| # taz.de -- Große Bauernproteste auf AfD-Linie: Die dicksten Kartoffeln | |
| > Bald wollen so viele Bauern wie lange nicht demonstrieren. Angeblich | |
| > unabhängig, sind sie teils vom Bauernverband gesteuert – und AfD-nah. | |
| Bild: Wie meinen die das? Landwirte bei einer offiziellen Bauernverbandsdemo in… | |
| Berlin taz | Deutschland steht vor den wohl größten Bauernprotesten seit | |
| Jahrzehnten. Die dort vertretenen Forderungen sind so weit rechts, dass sie | |
| von der AfD als einziger Bundestagspartei unterstützt werden. Die angeblich | |
| unabhängigen Demonstrationen von Landwirten gegen Umweltauflagen am | |
| kommenden Dienstag werden zudem teils vom Bauernverband gesteuert. | |
| Deutschlands größte Umweltorganisation, der Naturschutzbund (Nabu), | |
| kritisierte den Aufruf zu den Kundgebungen in Bonn und anderen Städten | |
| scharf. Die Veranstalter rechnen allein in Bonn laut Polizei mit 8.000 bis | |
| 10.000 Teilnehmern und 700 Traktoren. | |
| Die Initiative „[1][Land schafft Verbindung]“ schreibt auf ihrer | |
| Internetseite: „Wir organisieren uns selbst, wir stehen unter keinem | |
| Verband, keiner Organisation, keiner Institution. Wir sind einfach | |
| Landwirte“. Auf derselben Seite hieß es noch Anfang der Woche, im etwa | |
| achtköpfigen Veranstalterteam seien [2][Sönke Hauschild] und Andre | |
| Brunemund „beratend dabei“. Hauschild ist Referent des Bauernverbands | |
| Schleswig-Holsteins, Brunemund leitet [3][eine Imagekampagne] von elf | |
| niedersächsischen Kreisverbänden der Lobbyorganisation. | |
| Thomas Andresen vom [4][Öffentlichkeitsausschuss] des | |
| schleswig-holsteinischen Bauernverbands arbeitet immer noch im Orga-Team. | |
| Untergliederungen des Deutschen Bauernverbands organisieren Busfahrten zu | |
| der Veranstaltung. In einem internen Internet-Chat der Demo-Initiative, | |
| dessen Protokoll der taz vorliegt, schreibt Klaus-Peter Lucht, | |
| Vizepräsident des schleswig-holsteinischen Landesverbands, „der | |
| Bauernverband unterstützt diese Aktion schon die ganze Zeit“. | |
| Der Anschein der Unabhängigkeit ist wichtig für die Bewegung, weil sie ihre | |
| Glaubwürdigkeit erhöht. Sie suggeriert: Hier werden nicht seit Jahrzehnten | |
| politisch festgelegte Funktionäre demonstrieren, sondern „Landwirte, die | |
| ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen wollen“, wie die Initiative | |
| schreibt, die von den Bauernprotesten in den Niederlanden inspiriert ist | |
| und sich im Internet formiert hat. Damit hat die gleichnamige | |
| [5][Facebook-Gruppe] in rund 2 Wochen mehr als 14.000 Mitglieder gewonnen. | |
| ## Für Pestizide in Naturschutzgebieten | |
| Inhaltlich liegt die Initiative mit dem Bauernverband aber auf einer Linie: | |
| Beide lehnen das [6][„Agrarpaket“ der Bundesregierung] ab. Demnach will das | |
| Kabinett den unter Krebsverdacht stehenden Unkrautvernichter Glyphosat ab | |
| 2024 ganz und alle Unkrautkiller sowie besonders schädliche Insektengifte | |
| in den meisten Naturschutzgebieten bereits vorher verbieten – vor allem, um | |
| das Insektensterben zu reduzieren. Zudem sollen mehr Agrarsubventionen, die | |
| bisher vor allem für den Besitz von Fläche gezahlt werden, etwa | |
