| # taz.de -- Ein Jahr DSGVO: Vorbild trotz Mängeln | |
| > Am Samstag wird sie ein Jahr alt, die Datenschutz-Grundverordnung. Vor | |
| > einem Jahr war der Aufschrei groß. Und nun? Eine Bilanz. | |
| Bild: Bei den Punkten künstliche Intelligenz und Big Data gibt es Lücken in d… | |
| Die Pros | |
| ## Mehr Schutz | |
| Welche Kundendaten werden erhoben, wo ist was gespeichert und wer kann | |
| darauf zugreifen? „Viele Unternehmen haben einen großen | |
| Datenschutz-Frühjahrsputz gemacht“, sagt Ralf Bendrath. Er arbeitet für die | |
| Grünen im Europaparlament und war damals maßgeblich an der Entstehung der | |
| Datenschutz-Grundverordnung beteiligt. Er sagt: Viele Unternehmen hätten | |
| ihren Datenfundus nun genau unter die Lupe genommen. Und dabei nicht nur | |
| eine Bestandsaufnahme gemacht darüber, über welche persönlichen Daten sie | |
| eigentlich verfügen und wer darauf Zugriff hat beispielsweise. Sondern | |
| auch, ob das ein oder andere nicht verzichtbar ist. | |
| Auch Marit Hansen, Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, sagt: | |
| „Wir haben jetzt ein erheblich höheres Niveau an Datenschutz.“ Das sei vor | |
| allem bei kleineren und mittleren Unternehmen zu merken. Viele von ihnen | |
| hätten sich nun so aufgestellt, dass sie schon früh erkennen würden, wenn | |
| etwas schiefläuft. | |
| ## Teurer für die Großen | |
| [1][50 Millionen Euro Strafe für Google] – was die französische | |
| Datenschutzbehörde in diesem Januar entschied, ist Rekord. Nie zuvor gab es | |
| in Europa eine derart hohe Strafe wegen Datenschutzverletzungen. „Das wäre | |
| früher auch nicht möglich gewesen“, sagt Florian Glatzner vom | |
| Verbraucherzentrale Bundesverband. Dass es zu dieser Entscheidung kam, | |
| gegen die Google sofort Widerspruch einlegte, liegt nicht nur daran, dass | |
| die Datenschutz-Grundverordnung ordentliche Strafrahmen vorsieht – in | |
| diesem Fall wären sogar eine Strafe im Milliardenbereich möglich gewesen. | |
| Sondern auch, dass Verbände Klagerechte bekommen haben. So basiert die | |
| Entscheidung der französischen Datenschützer auf Beschwerden der Vereine | |
| noyb – kurz für none of your business –, gegründet von dem | |
| Facebook-Widersacher Max Schrems und der französischen NGO La Quadrature | |
| du Net. | |
| Die Strafe gegen Google ist zwar die bislang höchste, aber nicht die | |
| einzige richtig hohe: So verhängten beispielsweise Portugals Datenschützer | |
| eine Geldbuße von 400.000 Euro gegen ein Krankenhaus, in dem auch | |
| nichtmedizinisches Personal auf Patientendaten zugreifen konnte. Auch wenn | |
| es bei echten Verstößen also durchaus teuer werden kann – die befürchtete | |
| Abmahnwelle für Blogger:innen und kleine Vereine ist ausgeblieben. | |
| ## Zum Vorbild geworden | |
| „Ich bin ein großer Fan der DSGVO.“ Na, wer hat das gesagt? Nein, kein:e | |
| Datenschützer:in, Tim Cook war es. Chef von Apple und damit an der Spitze | |
| eines der nach Börsennotierung wertvollsten Unternehmen der Welt. Und | |
| Facebook-Chef Mark Zuckerberg forderte im März weltweit einheitliche Regeln | |
| nach dem Vorbild der Datenschutz-Grundverordnung. Beide Unternehmen haben | |
| natürlich ihre ganz eigenen Interessen in diesem Zusammenhang, und ob und | |
| wenn ja wie gut Facebook in zwei oder fünf Jahren tatsächlich die | |
| Privatsphäre schützen wird, das weiß vermutlich nicht einmal Zuckerberg | |
| selber. Doch was dahintersteht, sind zwei gute Nachrichten. Erstens: | |
| Datenschutz wird jetzt ernst genommen. Er ist kein Steckenpferd mehr für | |
| Leute, die zu viel Zeit und unternehmerisch keine Ahnung haben. Sondern | |
| etwas, das Märkte beeinflusst. | |
| Die zweite gute Nachricht: Andere nehmen sich ein Beispiel an der | |
| Datenschutz-Grundverordnung. Zu sehen ist das zum Beispiel bei Kaliforniens | |
