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# taz.de -- Gewalt in Nigerias Metropole: Demonstranten erschossen
> In Lagos sind bei Protesten gegen Polizeigewalt mehrere Menschen von den
> Sicherheitskräften getötet worden. Die Proteste gehen weiter.
Bild: Demonstranten auf den Straßen von Lagos
Cotonou taz | Die nigerianische Wirtschaftsmetropole Lagos kommt nicht zu
Ruhe. Nach der Horrornacht von Lekki (#LekkiMassacre) von Dienstag auf
Mittwoch bestätigt ein Bewohner des Viertels, das sich am Rande von Afrikas
größter Stadt entlang der Atlantikküste nach Osten zieht, der taz: „Das
Militär ist noch da. Über andere Gegenden sagen Freunde, dass weiterhin
Schüsse zu hören sind.“
Die Künstlerin DJ Switch hat auf Twitter ein Video gepostet, in dem sie die
Sicherheitskräfte anklagt: „Sie schießen. Wir bringen jetzt ein paar Leute
ins Krankenhaus.“
Wenig später brennt in Lagos der private Sender Television Continental
(TVC). Er gehört dem früheren Gouverneur von Lagos, Bola Tinubu. Der
Politiker der Regierungspartei APC (All Progressives Congress) gilt als
einer der einflussreichsten Strippenzieher im Land und als „Godfather of
Lagos“. Ob die Brandstiftung das Werk von Demonstrant*innen oder von
Kriminellen war oder gar eine Inszenierung der Staatsseite, ist nicht klar.
Die Spekulationen überschlagen sich seit der blutigen Nacht von Dienstag
und Mittwoch. Sie hat in Lagos Erinnerungen an finstere Zeiten wachgerufen.
Die Mautstation Lekki war in den letzten Tagen zum Zentrum der [1][seit
Wochen andauernden Antipolizeiproteste] #EndSARS und #EndSWAT in Nigeria
geworden. Sie waren längst zu Protesten gegen die Regierung und den Staat
im Allgemeinen mutiert.
## Ausgangssperre wurde sehr kurzfristig verhängt
Am Dienstag abend, nachdem die Behörden offiziell eine Ausgangssperre
verhängt hatten, schossen dort Sicherheitskräfte auf Demonstrant*innen.
Noch am Abend spricht die Menschenrechtsorganisation Amnesty International
von „glaubwürdigen, aber beunruhigenden Beweisen für den übermäßigen
Einsatz von Gewalt, die zum Tod von Demonstrant*innen an der
Lekki-Mautstelle in Lagos geführt haben.“
Auf Twitter machen Videos von blutüberströmten Protestierenden die Runde.
Der Hashtag lautet erst #LekkiProtest, dann #LekkiMassacre. Mitunter ist
von zwölf Toten die Rede und von unzähligen teils schwer Verletzten.
Die Landesregierung von Lagos spricht nigerianischen Medienberichten
zufolge erst von 28 Verletzten und bestätigt gar keine Toten. Erst am
Mittwochmittag twittert Gouverneur Babajide Sanwo-Olu, dass eine Person
gestorben sei. „Ein isolierter Fall“. Es sei nicht klar, ob es sich
überhaupt um einen Demonstranten handele.
Sanwo-Olu hatte die Ausgangssperre über Lagos sehr spontan am
Dienstagnachmittag verhängt. Sie galt ab 16 Uhr, also fast unmittelbar. Man
könne nicht weiter zusehen, wie „Brandstifter, Gauner und Anarchisten
weiterhin unter #EndSARS protestieren, um Chaos in den Staat zu bringen und
Leben und Eigentum der Bürger*innen mutwillig zu stören“, so der seit 2019
amtierende Gouverneur. Bürger*innen sowie friedliche Demonstrant*innen
forderte er auf, sich an die Ausgangssperre zu halten.
## Die Zentralregierung durckt sich weg
Als noch enttäuschender gilt aber das Verhalten der Zentralregierung von
Präsident Muhammadu Buhari im fernen Abuja. Zu den Vorfällen in Lagos
schweigt sie bisher. Sie hatte sich schon in den Tagen zuvor rar gemacht.
Dabei wecken Soldat*innen, die auf Zivilist*innen schießen, vor allem bei
Nigerias älterer Bevölkerung viele schlechte Erinnerungen.
Afrikas Riesenstaat mit rund 200 Millionen Einwohner*innen hat mehrere
Staatsstreiche und brutale Militärdiktaturen erlebt. Buhari selbst führte
bereits zwischen 1983 und 1985 eine Militärjunta und ging damals selbst
nicht zimperlich mit seinen Gegnern um.
Der Jurist und Menschenrechtsexperte Collins Okeke aus Lagos geht jetzt
nicht davon aus, dass sich die aktuelle Situation in so eine Richtung
entwickelt. „Viele Menschen sind besorgt. Wir haben aber demokratische
Institutionen“, sagt er der taz.
Gleichwohl hätte die Situation sehr viel besser gehandhabt werden können.
„Das Militär hätte nicht involviert sein dürfen.“ Nicht vergessen werden
dürfe außerdem, dass viele Proteste der vergangenen Tage friedlich
verlaufen seien. Collins fordert eine Untersuchung der Ereignisse von
Lekki. Schon das wäre für Nigeria ungewöhnlich.
21 Oct 2020
## LINKS
[1] /Proteste-in-Nigeria/!5721237
## AUTOREN
Katrin Gänsler
## TAGS
Nigeria
Protest
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Afrika
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