| Umweltprojekte von Landwirten finanzieren. „Das Agrarpaket [7][gefährdet | |
| bäuerliche Familienbetriebe]“, teilt die Initiative mit. Denn weniger | |
| Pestizide und Flächenzahlungen bedeuteten wirtschaftliche Verluste. | |
| Das Bundesagrarministerium antwortet auf solche Vorwürfe, dass es bei den | |
| Pestizidverboten nur um bestimmte Ackergifte und [8][158.000 Hektar Acker] | |
| gehe – also 0,9 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in | |
| Deutschland. Dazu kämen 1,1 Millionen Hektar Wiesen (6 Prozent der | |
| Agrarfläche), auf denen aber auch jetzt schon wenig Unkrautvernichter und | |
| kaum Insektengifte eingesetzt würden. Es werde auch „zur Bewirtschaftung | |
| notwendige Ausnahmen“ geben. Die pro Fläche berechneten Direktzahlungen | |
| würden nur um [9][4,50 Euro je Hektar] gemindert – bei einer Gesamthöhe von | |
| in der Regel mehreren hundert Euro. | |
| Außerdem wenden sich die Demo-Initiatoren gegen die geplante Verschärfung | |
| der Düngeverordnung. Die Pflanzen bekämen dann zu wenig Nährstoffe. Darauf | |
| entgegnet das Agrarministerium, dass das Grundwasser an etlichen Stellen | |
| zu stark mit potenziell gesundheitschädlichem Nitrat belastet sei. Der | |
| Stoff komme auch aus Düngern. Deutschland müsse die Belastung verringern, | |
| weil es sonst eine Strafe wegen jahrelanger Verstöße gegen die | |
| EU-Nitratrichtlinie zahlen müsse. | |
| Die Demoveranstalter kritisieren auch „die permanente negative | |
| Stimmungsmache, das Bauernbashing“ durch Politik und | |
| Nichtregierungsorganisationen. Das sieht Olaf Tschimpke, Präsident des | |
| Naturschutzbunds, anders: Die Landwirte müssten sich dieser | |
| Auseinandersetzung stellen, weil viele vor Problemen wie dem Beitrag der | |
| Landwirtschaft zum Insektensterben oder zur Nitratbelastung die Augen | |
| verschlössen, sagt er zur taz: „Wenn die Landwirte an Lösungen arbeiten, | |
| werden sie auch ein positiver Teil der Gesellschaft.“ | |
| Einig mit Umweltschützern sind sich die Demo-Leute nur in einem Punkt: | |
| Beide kämpfen gegen das geplante Handelsabkommen der EU mit den | |
| südamerikanischen Mercosur-Staaten, das Rindfleischimporte etwa aus | |
| Brasilien erhöhen könnte. | |
| ## Pressesprecher ist ehemaliger AfD-Politiker | |
| Als einzige im Bundestag vertretene Partei unterschreibt all das zusammen | |
| nur die AfD, die sich bereits Ende September mit Bauernprotesten gegen das | |
| Agrarpaket solidarisierte. Damit könnte der Konflikt die politischen | |
| Kräfteverhältnisse in der Landwirtschaft verschieben: Bisher waren die | |
| Bauern stets im Lager von CDU und CSU, die nun aber das Agrarpaket | |
| mittragen. Auch Walter Peters, den die Demo-Organisatoren der taz als | |
| Ansprechpartner nennen, war bis Mitte 2015 Kommunalpolitiker der | |
| rechtsradikalen Partei. Damals ist er ausgetreten, aber zumindest in Sachen | |
| Umwelt redet er genauso wie die heutige AfD. Peters stellt im Gespräch mit | |
| der taz den Bauernprotest als Teil eines Aufstands gegen Umweltschutz auch | |
| in anderen Branchen wie der Autoindustrie oder der Energiewirtschaft. Er | |
| beklagt, wie der Mittelstand, zu dem die Bauern gehörten, „nach und nach | |
