# taz.de -- CDU-Generalsekretär im taz-Interview: „Die AfD möchte uns zerst… | |
> CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak über den Umgang mit Rechten, AKK als | |
> Kanzlerin – und den Streit über die Grundrente. | |
Bild: „Alles Ethnische führt am Ende ins Unglück“, sagt Paul Ziemiak, hie… | |
taz am wochenende: Herr Ziemiak, es ist bald ein Jahr her, dass Sie | |
Generalsekretär der CDU wurden. Heute ist die CDU zerstrittener denn je. | |
Haben Sie das kommen sehen? | |
Paul Ziemiak: Die Union ist immer dann am stärksten, wenn wir geschlossen | |
auftreten. Das ist mein Appell an die gesamte Partei. Die Landtagswahlen | |
und die Umfragen zeigen, wir müssen besser werden. Die aktuellen Werte | |
werden unserem eigenen Anspruch nicht gerecht. | |
Das ist die Sozialdemokratisierung der CDU. | |
Die permanente Beschäftigung mit sich selbst ist einfach ein Fehler. Das | |
nervt die Bürger nur noch. Wenn man ständig über Personen anstatt über | |
Inhalte streitet, schadet das. Natürlich müssen wir als Volkspartei intern | |
diskutieren. Diese Diskussionen müssen aber konstruktiv sein und dazu | |
führen, dass wir Antworten auf die Zukunftsfragen des Landes geben. Allen | |
in der Partei muss klar sein, der Gegner steht links und rechts, aber | |
sicher nicht in der eigenen Truppe. | |
Schafft es Annegret Kramp-Karrenbauer noch von der Ersatzkanzlerin zur | |
Kanzlerin? | |
Annegret Kramp-Karrenbauer ist Parteivorsitzende und | |
Verteidigungsministerin. Sie hat selbst immer wieder deutlich gemacht, dass | |
sie den Prozess um die Kanzlerkandidatur von vorne führen möchte, wir einen | |
Zeitplan dafür haben und gemeinsam mit der CSU ein Verfahren abstimmen | |
werden. | |
Das heißt, nicht mal von Ihnen gibt es den geraden Satz: Ich möchte, dass | |
Annegret Kramp-Karrenbauer eines Tages Kanzlerin ist? | |
Ich bitte Sie! Dass der Generalsekretär der CDU hinter seiner | |
Parteivorsitzenden steht, ist doch eine Selbstverständlichkeit. Ich habe | |
eben ausgeführt, dass wir mehr Sach- und weniger Personaldebatten brauchen. | |
Da wäre es doch komisch, wenn ich dann im taz-Interview Personaldebatten | |
lostrete, statt über Inhalte zu sprechen. | |
Warum Personaldebatten? Früher war es das Normalste der CDU-Welt: Wer den | |
Vorsitz hat, soll auch ins Kanzleramt. | |
Die Aufgabe des Generalsekretärs ist es vor allem, die Partei inhaltlich zu | |
profilieren und organisatorisch so gut aufzustellen, dass sie die | |
Bundestagswahl gewinnen kann. Darüber sollten wir sprechen. | |
Wir würden gern mit Ihnen nach Thüringen schauen. Wird der CDU-Politiker | |
Mike Mohring dort Ministerpräsident von Höckes Gnaden? | |
Die CDU in Thüringen braucht von mir keine Ratschläge. Ich finde es | |
wichtig, dass wir uns nach links außen und rechts außen klar abgrenzen. Das | |
habe ich für die CDU in aller Deutlichkeit klar formuliert. | |
Seit dem Mauerfall sind 30 Jahre vergangen. Die Linkspartei ist nicht die | |
SED. | |
Erst SED, dann PDS, heute Die Linke. Die Geschichte und manche Ziele sind | |
geblieben. Ich bin in der Volksrepublik Polen geboren und kenne aus | |
familiärer Erzählung diese Typen, die es bei den Linken noch immer gibt. | |
Sie erkennen eine Partei nämlich auch daran, wen sie in ihren Reihen duldet | |
und was sie in ihr Wahlprogramm schreibt. Wenn ich da bei der Linken | |
reinschaue und wenn ich sehe, dass Teile dieser Partei vom | |
Verfassungsschutz beobachtet werden – dann sage ich aus Überzeugung: Nein. | |
Noch mal: Soll Mohring in Thüringen als Ministerpräsident kandidieren und | |
in Kauf nehmen, mit AfD-Stimmen zu gewinnen – ja oder nein? | |
Die AfD sät Hass und versucht, unser Land zu spalten. Von Abgeordneten | |
dieser Partei würde ich mich nicht wählen lassen. Und die CDU Thüringen hat | |
das auch klar ausgeschlossen. | |
Die AfD macht Ihrer Partei immer wieder Angebote und spricht von | |
„bürgerlichen Mehrheiten“. Welche Strategie steckt dahinter? | |
