-Patenschaft“ vorsieht, noch vor seinem Abflug aus Prag als
„Unsinn“ bezeichnet. „Wenn wir keine Migranten akzeptieren, können wir s…
nicht abschieben“, sagte er.
## Schwerer Rückschlag für von der Leyen
Die EU-Behörde hatte vorgeschlagen, dass jene EU-Staaten, die keine
Asylbewerber aufnehmen wollen, sich um die Abschiebung nicht
asylberechtigter Migranten kümmern sollen. Zudem will sie die Abschiebung
beschleunigen – auch aus Lagern, die an der EU-Außengrenze geplant sind,
etwa auf der griechischen Insel [2][Lesbos].
Orban und Babis wollen diesen Plan nicht mittragen. Sie forderten
stattdessen, Migranten an der Einreise zu hindern. Deshalb sei es
notwendig, „Hotspots“ außerhalb der EU zu errichten und nicht Lager
innerhalb. Die Kommission müsse mit afrikanischen Ländern wie Libyen oder
Syrien verhandeln, damit die Menschen dort blieben.
Für von der Leyen ist dies ein schwerer Rückschlag. Mit ihrem Vorschlag
wollte sie die Blockade lösen, die die EU seit der Migrationskrise 2015
lähmt. Vor allem Ungarn, aber auch die anderen Visegrád-Staaten weigern
sich, Asylbewerber aufzunehmen und Länder wie Griechenland zu entlasten.
Mit ihrem Reformplan war die CDU-Politikerin den Neinsagern aus Osteuropa
weit entgegen gekommen.
Einen frostigen Empfang erhielten die Pläne auch im Europaparlament.
Mehrere Abgeordnete warnten im Innenausschuss davor, dass an den
EU-Außengrenzen erneut Lager wie das [3][zuletzt abgebrannte Moria]
entstehen könnten. Sie habe den Eindruck, dass Länder an den Außengrenzen
noch immer unter großem Druck stehen würden, sagte die SPD-Abgeordnete
Birgit Sippel.
## Das Ziel der Solidarität aller in der EU wird verfehlt
Mit Blick auf die vorgeschlagene fünftägige Vorprüfung von Migranten fragte
Sippel: „Wie genau können wir sicherstellen, dass dieser Prozess nicht zu
Massen-Internierung an den Außengrenzen führt und vielleicht zu einem
weiteren Moria?“
Die Linken-Politikerin Cornelia Ernst sagte, es handele sich um einen Pakt
für maximale Abschiebungen. Der Vorschlag sei darauf ausgerichtet, dass so
wenig Menschen wie möglich nach Europa kämen.
Zustimmung signalisierten dagegen die Konservativen. „Das ist ein Schritt
in die richtige Richtung, aber er ist nicht perfekt“, sagte die
Christdemokratin Roberta Metsola. Es müsse sichergestellt, dass sich alle
EU-Staaten beteiligen. Lena Düpont (CDU) begrüßte den Vorschlag, weil er
sich auf „zwei Flaschenhälse“ konzentriere: Rückführungen und
Asylverfahren.
Damit der Plan in Kraft treten kann, müssen das Europaparlament und der
Ministerrat zustimmen. Im Rat reicht im Prinzip eine qualifizierte
Mehrheit, die auch ohne die Visegrád-Staaten möglich wäre.
Doch wenn die Osteuropäer nicht mitziehen, verfehlt von der Leyens ihr
wichtigstes Ziel: alle EU-Mitglieder einzubinden und auf eine Form der
Solidarität zu verpflichten. Und sei es nur auf eine
„Abschiebe-Patenschaft“.
24 Sep 2020
## LINKS
[1] /Von-der-Leyen-legt-Migrationspakt-vor/!5711756
[2] /Nach-dem-Brand-in-Moria/!5714917
[3] /Fluechtlingslager-auf-Lesbos-ausgebrannt/!5708028
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
EU-Flüchtlingspolitik
Moria
Visegrad-Gruppe
Viktor Orbán
Ursula von der Leyen
Migration
EU-Krise
EU-Flüchtlingspolitik
Migration
Europäische Union
Italien
Migration
IG
EU-Flüchtlingspolitik
Lesestück Recherche und Reportage
## ARTIKEL ZUM THEMA
Abstimmung in Brüssel: EU-Parlament stimmt für Asylreform
Lange war in der EU über die Reform gestritten worden. Jetzt sollen
schnellere Asylverfahren an den Außengrenzen kommen. Und ein
Solidaritätsmechanismus.
Die EU im Osten Europas: Neues im Osten
Demokraturen und andere demokratiefeindliche Formationen: Claus Leggewie
und Ireneusz Paweł Karolewski sezieren die brenzlige Lage in den
V4-Staaten.
Neue Geflüchtetenlager in Griechenland: Der Dschungel von Samos
Die EU muss endlich einen Weg finden, humane Orte für traumatisierte, vor
Krieg und Konflikt Geflüchtete zu schaffen. Und zwar jetzt.
Situation auf den griechischen Inseln: Schlimmer als in Moria
450 Hilfsorganisationen und 160.000 Unterstützer:innen appellieren an die
EU: Die Lage auf den Inseln Chios, Samos und Lesbos sei weiterhin
menschenunwürdig.
Noch keine EU-weite Tracing-App: Coronakrise erreicht EU-Spitze
Von der EU empfohlene Coronamaßnahmen greifen nicht. Viele EU-Staaten haben
zwar Coronatests ausgeweitet, doch die Auswertung dauert zu lange.
Abschiebungen über das Mittelmeer: Rom macht Druck, Tunis lenkt ein
Italien will künftig doppelt so viele Menschen nach Tunesien abschieben wie
bisher. In der tunesischen Zivilgesellschaft stößt das auf Kritik.
Neues Asyl- und Migrationspaket der EU: Unwort des Jahres
Die „Rückführungspatenschaft“ des EU-Migrationspakets kehrt Solidarität …
Es geht nicht mehr um das Teilen der Asyl-, sondern der Abschiebelast.
EU legt Migrationspakt vor: Ein nahezu teuflisches Konstrukt
Der von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen vorgelegte Migrationspakt
ist eine Aneinanderreihung von Leerstellen. Fortschritte fehlen.
Von der Leyen legt Migrationspakt vor: EU setzt auf Tempo und Härte
Der Asylplan von EU-Kommissionschefin von der Leyen sieht schnellere
Abschiebungen Geflüchteter an den Außengrenzen vor. Pro Asyl ist entsetzt.
EU-Flüchtlingspolitik und Moria: Feste Burg Europa
Mehr Schutz den Grenzen, weniger den Verfolgten. Die EU-Kommission bereitet
Asyl-Vorschläge vor. Kaum ein Land nimmt Moria-Flüchtlinge auf.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.