| Consumer Privacy Act, der im kommenden Jahr in Kraft treten soll. Starker | |
| Datenschutz wird damit immer mehr zu etwas, das positiv besetzt ist. | |
| Möglicherweise aus der Not heraus, weil auch große IT-Konzerne aus den USA | |
| erkannt haben, dass sie an der hiesigen Gesetzgebung nicht ganz | |
| vorbeikommen – und dass Privatsphäre ja auch Verkaufsargument sein kann. | |
| Und das ist fast schon eine dritte gute Nachricht. | |
| Die Contras | |
| ## Keine Waffengleichheit | |
| Zum Beispiel Microsoft. Der Konzern beschäftigt weltweit mehr als 140.000 | |
| Mitarbeiter:innen. Eine deutsche Datenschutzaufsichtsbehörde kann da nicht | |
| annähernd mithalten. „Die Aufsichtsbehörden haben aktuell gar nicht die | |
| Ressourcen, um Microsoft-Produkte zu prüfen“, sagt Benjamin Bergemann vom | |
| Verein Digitale Gesellschaft. Die Folge: Sie beschränken sich auf einfach | |
| festzustellende Verstöße. Zum Beispiel, wenn Datenschutzbedingungen nicht | |
| transparent genug formuliert sind. „Das strukturelle Problem der | |
| massenhaften Datenverarbeitung wird nicht angegangen“, sagt Bergemann. | |
| Dabei gäbe die Verordnung das her. So schreibt beispielsweise Artikel 5 den | |
| Grundsatz der Datensparsamkeit vor. Wer Daten sammelt und verarbeitet, muss | |
| sich auf das „notwendige Maß“ beschränken. | |
| Auch Ralf Bendrath, der als Mitarbeiter des damaligen EU-Abgeordneten und | |
| Berichterstatters Jan Philipp Albrecht maßgeblich an den Verhandlungen zu | |
| der Datenschutzgrundverordnung beteiligt war, sagt: „Das richtig harte | |
| Durchgreifen gegen Google, Facebook und Co, also die Großen mit | |
| Gewinnerzielungsabsicht, das müssen die Behörden noch umsetzen.“ Die | |
| Schleswig-Holsteinische Datenschutzbeauftragte Marit Hansen fordert | |
| Möglichkeiten, mehr Tempo zu machen. Denn derzeit könnten von einem | |
| Bußgeldbescheid bis zu einem Urteil in letzter Instanz locker zehn Jahre | |
| vergehen. „Wir brauchen einen Fast Track, einen schnelleren Weg, damit wir | |
| zu einer rascheren gerichtlichen Entscheidung kommen.“ | |
| ## Zu wenig Science Fiction | |
| Eine Versicherung, die Algorithmen über die Beitragshöhe entscheiden lässt. | |
| Eine künstliche Intelligenz, die bestimmt, wer an einem Flughafen wie | |
| intensiv kontrolliert wird. Dutzende vernetzte Alltagsgeräte von Heizung | |
| bis Garagentor, die reihenweise persönliche Daten sammeln, aus denen die | |
| Unternehmen Profile erstellen. Das sind einige der großen Themen der | |
| Zukunft – und gleichzeitig Themen, bei denen die | |
| Datenschutz-Grundverordnung eher still ist. | |
| So kommt ein Gutachten von Peter Schaar und Alexander Dix, beides | |
| ehemalige Datenschutzbeauftragte, der eine für den Bund, der andere für | |
| Berlin, zu dem Schluss: Bei den Punkten künstliche Intelligenz, Big Data, | |
| Profiling und automatische Entscheidungsfindung gibt es Lücken. Zum | |
| Beispiel haben Verbraucher:innen das Recht, eine menschliche Intervention | |
| zu verlangen, wenn ein Algorithmus Entscheidungen über sie fällt. Das gilt | |
| aber nicht, wenn eine Entscheidung algorithmengestützt fällt, also der | |
| Computer ein Ergebnis ausspuckt, das ein Mensch dann nur noch abnickt. | |
| „Wir dürfen nicht zulassen, dass intransparente Algorithmen und | |
| automatisierte Entscheidungsprozesse über Kreditvergabe und andere wichtige | |
| Fragen in unser aller Alltagsleben entscheiden und Menschen in eine Art | |
| digitales Kastenwesen einsortiert werden“, sagt Konstantin von Notz, | |
| stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen. Auch die beiden Autoren | |
| fordern: Hier muss der EU-Gesetzgeber in den kommenden Jahren nachbessern. | |
| Sonst ist die Technik wieder ganz schnell weiter als die Rechte der | |
| Nutzer:innen. | |