Zunächst: Die AfD ist keine bürgerliche Partei. Wer Nazis und Antisemiten | |
in seinen Reihen duldet, kann niemals bürgerlich sein. Die AfD möchte CDU | |
und CSU zerstören. Sie versucht unter dem Deckmantel des Konservativen, die | |
Art, wie wir zusammenleben, auszuhöhlen. Die CDU hat immer versucht, aus | |
der Mitte heraus gesellschaftliche Konflikte aufzulösen. Die AfD versucht | |
das Gegenteil: Sie macht Konflikte größer. Sie grenzt aus. Diese Partei | |
will eine andere Gesellschaft, einen anderen Staat. | |
In Hessen wurde Ihr Parteifreund Walter Lübcke ermordet, in Zwickau der | |
Baum zum Gedenken an die Opfer des NSU abgesägt, in Halle die Synagoge | |
angegriffen. Warum sieht man eigentlich keine CDU-Transparente auf den | |
Demos der Zivilgesellschaft gegen Rassismus? | |
Wie kommen Sie darauf? CDU-Mitglieder nehmen an ganz vielen Veranstaltungen | |
im ganzen Land teil. Denken Sie nur an unsere Aktionswoche „Von Schabbat zu | |
Schabbat“, die wir immer durchführen. Etwas anderes sind Veranstaltungen | |
wie Unteilbar. Das ist aber nicht die Zivilgesellschaft. Das sind | |
verschiedene Gruppen, Aktivisten, die auf die Straße gehen. Aber wenn dort | |
zum Beispiel keine Deutschlandfahnen erwünscht sind, kann ich persönlich | |
nichts damit anfangen. Zivilgesellschaftliches Engagement findet nicht nur | |
auf der Straße statt. Schauen Sie sich in Kirchengemeinden, Gewerkschaften | |
oder Sportvereinen um – da werden Sie sehr viele CDU-Mitglieder finden, die | |
sich mit viel Herz und Leidenschaft gegen Rassismus engagieren. | |
Ein breites Bündnis für einen Tag, in seiner ganzen Unterschiedlichkeit – | |
das ist doch das stärkste Zeichen gegen Rechtsextremismus. | |
Stimmt, aber trotzdem muss man sich entscheiden, mit wem zusammen man das | |
macht. Ich gehe zum Beispiel aus Prinzip nicht zu Veranstaltungen, wo | |
Gruppen mitlaufen, die sonst am 1. Mai Polizisten mit Steinen bewerfen. Da | |
hilft es auch nicht, dass diese auch gegen Rechtsextremismus sind. | |
Die Demos richten sich gegen Rassismus, Antisemitismus: Ziele, die Sie | |
teilen könnten. | |
Allein Ihre Formulierung: „Ziele, die Sie teilen könnten!“ Ihre | |
Unterstellung, dass dies infrage stehen könnte, weise ich mit Nachdruck | |
zurück. Auf dem Deutschlandtag der Jungen Union habe ich in meiner Rede als | |
Generalsekretär noch mal deutlich gemacht: Wenn Kinder ausgegrenzt werden | |
wegen ihres Vornamens oder ihrer Hautfarbe ist das so, als ob meine eigenen | |
Kinder ausgegrenzt würden. Das ist meine tiefe Überzeugung. Und | |
gleichzeitig werde ich auch in Zukunft nicht hinter Antifa-Fahnen | |
herlaufen. | |
Warum haben Sie Björn Höcke einen Nazi genannt? Das haben bisher doch eher | |
Linke gemacht. | |
Weil er ein Nazi ist und die AfD dorthin treibt, wo zuletzt die NPD stand. | |
Wenn Sie seine Einlassung zum Holocaustmahnmal nehmen oder dass wir unsere | |
Erinnerungskultur um 180 Grad wenden sollen: Was heißt denn das? Das genaue | |
Gegenteil von dem, was wir bisher gemacht haben, das Gegenteil von „Nie | |
wieder“. | |
Nennen Sie die AfD rassistisch? | |
Diese Partei greift auf ethnische Merkmale von Menschen zurück. Das ist | |
rassistisch. Ich bin deutscher Patriot, ich bin stolz auf dieses Land. Es | |
schmerzt mich persönlich, wenn Menschen damit nichts anfangen können. Aber | |
in der Frage, wer Deutscher ist, mache ich keine ethnische, genetische | |
Unterscheidung. Alles Ethnische führt am Ende ins Unglück. Wenn ein Mensch | |
mit einer Kippa angespuckt wird, dann hat das etwas mit uns allen zu tun. | |
Erst sind es die Juden, dann die Muslime, dann die Homosexuellen. Nie | |
wieder! | |
Herr Ziemiak, 2019 war bisher ein sehr erschöpfendes Jahr, für das ganze | |
Land. Was ist eigentlich kaputt in dieser Republik? | |
In der Tat: Dieses Jahr haben wir es in Deutschland nicht geschafft, mehr | |
über das Positive als über das Negative zu reden. Wir haben uns an vieles | |
gewöhnt, halten vieles für selbstverständlich. Sozialstaat, | |
