# taz.de -- Opposition in Kamerun: Biya duldet keinen Widerspruch | |
> 39 Jahre autokratische Herrschaft und kein Ende in Sicht: Kameruns | |
> Präsident verhängt hohe Haftstrafen gegen die Führung der größten | |
> Oppositionspartei. | |
Bild: Seit 1982 ist Paul Biya der zweite Präsident Kameruns | |
BERLIN taz | In Kamerun geht das Regime von Präsident Paul Biya immer | |
unnachgiebiger gegen die zivile Opposition vor. 54 Aktivisten der größten | |
Oppositionspartei MRC (Bewegung für die Renaissance Kameruns) sind bei zwei | |
Urteilen am Montag und Dienstag von einem Militärgericht zu Haftstrafen von | |
bis zu sieben Jahren wegen „Rebellion“ und „Aufstandsversuch“ verurteilt | |
worden. Unter ihnen sind nach Parteiangaben MRC-Koordinator Pascal Zamboue, | |
MRC-Sprecher Olivier Bibou Nissack, MRC-Schatzmeister Alain Fogue und die | |
Leiterin der MRC-Frauensektion, Mispa Awasum. | |
Die Urteile sind der bisherige Höhepunkt einer von Amnesty International | |
als „unnachgiebige Repression“ bezeichneten Kampagne von „wahllosen | |
Festnahmen und Inhaftierungen“, um die Opposition lahmzulegen. | |
In Kamerun regiert [1][seit 1982 Präsident Paul Biya] – der dienstälteste | |
mit exekutiver Macht ausgestattete Staatschef der Welt und mit mittlerweile | |
88 Jahren der älteste Afrikas. Biya regiert als Autokrat alten Stils, der | |
Opposition gegen ihn nur widerwillig duldet. Zuletzt ließ er sich [2][2018 | |
zu einer weiteren siebenjährigen Amtszeit] wählen, mit 71 Prozent der | |
Stimmen laut den amtlichen Ergebnissen, die unabhängige Beobachter | |
allerdings anzweifelten. | |
Bei diesen Wahlen erreichte die 2012 gegründete MRC unter Führung des | |
Juraprofessors [3][Maurice Kamto] demnach mit 14,2 Prozent den zweiten | |
Platz. Kamto rief sich selbst zum Sieger aus und wurde im Januar [4][2019 | |
verhaftet]. Im Oktober kam er frei, während sein Stellvertreter Mamadou | |
Mota zu 18 Monaten Haft verurteilt wurde, die er vollständig absitzen | |
musste. | |
## Bürgerkrieg an der Grenze zu Nigeria | |
2020 rief Kamto zu Massenprotesten in Kamerun am 22. September auf, um | |
Präsident Biya und seine „Kleptokratie“ zu stürzen – rechtzeitig zum 60. | |
Jahrestag der kamerunischen Unabhängigkeit am 1. Oktober 2020. Die | |
Protestaktionen wurden verboten; Demonstrationen, die sich dennoch | |
bildeten, wurden gewaltsam aufgelöst. 589 Menschen wurden nach MRC-Angaben | |
festgenommen, darunter mindestens acht Journalisten und eine Reihe von | |
MRC-Kadern, die zum Teil wegen „versuchter Revolution“ angeklagt wurden – | |
unter ihnen auch die, die jetzt verurteilt worden sind. | |
Kamto selbst wurde am Vortag dieser Proteste unter faktischen Hausarrest | |
gestellt und sein Haus zehn Wochen lang von Soldaten abgeriegelt. Seitdem | |
hat er sich moderater geäußert als vorher, aber das hat den Staat nicht | |
milder gestimmt. Hunderte MRC-Aktivisten blieben in Haft, und nun sind die | |
wichtigsten Urteile gegen hohe Parteikader ergangen. | |
Das scharfe Vorgehen gegen die Opposition ist im [5][Zusammenhang mit dem | |
Bürgerkrieg] zu sehen, der seit 2018 in Kameruns englischsprachigen | |
Provinzen Nordwest und Südwest an der Grenze zu Nigeria tobt und mehrere | |
hunderttausend Menschen in die Flucht getrieben hat – 574.000 | |
Binnenvertriebene dieses Konflikts zählt die humanitäre | |
UN-Koordinationsstelle OCHA Mitte Dezember, dazu 69.000 [6][Flüchtlinge in | |
Nigeria]. | |
Kameruns Regierung stuft die bewaffneten [7][Separatisten], die eine eigene | |
Republik „Ambazonien“ ausgerufen haben, als Terroristen auf einer Stufe mit | |
der islamistischen Gruppe Boko Haram weiter nördlich ein. Immer wieder | |
kommt es zu schweren Übergriffen der Armee gegen die Zivilbevölkerung, | |
wobei auch die Rebellen durch systematische Angriffe auf Schulen für | |
zahlreiche Verbrechen verantwortlich sind. | |
Regelmäßig rückt Kameruns Staat zivile Opposition in die Nähe dieser | |
bewaffneten Gruppen, um sie zu diskreditieren. Weitere Konflikte toben seit | |
einigen Wochen im äußersten Norden des Landes und haben rund 80.000 | |
Menschen in die Flucht nach Tschad getrieben. | |
29 Dec 2021 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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