| 22 May 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Umsetzung-Datenschutzgrundverordnung/!5564168 | |
| ## AUTOREN | |
| Svenja Bergt | |
| ## TAGS | |
| DSGVO | |
| Datenschutz | |
| Big Data | |
| Schwerpunkt Überwachung | |
| Internet | |
| Wochenkommentar | |
| Freie Universität Berlin | |
| Datenschutzbeauftragte | |
| Datenschutzgrundverordnung | |
| Mobilfunkanbieter | |
| Datenschutzgrundverordnung | |
| Schwerpunkt Meta | |
| Datenschutz | |
| EuGH | |
| DSGVO | |
| Schwerpunkt Meta | |
| Apple | |
| Schwerpunkt Meta | |
| DSGVO | |
| Schwerpunkt Meta | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Datenschutz bei Videokonferenzen: Da wird lieber weggeschaut | |
| Die FU Berlin ignoriert ihr Datenschutzproblem mit dem Konferenztool Cisco | |
| Webex. Das wird übrigens auch vom Bundestag genutzt. Ein Wochenkommentar. | |
| Datenschutz im öffentlichen Dienst: „Es braucht eine kleine Revolution“ | |
| Die FU Berlin nutzt ein Videokonferenzsystem, das nicht datenschutzkonform | |
| ist. Das Problem betrifft nicht nur die Uni, sagt Tobias Schulze (Linke). | |
| Mangelhafter Datenschutz an Uni: Videokonferenz als Datenkrake | |
| Die Freie Universität Berlin arbeitet mit einem Videokonferenzsystem, | |
| dessen Nutzung rechtswidrig ist. Die Uni weiß das, informiert darüber ab | |
| nicht. | |
| Umsetzung von DSGVO: Unternehmen hadern mit Datenschutz | |
| Nur jedes fünfte Unternehmen hat die Datenschutz-Grundverordnung | |
| vollständig umgesetzt. Firmen sehen die DSGVO nach wie vor kritisch. | |
| Nachhaltiger Mobilfunkanbieter: Guten Gewissens quatschen | |
| Kann sich ein Mobilfunkunternehmen nachhaltig aufstellen? Ein Freiburger | |
| Start-up will es versuchen. | |
| Zwei Jahre DSGVO: Irland soll Daten besser schützen | |
| Die EU-Datenschutzgrundverordnung ist zwei Jahre in Kraft. Deutschland ist | |
| vorbildlich, Irland und Luxemburg sind laut Kommission Sorgenkinder. | |
| Facebook und Überwachung: Mal die Systemfrage stellen | |
| Der Österreicher Max Schrems will sein Recht auf Privatsphäre gegen | |
| Facebook durchsetzen. Der Europäische Gerichtshof hat sich nun damit | |
| befasst. | |
| Forschung mit Patientendaten: Widerspruch ist nicht vorgesehen | |
| Das „Digitale-Versorgung-Gesetz“ weicht den Datenschutz für | |
| Krankenversicherte auf. Krankenkassen sollen Daten zur Verfügung stellen. | |
| Urteil des EuGH zu Internet-Cookies: Jedes Häkchen selber machen | |
| Internetnutzer müssen der digitalen Verfolgung aktiv zustimmen, urteilt der | |
| EuGH. Warum das in Deutschland aber vielleicht nicht zutrifft. | |
| Verwaltungsverfahren gegen Google: Kleiner Sieg für den Datenschutz | |
| Zur Verbesserung seiner Spracherkennung lässt Google Mitarbeiter*innen | |
| Aufnahmen anhören. Damit ist jetzt vorerst Schluss. | |
| Datenschutz und FaceApp: Immer mitten in die Fresse rein | |
| Nebensache Datenschutz: Die App zur Modifikation von Gesichtern, FaceApp, | |
| wird in den USA als Sicherheitsrisiko angesehen – weil sie aus Russland | |
| ist. | |
| Apple beerdigt iTunes: Ein i, sie zu knechten | |
| Nach 18 Jahren beendet der Konzern den Usability-Alptraum iTunes. Um | |
| Nutzer*innen geht es dabei aber nur am Rande. | |
| Konzern hat Geld zurückgelegt: Facebook erwartet Strafe | |
| Der US-Konzern rechnet damit, bis zu 5 Milliarden US-Dollar zahlen zu | |
| müssen. Die Anleger reagieren entspannt – denn das Netzwerk wächst. | |
| Datenschutz-Grundverordnung: DSGVO ist in Kraft – und nun? | |
| Vor zehn Monaten trat die Datenschutz-Grundverordnung in Kraft. Doch | |
| VerbraucherInnen fühlen sich wenig informiert. | |
| Datenschutz: Facebook-Skandal – die nächste | |
| Es vergeht kaum eine Woche, an dem das Online-Netzwerk nicht in die | |
| Schlagzeilen gerät. Offenbar fehlt die Kontrolle über jeglichen Datenfluss |