# taz.de -- Forschung mit Patientendaten: Widerspruch ist nicht vorgesehen | |
> Das „Digitale-Versorgung-Gesetz“ weicht den Datenschutz für | |
> Krankenversicherte auf. Krankenkassen sollen Daten zur Verfügung stellen. | |
Bild: Die PatientInnen sollen nach Spahns Plänen auf allen Ebenen durchleuchte… | |
BERLIN taz | Um das Gesundheitssystem in Deutschland zu digitalisieren, | |
stimmt Donnerstag und Freitag der Bundestag über das sogenannte | |
Digitale-Versorgung-Gesetz ab. Eines der wichtigsten Vorhaben ist die | |
Einführung einer sogenannten Forschungsdatenbank: Die Krankenkassen senden | |
die Daten der 73 Millionen in Deutschland gesetzlich Versicherten an den | |
Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der diese dann pseudonymisiert an | |
ein Forschungsdatenzentrum weiterleitet. Weitere Maßnahmen des Pakets sind | |
digitale Hausbesuche durch Ärzte sowie Gesundheitsapps auf Rezept. | |
Federführend für das neue Gesetz ist das Gesundheitsministerium. Die | |
Datenbank soll sicherstellen, dass die Forschung schneller und | |
unkomplizierter auf die Gesundheitsdaten gesetzlich Versicherter zugreifen | |
kann. Das große Problem dabei: Pflichtversicherte können der Weitergabe und | |
Nutzung ihrer Daten nicht widersprechen. Und die sind hochsensibel: | |
Bisherige Behandlungen, Geschlecht und Alter oder Diagnosedaten von | |
Krankheiten aus dem ICD-Katalog der Weltgesundheitsorganisation. | |
Hinzu kommen die [1][Patientendaten aus der ärztlichen Versorgung] und die | |
Abrechnungsdaten der Ärzte, Krankenhäuser und Apotheker. Die Gefahr ist | |
gegeben, dass „Krankenkassen Gruppen von Versicherten bilden und sich | |
stärker einmischen, wie Ärzte behandeln sollen, um Geld zu sparen“, | |
kritisiert Elke Steven vom Verein Digitale Gesellschaft. Zudem werden die | |
Daten von Privatversicherten nicht erhoben, die künftig einen besseren | |
Gesundheitsdatenschutz genießen. | |
Datenschützer schlagen Alarm beim geplanten Gesetz, weil damit einer | |
„zentralen Massenspeicherung [2][sensibler Gesundheitsdaten] der Weg | |
geebnet werde“, sagt Jan Kuhlmann vom Verein Patientenrechte und | |
Datenschutz. Hochproblematisch ist es ebenfalls, dass Pflichtversicherte | |
der Nutzung ihrer Gesundheitsdaten nicht widersprechen können. | |
Eigentlich würde die Datenschutzgrundverordnung eine Nutzung der sensiblen | |
Gesundheitsdaten verhindern, der Artikel 23 erlaubt jedoch Ausnahmen, die | |
der Gesetzentwurf nutzt. Ein weiterer Kritikpunkt ist die mangelnde | |
Verschlüsselung der Daten, die nur pseudonymisiert, aber nicht anonymisiert | |
in der Forschungsdatenbank gesammelt werden. In anderen Bereichen, wie dem | |
Kreditkartenwesen, konnten in den letzten Jahren pseudonymisierte Daten | |
Einzelpersonen zugeordnet werden. Auch der Bundesrat warnte in einer | |
Stellungnahme vor erheblichen Risiken „für die Persönlichkeitsrechte der | |
Versicherten“ und dem Erstellen „individueller Gesundheitsprofile“. | |
Am Donnerstag und Freitag wird über das Gesetz im Bundestag abgestimmt. | |
Anschließend geht der Entwurf erneut an den Bundesrat. Sollte der Bundestag | |
zuvor zugestimmt haben, wäre das dann aber nur noch eine Formsache. Wird | |
das Gesetz angenommen, tritt es in Teilen schon am ersten Januar 2020 in | |
Kraft. | |
6 Nov 2019 | |
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[1] /Digitale-Gesundheitsakte/!5562677 | |
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## AUTOREN | |
Denis Giessler | |
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