# taz.de -- Bauern schüchtern Journalisten ein: Mit Mist vor der Haustür | |
> Manche Landwirte gehen immer aggressiver gegen Medien vor. Nun belagerten | |
> sie unter anderem das Haus eines Journalisten. | |
Bild: Kundgebung der Bauerninitiative „Land schafft Verbindung“ in Hannover… | |
Bauern haben einen Zeitungsjournalisten und eine Kommunalpolitikerin in | |
Niedersachsen mit Protesten vor deren Privathäusern bedrängt. Zudem | |
forderten Landwirte in einer Petition, eine ihnen nicht genehme Redakteurin | |
aus der Agrarredaktion des Bayerischen Rundfunks zu entfernen. In allen | |
drei Fällen ging es um Äußerungen der Betroffenen zur | |
[1][Landwirtschaftspolitik]. | |
Am vergangenen Sonntag zogen etwa 20 Bauern vor das Haus eines Redakteurs | |
der [2][Braunschweiger Zeitung], wie das Blatt selbst und das | |
Internetportal [3][Regional Braunschweig] berichten. Demnach fuhren die | |
Landwirte mit einer Schubkarre voller Mist vor. Sie hätten dem Journalisten | |
vorgeworfen, er habe „polemisch und fachlich sehr mangelhaft“ über die | |
Bauern geschrieben, hieß es in der Zeitung. Auf dem Fußweg vor seiner | |
Einfahrt hätten sie Tische und Bierbänke aufgebaut. | |
Selbst als der Journalist zum Sonntagsdienst in die Redaktion musste, | |
blieben sie sitzen. „Die Familie des Kollegen empfindet die Lage zunehmend | |
als bedrohlich, wie eine Belagerung“, schrieb das Blatt. | |
Eine ähnliche Aktion fand gleichzeitig vor dem Privathaus einer | |
Kommunalpolitikerin der Grünen im Landkreis Wolfenbüttel statt, die in | |
einer Pressemitteilung [4][Proteste der Bauern gegen Umweltauflagen] | |
kritisiert hatte. Das berichteten Medien und der Gemeindeverband Cremlingen | |
der Partei. | |
## Chefredakteur: „Grenze überschritten“ | |
„Das Eindringen in das Privatleben eines Journalisten werden wir nicht | |
hinnehmen“, erklärte der Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung, Armin | |
Maus, in einem Artikel. „Hier ist eine Grenze überschritten worden, die | |
verteidigt werden muss.“ | |
Abgesehen davon gehe der von den Bauern monierte Meinungstext des | |
Redakteurs fair mit den Bauern um. Tatsächlich hieß es in dem Kommentar zu | |
den Demonstrationen Tausender Bauern in mehreren Großstädten Ende Oktober: | |
„Man kann das sehr gut verstehen, dass die Landwirte auf die Barrikaden | |
gehen.“ Er riet ihnen aber auch: „Nicht nur klagen über Verbote und | |
Verluste, sondern Lösungsvorschläge machen.“ Die Bauern seien nicht allein | |
schuld an Umweltproblemen wie dem Insektensterben, der Verschmutzung | |
des Grundwassers und dem Klimawandel, „aber unbeteiligt eben auch nicht“. | |
Auch die agrarpolitischen Sprecher von CDU, SPD, Grünen und FDP im | |
niedersächsischen Landtag verurteilten die Aktion als „eine schwere | |
Verletzung der Privatsphäre“: „Öffentliche Diskussionen müssen im | |
öffentlichen Raum stattfinden.“ | |
Verantwortlich für die ungebetenen Hausbesuche war einem Flugblatt zufolge | |
die Gruppe „3 vor 12“, die sich an den Demonstrationen beteiligt hatte. | |
Eine Bitte der taz um Stellungnahme ließ die Gruppe unbeantwortet. | |
## Petition gegen Redakteurin | |
Wie aggressiv manche Landwirte mittlerweile gegen Journalisten vorgehen, | |
zeigt auch der Protest gegen Christine Schneider, Agrarredakteurin des | |
Bayerischen Rundfunks. Sie gab am Abend nach den Demonstrationen der | |
BR-Fernsehnachrichtensendung „Rundschau“ ein Experteninterview. Darin sagte | |
sie nach eigenen Angaben, dass die Landwirte 5 Milliarden Euro | |
EU-Agrarsubventionen pro Jahr bekämen und deshalb die Gesellschaft mitreden | |
dürfe, wie sie arbeiteten. „Davor liefen zwei Beiträge, die ausführlich die | |
Meinung der Landwirte abbildeten“, so Schneider zur taz. | |
Kurz nach dem Interview erschien auf dem Internetportal change.org [5][die | |
Petition] „Absetzung von Christine Schneider im BR als Mitglied der | |
Landwirtschaftsredaktion“. „Wenn nicht mehr neutral geurteilt wird, dann | |
bitte verlassen Sie die öffentlichen Medien“, hieß es in dem Text, dem sich | |
ungefähr 5.000 Menschen anschlossen. | |
Zwar distanzierte sich der Bayerische Bauernverband von der Petition. Er | |
beschwerte sich aber auch über Schneider beim BR. | |
Der Informationsdirektor des Senders, Thomas Hinrichs, teilte mit, die | |
Forderung nach Absetzung der Journalistin „ist mit der Pressefreiheit nicht | |
vereinbar“. Kritische Diskussionen über das Programm seien wichtig. Die | |
Forderung, „eine kritische BR-Journalistin mundtot zu machen“, gehe aber zu | |
weit. | |
Erfolg scheinen die Bauern mit ihrer aggressiven Taktik gegen Journalisten | |
bisher nicht zu haben. Die Braunschweiger Zeitung titelte, dass die | |
Landwirte durch den Hausbesuch „ihren Kredit verspielen“. Der BR setzte als | |
Reaktion auf die Kritik zwar eine Sondersendung zur Lage der Landwirtschaft | |
an. Er lud dazu als Vertreter der Landwirte den Bauernverband und die | |
ökologisch orientierte Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft – aber | |
nicht die Organisatoren der Demonstrationen Ende Oktober. | |
14 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] /!t5007831/ | |
[2] https://www.braunschweiger-zeitung.de/mitreden/kommentare/article227624453/… | |
[3] https://regionalbraunschweig.de/die-goldene-mistkarre-neuer-comedy-preis-de… | |
[4] /Grosse-Bauernproteste-auf-AfD-Linie/!5633870 | |
[5] https://www.change.org/p/br-medienrat-absetzung-von-christine-schneider-im-… | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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