# taz.de -- Nachhaltiger Mobilfunkanbieter: Guten Gewissens quatschen | |
> Kann sich ein Mobilfunkunternehmen nachhaltig aufstellen? Ein Freiburger | |
> Start-up will es versuchen. | |
Bild: Fair telefonieren und dabei Klima und die eigenen Daten schützen? Das St… | |
FREIBURG taz | Zweieinhalb Jahre haben die drei Gründer*innen aus Freiburg | |
für die Umsetzung gebraucht, jetzt ist WEtell startklar. Seit Juli läuft | |
die Testphase, und jetzt wagt sich das Unternehmen mit offensivem Marketing | |
in die Öffentlichkeit – als „erster nachhaltiger Mobilfunkanbieter“. Ziel | |
sei es, „Klimaschutz, Datenschutz und Fairness zu vereinen und so eine | |
Lücke in der Mobilfunklandschaft in Deutschland zu schließen“, sagt Alma | |
Spribille, die von Anfang an dabei ist. Dieses Konzept gebe es bislang noch | |
nirgends. | |
Geplant war der Marktstart schon Anfang des Jahres. Doch die Suche nach | |
einem Mobilfunkprovider war aufwendig. Als kleines Unternehmen kann WEtell | |
nicht direkt mit einem der drei großen Netzbetreiber in Deutschland | |
zusammenarbeiten. Stattdessen muss ein dazwischengeschalteter Provider die | |
Kommunikationsdienste übernehmen. Geklappt hat es nun mit Tele2, einer | |
schwedischen Firma, die in Deutschland das Vodafone-Netz nutzt. | |
Den Freiburger*innen geht es in erster Linie um den Datenschutz. WEtell | |
sichert zu, dass alle personenbezogenen Daten auf Servern in der EU liegen. | |
Selbstverständlich sei das nicht. „Viele Anbieter sichern ihre Daten über | |
einen Cloud-Dienst, der sie weltweit verstreut“, sagt Spribille. Die | |
Originaldatei liege möglicherweise auf einem Server in Deutschland, „Kopien | |
kann es aber auch außerhalb der EU geben“. | |
Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg bestätigt, | |
dass der [1][Serverstandort ein wichtiges Kriterium im Datenschutz] ist. | |
„Alle Mobilfunkanbieter müssen sich an die [2][Datenschutzgrundverordnung] | |
halten, aber ob sie das immer tun, ist schwierig nachzuweisen“, sagt | |
Buttler. In der EU sei das Missbrauchsrisiko geringer, so die Erfahrung des | |
Verbraucherschützers. | |
Verborgen bleibt dem Freiburger Unternehmen jedoch, was der Netzbetreiber | |
Vodafone mit Mobilfunkdaten wie Telefonnummer, Gesprächsdauer oder Standort | |
macht. „Aber Vodafone kann die Daten nicht mit den realen Personen | |
verknüpfen, und das ist ein riesiger Vorteil“, sagt Spribille. | |
## Keine Werbanrufe | |
Gerade mit den Kontaktdaten gingen Mobilfunkanbieter häufig gesetzeswidrig | |
um, so Buttler. Regelmäßig ziehen Verbraucherschutzorganisationen wegen | |
unerlaubter Kontaktaufnahme vor Gericht. So hat die Bundesnetzagentur im | |
Juli eine Geldbuße in Höhe von 145.000 Euro gegen mobilcom verhängt. | |
Begründung: Der Anbieter habe Vertragsabschlüsse am Telefon unterstellt, | |
sich mit verschleierten Klauseln die Werbezustimmung seiner Kund*innen | |
geholt und trotz Widerspruch weiter angerufen. Allgemein hält Buttler die | |
Strafen für einen Witz: „Nach zehn Minuten Telefonieren mit potenziellen | |
Kunden haben die Anbieter das wieder drin.“ | |
Solch ein Verhalten hätten die Kund*innen bei WEtell nicht zu erwarten, | |
sichert Spribille zu. Werbeanrufe gebe es keine, Rabattaktionen auch nicht, | |
und die Tarife seien übersichtlich in vier Kategorien aufgeteilt. Wer eine | |
Telefonflat möchte, muss 20 Euro pro Monat investieren und bekommt 5 GB | |
Datenvolumen. Vergleichbare Angebote sind bei der konventionellen | |
Konkurrenz bis zu 7 Euro günstiger. | |
Beim Klimaschutz an der Quelle, also bei der Vermeidung von CO2, ist der | |
direkte Einflussbereich von WEtell begrenzt. Das eigene Büro werde | |
natürlich mit Ökostrom betrieben, man benutze so wenig Papier wie möglich, | |
heißt es. Auch Steuerberatung und Anwälte wählt das Unternehmen sorgfältig | |
aus, wichtig sei dabei unter anderem die Offenheit zum Umdenken. „Einen | |
unserer Partner haben wir beraten, wie er zukünftig ressourcensparender | |
arbeiten kann“, sagt Spribille. | |
## Kompensation durch Photovoltaik | |
Doch die großen Stromposten wie Mobilfunknetz und Rechenzentren | |
kontrolliert Vodafone. Das dabei entstehende CO2 will WEtell mit | |
Photovoltaikanlagen kompensieren. Die passende Menge abzuschätzen ist | |
schwierig. Vodafone gibt an, dass sein gesamtes Mobilfunknetz weniger Strom | |
brauche als 1 Prozent der Haushalte in Deutschland. Konkrete Zahlen über | |
den Bedarf je Nutzer*in veröffentlicht das Unternehmen aber nicht. | |
Aus einer 9 Jahre alten Studie von Wissenschaftler*innen der TU Dresden hat | |
WEtell berechnet, dass durchschnittliche Handynutzer*innen 25 | |
Kilowattstunden Strom im Jahr verbrauchen – so viel wie für 25 Stunden | |
Staubsaugen. Kompensieren möchten sie das Doppelte. Noch in diesem Jahr | |
sollen dafür 1.900 Photovoltaikmodule installiert werden. Erst dann werden | |
die ersten 1.500 Kund*innen CO2-neutral telefonieren, streamen und | |
Nachrichten verschicken. | |
„Wir haben noch nicht alles umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben“, sagt | |
Spribille. Im Moment brauche man noch einen Vertrauensvorschuss. Trotzdem | |
hofft sie auf 1.000 neue Kund*innen im Monat. Mittelfristig will das | |
10-köpfige Team sich dann als nachhaltiges Unternehmen zertifizieren lassen | |
und so groß werden, dass es direkt mit dem Netzanbieter zusammenarbeiten | |
kann. „Ab 15.000 Kunden können wir an diesem Schritt arbeiten.“ | |
27 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] /EuGH-Urteil-zu-Privacy-Shield/!5701070 | |
[2] /Ein-Jahr-DSGVO/!5597437 | |
## AUTOREN | |
Isabel Röder | |
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