| wegreglementiert wird und mit immer mehr Bürokratie und Auflagen versehen | |
| wird ohne Sinn und Verstand, aus rein politischen ideologischen Gründen“. | |
| Auch Peters’ Haltung zum Klimawandel ist immer noch AfD-kompatibel: Die | |
| Menschen hätten „nicht viel Einfluss“ auf den Klimawandel, sagt Peters der | |
| taz – und widerspricht damit fast allen über das Thema publizierenden | |
| Wissenschaftlern. Dass auch Bauernverbands-Funktionäre die Demo | |
| mitorganisieren, ist für ihn kein Problem. | |
| Ein Problem haben die Organisatoren jedoch mit dem Bundesverband Deutscher | |
| Milchviehhalter. Als dieser in [10][einer Pressemitteilung] auf die Demo | |
| hinwies, forderten Organisatoren in harschen YouTube-Videos, dass die | |
| Gruppe ihr Statement zurückzieht. Schließlich sollten sich keine Verbände | |
| beteiligen. Anders als die Demo-Initiatoren hat der Milchviehhalter-Verband | |
| „die Notwendigkeit deutlicher Veränderungen“ in der Landwirtschaft | |
| anerkannt. Er verlangte auch, „die wettbewerbsschädliche Marktübermacht der | |
| Abnehmer unserer Produkte einzudämmen, um Preise für unsere Produkte | |
| erzielen zu können, die ihrer hohen Wertigkeit entsprechen“. | |
| ## „Faire Preise“ wollen sie nicht fordern | |
| Davon wollen die Demo-Organisatoren nichts wissen. In einem Chat gaben sie | |
| die Regel aus: „Keine Plakate mit gerechten Preisen usw. …“ Auch von den | |
| Forderungen der ökologisch orientierten Arbeitsgemeinschaft bäuerliche | |
| Landwirtschaft sind die Veranstalter weit entfernt. [11][Die AbL] will, | |
| dass die Agrarsubventionen nicht für jeden Hektar gleich ausgezahlt werden, | |
| sondern an soziale und ökologische Kriterien gebunden werden. Diese Punkte | |
| fehlen in den [12][Druckvorlagen für Schilder], die die Organisatoren ins | |
| Internet gestellt haben. | |
| Wie im AfD-Milieu ist auch bei den Demo-Veranstaltern das Misstrauen | |
| gegenüber „den Medien“ und Umweltschützern groß. In einem [13][offiziell… | |
| Verhaltenskodex] verlangt die Gruppe von den Teilnehmern: „Nehmt nicht an | |
| Diskussionen mit Aktivisten teil“ und: „Verweist die Medien so weit wie | |
| möglich an die sichtbaren und ernannten Personen (Pressesprecher) der | |
| Organisation.“ | |
| ## Naturschutzbund: „Keine Lösungsvorschläge“ | |
| Nabu-Präsident Olaf Tschimpke hat für die Proteste wenig übrig. „Die kommen | |
| ja nicht mit Lösungsvorschlägen. Sie klagen immer nur, sagen aber nicht, | |
| wie sie aus dem Konflikt mit dem Natur-, Wasser- und Klimaschutz | |
| herauskommen wollen.“ Der Nabu dagegen habe zum Beispiel einen | |
| EU-Naturschutzfonds gefordert, der die Leistungen der Bauern für den | |
| Naturschutz honorieren solle. Das hätten der Bauernverband und mit ihm | |
| verbündete Politiker aber abgelehnt. „Wir haben kein Interesse am | |
| Bauernsterben, weil wir die Landwirte brauchen“, so Tschimpke. Aber die | |
| Bauern könnten nicht erwarten, dass ihre Umweltsünden die Gesellschaft | |
| weiter belasten. | |
| 17 Oct 2019 | |
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| [11] https://www.abl-ev.de/apendix/news/details/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=2729&am… | |
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