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# taz.de -- Neues Polizeigesetz in Niedersachsen: Eitelkeiten und Paranoia
> Der Niedersächsische Landtag verabschiedet ein härteres Polizeigesetz.
> Nicht ohne einen deftigen Schlagabtausch zwischen den Abgeordneten.
Bild: Der „harte Hund“ und seine Drohne: CDU-Innenpolitiker Uwe Schünemann
HANNOVER taz | Als Uwe Schünemann, CDU-Abgeordneter und früherer
Innenminister von Niedersachsen, von kriminellen Banden spricht, „die Geld
scheffeln und dafür sogar Kinderpornographie und Kindesmissbrauch nutzen“,
müssen selbst Gäste auf der Besuchertribüne lachen. Schünemann hält am
Dienstag im Niedersächsischen Landtag kein Plädoyer für einen besseren
Kinderschutz oder etwa härteres Vorgehen gegen Sexualstraftäter.
Mit seinen Worten begründet der als Hardliner geltende Sicherheitspolitiker
[1][(„Lieber ein harter Hund als ein Warmduscher“] – Schünemann über
Schünemann) das Polizeigesetz, das der Staatsmacht mehr Rechte einräumt.
Kritiker*innen indes sehen darin einen Vorstoß, Bürgerrechte massiv zu
beschneiden.
Am Dienstag hat der Landtag nach einer lebhaften Debatte das
[2][„Gefahrenabwehrgesetz“] mit den Stimmen von CDU und SPD angenommen. Mit
diesem Ergebnis war zu rechnen. Seit etwa einem Jahr debattiert
Niedersachsen über die im Gesetz vorgesehenen 35 Tage Präventivhaft für
Menschen, von denen man annimmt, dass sie demnächst eine Straftat begehen
werden. Ebenso im Gesetz enthalten: Überwachung von Demos und anderen
öffentlichen Veranstaltungen, Filmen mit Bodycams an Polizeiuniformen,
automatisches Scannen von Autokennzeichen sowie der Einsatz von
Staatstrojanern auf privaten Computern und Smartphones.
All das ist den Grünen und der FDP ein Dorn im Auge, die Fraktionen
stimmten erwartungsgemäß gegen das Gesetz und wiederholten ihre Drohung,
eine Normenkontrollklage einzureichen. Ihnen an die Seite gesellte sich nun
überraschenderweise die AfD, die das Gesetz zwar ebenfalls ablehnt, weil es
nicht hart genug sei. Zudem fehlt der Fraktion der Einsatz von
Elektroschockern. Der Klage vor dem Staatsgericht in Bückeburg würde sich
die Partei aber gern anschließen.
## 5 Stimmen fehlen zur Normenkontrollklage
Das bringt Grüne und FDP in die Bredouille. Damit eine solche Klage vom
Staatsgericht angenommen wird, brauchen die Kläger*innen ein Fünftel der
Stimmen des Landtags, das wären 28. Gemeinsam haben die beiden Fraktionen
aber nur 23 Stimmen. Dass Grüne und FDP sich die fehlenden 5 Stimmen von
der AfD beschaffen, ist relativ unwahrscheinlich. So könnte die
angekündigte Klage eher eine Drohung bleiben.
In ihrer Kritik am Gesetz zeigten sich Grüne und FDP weiterhin
unnachsichtig. Für den Grünen Belit Onay ist es ein „Desastergesetz“. „…
dem Staatstrojaner macht sich der Staat selbst zum Hacker“, sagte der
innenpolitische Sprecher seiner Partei: „Grundrechte stehen unter
Technikvorbehalt.“
Der FDP-Abgeordnete Stefan Birkner bewertete das Polizeigesetz als
„handwerklich extrem schlecht“ und zudem als miesen Kompromiss zwischen CDU
und SPD: „Die SPD hat sich von der CDU treiben lassen.“ Damit zielte
Birkner auf das schlechte Verhältnis zwischen dem aktuellen
SPD-Innenminister Boris Pistorius und seinem CDU-Vorgänger Schünemann ab.
## „Schauen Sie sich doch mal Ihren Auftritt an“
Die beiden lieferten sich gleichfalls einen Schlagabtausch. Es sei nicht
immer einfach zwischen ihm und Pistorius gewesen, sagte Schünemann: „Es
geht hier aber nicht um Eitelkeiten.“ Das sorgte für lautes Lachen in den
Grünen-Reihen. Birkner von der FDP hakte ein: „Es geht nicht um
Eitelkeiten? Schauen Sie sich Ihren Auftritt doch mal an, Herr Schünemann.“
Überzogene Redezeiten, Zwischenrufe, Zwischenfragen. Landtagspräsidentin
Gabriela Andretta hat manche Mühe, die Wogen zu glätten: „Ich bitte um
Ruhe.“
Am Ende sitzt Innenminister Pistorius an seinem Platz, mit hochrotem Kopf
und nach Sätzen wie diesem: „Ich leide nicht an Paranoia wie manch anderer
aus diesem hohen Hause“.
Die namentliche Abstimmung dauert dann ganze acht Minuten.
14 May 2019
## LINKS
[1] https://www.bild.de/politik/inland/uwe-schuenemann/lieber-ein-harter-hund-a…
[2] /Schaerferes-Polizeigesetz-in-Niedersachsen/!5589918
## AUTOREN
Simone Schmollack
## TAGS
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