# taz.de -- Präsidenten in Westfrika: Die Macht der alten Männer | |
> In zahlreichen Ländern Westafrikas halten sich alternde Präsidenten an | |
> der Macht. Auch Protestbewegungen und Staatsstreiche ändern nichts daran. | |
Bild: Der Älteste will auch nochmal gewählt werden: Präsident Alpha Condé (… | |
Olusegun Obasanjo hat zum Internationalen Jugendtag Mitte August deutliche | |
Worte gefunden. „Jagt die alte Generation weg von der Macht.“ Dafür regte | |
er eine Jugendquote an: Eine politische Partei könne 50 Prozent aller Ämter | |
mit unter 40-Jährigen besetzen. Auch sei es möglich, dass bei Wahlen | |
mindestens jede*r zweite Kandidat*in jünger als 40 sein müsse. „Positive | |
Diskriminierung“ nennt Obasanjo das. | |
Das würde fortschrittlich klingen, wäre Obasanjo nicht schon 83 Jahre alt. | |
Als er 1999 [1][in der vierten Republik Nigerias] an die Macht kam, war er | |
62. Bis heute äußert er sich gerne zu nigerianischen Innenpolitik. Obwohl | |
es jungen Aktivist*innen vor der jüngsten Präsidentschaftswahl im | |
vergangenen Jahr gelungen war, das passive Wahlalter zu senken, gab es kein | |
Bündnis für eine*n jüngere*n Bewerber*in. Obasanjo unterstützte den | |
Oppositionskandidaten Atiku Abubakar (73), vier Jahre zuvor war sein | |
Favorit Muhammadu Buhari (77). Von wenigen Ausnahmen auf Landesebene ist | |
für die junge Generation kein Platz. | |
Nigeria ist keine Ausnahme. In ganz Westafrika bleiben alte Männer an der | |
Macht. Der älteste ist mit 82 Jahren in Guinea Alpha Condé, nur jeder | |
Dritte ist jünger als 60. Dabei galt Westafrika noch vor zwei Jahren | |
durchaus als Positivbeispiel, vor allem im Vergleich zu Zentralafrika. Bis | |
auf Togo, wo die Familie Eyadema-Gnassingbé seit 1957 herrscht, hatte sich | |
die Zwei-Amtszeiten-Regelung etabliert. In mehreren Ländern ist es durch | |
Wahlen, die von internationalen und lokalen Beobachterbündnissen als | |
zumindest annehmbar und akzeptabel bezeichnet worden sind, zum Machtwechsel | |
gekommen. | |
Doch jetzt geht die Region vielerorts einen Schritt zurück, was die ab | |
Oktober anstehenden Wahlen deutlich machen. Bis Frühjahr 2021 wird in | |
gleich sechs Ländern gewählt. Den Auftakt machen ausgerechnet Guinea (18. | |
Oktober) und die Elfenbeinküste (31. Oktober), wo Condé und Alassane | |
Ouattara (78) das dritte Mandat wollen. Eine Verfassungsänderung macht es | |
möglich. Die neuen Konstitutionen sehen zwar ebenfalls nur zwei Amtszeiten | |
vor. Doch frühere Mandate werden nicht eingerechnet. Alles steht auf | |
Anfang. | |
In Guinea ist diese erst im März im Rahmen eines Referendums durchgeboxt | |
worden, obwohl die Demonstrationen dagegen schon im vergangenen Herbst | |
begonnen hatten. Offiziell heißt es, dass die neue Verfassung von mehr als | |
91 Prozent der Wähler*innen angenommen worden ist, bei einer Beteiligung | |
von 61 Prozent. Die Regierung hat auch bekannt gegeben, dass während der | |
Proteste rund um die Abstimmung 30 Menschen starben. Die Opposition spricht | |
dagegen von 119 Opfern. | |
## Die Macht verbleibt bei der Clique | |
Nachdem Ouattara in der Elfenbeinküste nach längerem Zögern, das mehr Show | |
als tatsächliches Abwägen war, seine erneute Kandidatur bekannt gab, kam es | |
