| # taz.de -- Halbzeitbilanz der Groko: Die Mitte ist müde | |
| > Es kann sein, dass die Regierung diese Krise überlebt. Trotzdem wird sie | |
| > nur noch von Routine und der Angst vor Neuwahlen zusammengehalten. | |
| Bild: Nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags im Paul-Löbe-Haus, Berlin… | |
| „Wir haben viel erreicht und umgesetzt – aber es bleibt auch noch viel zu | |
| tun.“ So steht es in [1][der Halbzeitbilanz der Regierung], die etwas | |
| unfreiwillig Komisches hat. Die MinisterInnen bescheinigen sich selbst, | |
| prima Arbeit geleistet zu haben. Das ist so, als würden sich ein Konzern | |
| oder eine Universität selbst evaluieren und danach kräftig auf die Schulter | |
| klopfen. | |
| Die Halbzeitbilanz hatte die SPD in den Koalitionsvertrag geschrieben. Es | |
| ist ein Placebo, das ein ungutes Gefühl im Magen vertreiben soll: Die SPD | |
| bleibt automatisch bis zum Ende in der Regierung. Und danach ist alles | |
| schlimmer denn je. | |
| Die Große Koalition funktioniert, zum Teil, so wie immer. Die | |
| SPD-MinisterInnen setzen fleißig einiges durch – von besserer | |
| Kita-Betreuung bis zur Möglichkeit, von Teilzeit- in Fulltimejobs zu | |
| wechseln. Mehr jedenfalls als die UnionsministerInnen. Das Publikum ist – | |
| auch das ist wie immer – an den sozialdemokratischen Erfolgen herzlich | |
| desinteressiert. | |
| Die Regierung liefert mehr (Franziska Giffey und Hubertus Heil) oder | |
| weniger (Andi Scheuer) gutes Handwerk ab. Aber ihr fehlt das überwölbende | |
| Dach und der gemeinsame Geist. Auch deshalb ist die Mängelliste sehr lang. | |
| Sie reicht [2][vom verzagten Klimapaket] über den Stillstand in der | |
| Agrarpolitik bis zu der diffusen Europapolitik und der gesichtslosen | |
| Außenpolitik. | |
| All das ließe sich in normalen Zeiten missmutig oder achselzuckend zur | |
| Kenntnis nehmen. Aber es ist nicht mehr so wie vor drei vier Jahren. Mit | |
| der Großen Koalition geht es zu Ende. Selbst wenn die Regierung die beiden | |
| Parteitage von CDU und SPD übersteht – sie ist ein Auslaufmodell. Wenn sie | |
| jetzt nicht endet, wird das in knapp zwei Jahren der Fall sein. Denn die | |
| beiden Volksparteien ruinieren sich gegenseitig. Sie sind sich bis zur | |
| Ununterscheidbarkeit ähnlich geworden. Deshalb gibt es nun die hektische | |
| Suche nach Identitätsmarkern, die Eigenständigkeit und Differenz betonen. | |
| Ein Thema wie [3][die Grundrente] (Volumen weniger als 2 Milliarden Euro) | |
| wird deshalb zum alles entscheidenden Symbol stilisiert. | |
| Früher hätte Angela Merkel all das am Ende irgendwie sanft gelöst. [4][Die | |
| SPD] hätte, ohne es an die große Glocke zu hängen, die Grundrente bekommen. | |
| Genau so hat ja die Sozialdemokratisierung der CDU funktioniert. Die Medien | |
| hätten die Weitsicht der Kanzlerin und CDU-Chefin gelobt. Doch Merkel ist | |
| Kanzlerin auf Abruf, und wer in der Union das Sagen haben wird, weiß | |
| niemand. | |
| Es kann sein, dass die Regierung diese Krise noch mal überlebt. Doch auch | |
| wenn es bei der Grundrente [5][am Ende einen notdürftigen Formelkompromiss | |
| gibt,] auch wenn Olaf Scholz SPD-Chef wird und Annegret Kramp-Karrenbauer | |
| CDU-Chefin bleibt – die Mitte ist müde. Die Regierung wird nur noch von | |
| Routine und der Angst vor Neuwahlen zusammengehalten. Ein rasches Ende wäre | |
| besser als das erwartbare Siechtum. | |
| 6 Nov 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
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