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# taz.de -- Coming-out von Präsidententochter: Hunde zeugen keine Katzen
> Die Präsidententochter von Kamerun outet sich als lesbisch – das ist in
> ihrem Heimatland strafbar. Ein mutiger emanzipatorischer Schritt?
Bild: Brenda Biya (l.) und ihre neue Freundin Layyons Valença
Was ist das für ein Land, in dem das Sexualleben der Tochter des
Staatschefs von höchster Brisanz ist? Es ist Kamerun. Dort ist
Homosexualität nicht nur verpönt und strafbar, wie in vielen Ländern
Afrikas. Allein der Verdacht darauf ist ein Karrierekiller, der zur
Erpressung dient.
„In Kamerun befinden wir uns auf einer anderen Stufe, der untersten. Die
Homosexualität existiert ja offiziell gar nicht“, sagte 2013 [1][im
taz-Interview] die ins Exil gezwungene Menschenrechtsanwältin Alice Nkom,
die den Verband ADEFHO (Association pour la Défense des Droits des
Homosexuelles) gegründet hatte: „Es darf nicht mehr sein, dass jemand
öffentlich sagt, Homosexuelle seien wertloser als jedes Tier. Homosexuelle
müssen also erst einmal in den Kreis der Menschen geholt werden.“
Alice Nkom findet nun späte Genugtuung: Brenda Biya, die Tochter des
Präsidenten, outet sich! Die 27-Jährige veröffentlichte am 30. Juni [2][auf
ihrem Instagram-Konto] intime Aufnahmen von sich mit dem brasilianischen
Model Layyons Valença. „Ich bin verrückt nach dir und ich will, dass die
ganze Welt es weiß“, schrieb sie dazu ihren 323.000 Followern. „Bravo
Brenda!“, reagierte Alice Nkom.
Brenda Biya ist nicht irgendeine Präsidententochter. Ihr Vater Paul Biya
ist der älteste amtierende Präsident der Welt. Er unterdrückt Kamerun seit
1982 und ist mittlerweile 91 Jahre alt. Nur selten zeigt er sich noch
öffentlich, angeblich lebt er mehr in Schweizer Sanatorien als im
Präsidentenpalast von Yaoundé, sofern er überhaupt noch lebt.
## Vollzeitmensch mit Rap-Karriere
Tochter Brenda lebt auch in der Schweiz, als Rapperin namens [3][King
Nasty], was nur mit viel Fantasie nicht als Anspielung auf ihre Herkunft zu
werten ist. „Hi, mein Name ist Brenda Biya, ich bin die First Daughter von
Kamerun und dazu Teilzeitkünstlerin und Vollzeitmensch“, schreibt sie dazu,
falls es jemand nicht begriffen haben sollte.
„Vollzeitmensch“ konnte sie wohl erst im Ausland werden. Als die First
Daughter daheim [4][als junges Mädchen Yaoundés Clubszene entdecken
wollte], erwies sich das als schwierig, denn sobald sie ausging, wurde der
Club zum Hochsicherheitstrakt und die Anwesenden wurden vom Personenschutz
hinausgeworfen, was den Abend eher sinnlos machte. Ihre Rap-Karriere baute
sie dann in Los Angeles auf.
Als ihre Mutter Chantal sie einmal nach Hause holte, stritten sie sich
dermaßen, dass beide beim Zwischenstopp in der Schweiz im Krankenhaus
landeten, wird berichtet. Ansonsten ist Brenda [5][in Pariser Luxushotels]
gesehen worden, wo die Zimmerpreise bei 5.000 Euro starten. Als ein Fan sie
einmal bat, ihren Vater aufzufordern, Kamerun „freizugeben“, antwortete
sie: [6][„Nicht mein Problem.“]
## Gossip-Thema Nummer eins
Was bei der Luxusgöre Fake ist und was echt, weiß also niemand, vielleicht
nicht einmal sie selbst. Und in Gefahr ist sie nicht – erstens lebt sie im
Ausland, zweitens ist sie die Tochter des Präsidenten. Aber ihr Outing ist
jetzt in Kamerun das Gossip-Thema Nummer eins. Sie will ihre Eltern
bloßstellen, glauben manche. In einer patriarchalischen Gesellschaft wie
Kamerun fällt Fehlverhalten der Kinder auf die Eltern zurück.
„Sie sind ein echter Mensch. Was Sie sind und was Sie machen, ist die
Frucht dessen, was man Ihnen mitgegeben hat. Hunde zeugen keine Katzen“,
nimmt sie [7][ein kamerunischer „Offener Brief“] ironisch in Schutz –
moniert aber auch, dass während sie ihren nackten Hintern im Internet
vorführt, kamerunische Schulkinder mit dem Hintern auf der nackten Erde
sitzen.
Besonders im Visier ist Mutter Chantal, die Zweitfrau des Präsidenten Paul
nach dem Tod seiner ersten Gattin Irène im Jahr 1992. Irène genoss Respekt,
weil sie klaglos den Sohn Franck aufzog, den ihr Mann 1971 mit ihrer
Schwester gezeugt hatte; Chantal gilt hingegen als raffgierige Usurpatorin.
## Verstörender Blick hinter die Fassade
Der 53-jährige Franck Biya, Brendas Halbbruder, gilt heute als Anwärter auf
die Präsidentschaft; Brenda hingegen gilt als missraten. Beides wird auf
die Mütter zurückgeführt. Ein bösartiges Gerücht lautet, dass Mutter
Chantal ebenfalls in Brendas neue Freundin verliebt ist.
All dies suggeriert: Das Haus Biya zerlegt sich, und die 30 Millionen
Menschen in Kamerun schauen zu. Wird Paul mit 92 bei den nächsten Wahlen
2025 – deren Ergebnis genauso feststehen wird wie immer – erneut antreten?
Wird er sein Amt Franck überlassen, und was macht dann die mächtige
Chantal? Oder stirbt er einfach und dann versinkt Kamerun im Chaos?
Als 2004 schon einmal das Gerücht umging, Paul Biya sei tot, flog er aus
der Schweiz nach Hause und sagte: „Es gibt Leute, die sich für meine
Beerdigung interessieren. Wir sehen uns in zwanzig Jahren.“ Dann ließ er
mit einer Verhaftungswelle Rivalen aus dem Weg räumen – irgendeinen
Korruptionsvorwurf gibt es in Kamerun gegen jeden Politiker, notfalls auch
einen Homosexualitätsvorwurf.
Die zwanzig Jahre sind seit Juni vorbei. Kamerun darf zittern. Im Land der
organisierten Undurchsichtigkeit kann jeder noch so kurze Blick hinter die
Fassade verstörend wirken.
9 Jul 2024
## LINKS
[1] /Anwaeltin-ueber-Homophobie-in-Afrika/!5211509
[2] https://www.instagram.com/kingnastyy/
[3] https://www.youtube.com/channel/UCJXQK7bsKqht1hNQOkrgQww
[4] https://www.camer.be/43647/11:1/cameroun-brenda-biya-seme-la-terreur-en-boi…
[5] https://www.camer.be/82617/30:27/cameroun-brenda-biya-logee-dans-un-hotel-d…
[6] https://www.camer.be/85056/11:1/cameroun-brenda-biya-riposte-a-un-internaut…
[7] https://www.camer.be/85877/30:27/lettre-ouverte-a-brenda-biya-reflexions-su…
## AUTOREN
Dominic Johnson
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