ebenfalls zu den ersten Ausschreitungen mit mindestens vier Toten. Zuvor | |
hatten Anhänger*innen der regierenden Sammlung der Houphouetisten für | |
Demokratie und das Volk (RDHP) gerne betont, dass sie für die Situation | |
nichts können. Schuld daran sei nur der plötzliche Tod des früheren | |
Premierministers Amadou Gon Coulibaly gewesen, der die Ouattara-Nachfolge | |
hatte antreten sollen. | |
Tatsächlich zeigt es jedoch etwas anderes: Die Macht bleibt bei einer | |
kleinen Clique, Nachwuchspolitiker*innen werden nicht aufgebaut. Das gilt | |
auch für die gerne zitierte Musterdemokratie Ghana. Dort wurde 2016 John | |
Mahama zwar als Präsident abgewählt, kündigte jedoch schon ab Februar 2019 | |
seine Kandidatur für Dezember 2020 an. Schon Mahamas Vater war Minister in | |
der ersten Regierung nach der Unabhängigkeit im Jahr 1957. Bei Amtsinhaber | |
Nana Akufo-Addo ist es nicht anders. Dessen Vater Edward gehörte der United | |
Gold Coast Convention (UGCC) an, jener Partei, die ab 1947 für die | |
Unabhängigkeit des Landes von Großbritannien kämpfte. Im Senegal gehört | |
Karim Wade, Sohn von Ex-Präsident Abdoulaye, ebenfalls zur politischen | |
Klasse wie in Mali sein Namensvetter Karim. Der Sohn des Mitte August | |
gestürzten Präsidenten Ibrahim Boubacar Keïta gehörte dem Parlament an. | |
Die neuen Verfassungsänderungen begünstigen den Trend und könnten zum | |
Vorbild für weitere Länder werden. In Benin kündigte Patrice Talon bei | |
seiner Wahl 2016 etwa an, nur für eine Amtszeit zur Verfügung zu stehen. | |
Davon ist ein gutes halbes Jahr vor der Wahl längst keine Rede mehr. | |
## Fehlende Netzwerke | |
Was den Machtwechsel so schwierig macht, sind die mangelnden Netzwerke | |
jüngerer Politiker*innen, aber vor allem die fehlenden Ressourcen. | |
Wahlkämpfe müssen aus eigenen Mitteln, vor allem aber mithilfe wohlhabender | |
Unterstützer*innen finanziert werden. Doch die Unterstützung einer jungen, | |
noch unbekannten Person verspricht keine Rendite. Dabei kostet je nach Land | |
schon das Antragsformular für eine Kandidatur viele tausend Euro. Die | |
Gesamtkosten lassen sich kaum beziffern und erst recht wird nicht darüber | |
gesprochen. Einen seltenen Eindruck gibt Ayisha Osori, die heute die | |
Denkfabrik „Open Society Initiative West Africa“ leitet, in ihrem Buch | |
„Love does not win Elections“. | |
Was die Ämter so attraktiv macht, ist das Business Politik. Vor zwei Jahren | |
erhielten nigerianische Senatoren monatlich 37.500 US-Dollar, sagte damals | |
Shehu Sani, ein früherer Senator. In Liberia ist von bis zu 15.000 | |
US-Dollar die Rede, was Abgeordnete zum Teil jedoch bestreiten. Damit | |
müssen auch die Sponsor*innen bezahlt werden oder sie werden mit Ämtern | |
oder Verträgen versorgt, damit sich ihre Investition auszahlt. | |
Daher wundert es nicht, dass die Zivilgesellschaft zwar durchaus Druck auf | |
die politische Klasse macht, bei einem Umsturz die Macht aber nicht für | |
sich reklamieren kann. Ändert sich das System nicht grundlegend, wird die | |
Macht weiterhin auf wenige alte Akteure begrenzt bleiben. | |
21 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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