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# taz.de -- Digitalisierungsschub durch Corona: Die Weichen werden gerade geste…
> Vom Schulbesuch bis zum Arzttermin – was geht, läuft plötzlich digital.
> Nach erstem Improvisieren sollten wir auf datensichere Anwendungen
> umstellen.
Bild: 2020, Schicksalsjahr der Digitalisierung
Berlin taz | Die siebenjährige Lotte hat neulich eine Aufführung des
Grips-Theaters gesehen. Sie musste nicht mal hinfahren. Sondern blieb
einfach zu Hause. Das Grips-Theater kam zu ihr. Nach Hause, auf den
Monitor, per Stream.
Nicht nur Kindertheater müssen in der Pandemie neu denken. Opern,
Theaterstücke und Ballette werden auf Bildschirmen geschaut, Clubs machen
per Stream nächtelang die Wohnzimmerdielen zur Tanzfläche, Konferenzen
werden zu Webinaren, Arbeitnehmer:innen kommunizieren mit Kolleg:innen per
Messenger, die Psychotherapeutin hält die Sitzungen via Bildschirm ab und
der Homöopath bittet zum Chat.
„Es gibt gerade einen riesigen Digitalisierungsschub“, sagt Bernhard
Rohleder, Geschäftsführer des IT-Verbandes Bitkom. Er nennt vier Bereiche:
Bildung, Verwaltung, Gesundheitswesen und Wirtschaft. „Schulen
beispielsweise machen gerade einen Crashkurs in Sachen Digitalisierung
durch.“ Max Mehl von der Free Software Foundation Europe (FSFE) sieht es
ähnlich: „Auf allen Ebenen erkennen Entscheider auf einmal die Chancen der
Digitalisierung.“
In diesem unerwarteten Digitalisierungsschub werden Standards gesetzt.
„Jetzt passieren die Weichenstellungen“, sagt Rena Tangens vom Verein
Digitalcourage. Und nicht immer die besten. Es gibt Berichte von
Lehrer:innen und Eltern, dass die digitale Betreuung über den
Videokonferenz-Dienst Zoom stattfindet, der von Datenschutz nicht so
richtig viel hält. Auch bei einem Treffen hochrangiger EU-Vertreter:innen
im April nutzte mindestens ein Teilnehmer Zoom. Aber auch Dienste wie Slack
oder Whatsapp, Facetime oder Google Hangouts sind, was die Privatsphäre
angeht, optimierungsfähig. „Gerade wird vor allem auf schnelle Lösungen
gesetzt“, sagt Mehl. Das Problem: Schnell ist dabei häufig das Gegenteil
von nachhaltig, nutzerfreundlich, souverän.
Daher wäre jetzt, nach dem ersten hektischen pandemiebedingten
Improvisieren, der Moment, das Provisorium durch eine gute,
privatsphärefreundliche und offene Technologie zu ersetzen. „Wir haben es
jetzt in der Hand, eine gewisse digitale Souveränität in Europa zu
schaffen“, sagt Tangens. Sie erinnert daran, wie schwierig es für Behörden
ist, an Atemmasken und Schutzkleidung zu kommen – weil sie hierzulande kaum
produziert werden.
## Nachbessern ist angesagt
„Digitale Souveränität“ – diesen Begriff hört auch Rohleder gerne. Er
hoffe, sagt er, dass die Veränderungen des Digitalisierungsschubes bleiben,
aber verbessert werden. Also: Dass Vorteile wie der weitgehende Verzicht
aufs Reisen beibehalten werden. Doch die Technik, die genutzt wird, sollte
konform sein mit der Datenschutzgrundverordnung. Mindestens. Aktuell ist
das nicht bei jedem der gehypten Anbieter so klar.
Was also muss passieren, damit alle umsteigen, die jetzt auf Anwendungen
von Skype bis Facetime setzen? „Unternehmen sollten selbst darauf kommen,
dass, was derzeit fast oder ganz kostenlos ist, es nicht ewig sein wird“,
sagt Mehl. Und alternative Diensten wie Jitsi oder BigBlueButton – ein
Videodienst und eine Webinar-Software – würden derzeit softwareseitig
ordentlich verbessert. [1][Digitalcourage bietet eine Übersicht] mit
konkreten Alternativen. Die Liste ist nicht abschließend; für alle, die
sich fragen, ob eine von ihnen verwendete Software frei ist, hat die
[2][FSFE eine Checkliste] erstellt.
„Wir müssen darüber nachdenken, welche Infrastruktur wir als
Daseinsvorsorge brauchen“, sagt Tangens. Am Ende dieser Überlegungen könnte
beispielsweise stehen, dass auch eine Schulcloud dazu gehöre. Also eine
Anwendung, in der Lehrer:innen und Schüler:innen sicher Daten austauschen
und ablegen können. Dafür müsse dann die öffentliche Hand Gelder
bereitstellen.
Das hätte nicht nur den Vorteil, dass sich damit eine Open-Source-Anwendung
erstellen ließe, die jede Schule oder jede Kommune für die eigenen
Bedürfnisse anpassen kann. Womöglich ließen sich auch Schüler:innen dabei
einbinden. Die würden, so Tangens, dabei gleich etwas Wichtiges lernen, das
ihnen auch helfen kann, wenn sie irgendwann in der Arbeitswelt
mitentscheiden, ob Programm A oder B im Unternehmen, in der Verwaltung oder
in der Arztpraxis eingesetzt wird: „Nämlich, dass es gute Software nicht
umsonst gibt“.
1 May 2020
## LINKS
[1] https://digitalcourage.de/blog/2020/corona-homeoffice-tipps
[2] https://fsfe.org/news/2020/news-20200330-01.en.html
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
Schwerpunkt Utopie nach Corona
Schwerpunkt Coronavirus
Datenschutz
Bildung
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Freunde
Kolumne Der rote Faden
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