Wirtschaftskraft, Freiheitsrechte, da sind wir ganz vorne dabei – aber mit | |
der Zufriedenheit sieht es nicht gut aus. | |
Vielleicht weil die Große Koalition nicht mal die Grundrente gebacken | |
kriegt. | |
Wir haben in unseren Koalitionsvertrag mit der SPD geschrieben, dass wir | |
die Grundrente wollen und wie sie auszusehen hat. So kann das sofort mit | |
uns gemacht werden. Wenn die SPD plötzlich keine Bedürftigkeitsprüfung mehr | |
will, halte ich das für ungerecht. | |
Es geht um Anerkennung von Lebensleistungen. Wenn Ostdeutsche mit ihren | |
gebrochenen Erwerbsbiografien sich nackig machen sollen wie bei einer | |
Hartz-IV-Überprüfung … | |
… was Sie da sagen, ist ein falsches Bild unseres Staates. Der ist doch | |
nicht der Gegner. | |
Also: Wer von Hartz IV lebt und sich für jede Waschmaschinenreparatur | |
ausfragen lassen muss, sieht das möglicherweise anders. | |
Das ist ein einseitiges Bild, das Sie da zeichnen: Sozialleistungen werden | |
von der Solidargemeinschaft finanziert. Da ist es legitim, von Menschen zu | |
verlangen, dass sie Auskunft geben, wenn sie eine zusätzliche Leistung | |
haben möchten. Das ist absolut zumutbar. | |
Allein der Begriff „Bedürftigkeitsprüfung“ steht dafür, die Grundrente a… | |
Stütze zu sehen und nicht als Rente für jahrzehntelange Leistung. Warum | |
verabschieden Sie sich nicht davon? | |
Weil es ungerecht wäre. Erklären Sie mal jemandem, der sein ganzes Leben | |
gearbeitet hat, warum der Nachbar, der Teilzeit gearbeitet und ein großes | |
Vermögen hat, das gleiche Geld bekommen soll. | |
Und wenn die SPD stur bleibt, platzt dann die Koalition? | |
Ich finde, wir haben eine Verantwortung für das Land übernommen. Wir müssen | |
Themen umsetzen und Kompromisse finden. Zumindest so lange, wie wir es | |
redlich vertreten können. | |
9 Nov 2019 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
Georg Löwisch | |
## TAGS | |
CDU | |
Große Koalition | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Grundrente | |
Schwerpunkt Landtagswahl Thüringen | |
Schwerpunkt Antifa | |
AKK | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Grundrente | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
GroKo | |
Grundrente | |
Schwerpunkt Landtagswahl Thüringen | |
CDU-Parteivorsitzende | |
CDU | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wahlerfolg der AfD in Thüringen: Nicht alle Klischees stimmen | |
In einer neuen Studie analysieren Experten den Erfolg der AfD bei den | |
Wahlen in Thüringen. Ihre Ergebnisse sind teils unerwartet. | |
CDU uneins über Grundrente: Vorhang zu und alle Fragen offen | |
Sind in der Union jetzt alle happy mit der Grundrente? Manche in der Partei | |
hätten das gern, stattdessen wird aber ein Showdown wahrscheinlicher. | |
Nazi-Vergangenheit von AfDler: Paul abgewählt, Paul tritt an | |
Der AfDler Joachim Paul ist als Ausschuss-Vorsitzender in Rheinland-Pfalz | |
abgewählt worden. Als Landesvorsitzender will er dennoch kandidieren. | |
Halbzeitbilanz der Groko: Die Mitte ist müde | |
Es kann sein, dass die Regierung diese Krise überlebt. Trotzdem wird sie | |
nur noch von Routine und der Angst vor Neuwahlen zusammengehalten. | |
Streit um die Grundrente: Kommt sie nun? | |
Der Streit zwischen Union und SPD über die Grundrente hält an. Wer will | |
hier was? Und warum fällt eine Einigung so schwer? Ein FAQ. | |
Nach dem CDU-Debakel in Thüringen: Frontaler Angriff auf Merkel | |
Friedrich Merz nörgelt mal wieder. Er fordert ein Ende der Kanzlerschaft | |
von Angela Merkel und nennt das Erscheinungsbild der GroKo | |
„grottenschlecht“. | |
Machtkampf in der CDU: Wo der Hammer hängt | |
Der Chef der Jungen Union stellt die Führungsfrage, Annegret | |
Kramp-Karrenbauer nimmt die Herausforderung an. Ist das klug? | |
Kommentar Neue CDU-Spitze: Das Bohren von Bierdeckeln | |
Mit der Wahl Ziemiaks als Generalsekretär zeigt sich AKK clever. Die | |
Verlierer verbreiten Verschwörungstheorien. Und Merz? Kneift. |