# taz.de -- Geplantes Polizeigesetz in Bremen: Ansage gegen Racial Profiling | |
> Ein neues Gesetz soll mehr Möglichkeiten bieten, die Polizei zu | |
> kontrollieren. Gleichzeitig wird aber die Überwachung der Bürger*innen | |
> ausgeweitet. | |
Bild: Die Polizei soll in Bremen mehr kontrollieren dürfen – die Bürger*inn… | |
BREMEN taz | „Tut mir leid, das mit der Harmonie“, entschuldigte sich | |
Nelson Janßen bei einem Journalisten, der angesichts des neu geplanten | |
Bremer Polizeigesetzes den Konflikt zwischen den rot-grün-roten | |
Regierungsfraktionen vermisste. Janßen, innenpolitischer Sprecher der | |
Linksfraktion, versicherte, er habe [1][mit diesem Gesetzesentwurf] keine | |
Angst vor der Parteibasis. | |
Schlucken müssen polizeikritische Bürger*innen mehr Überwachung, sowohl im | |
öffentlichen Raum auf Video als auch im digitalen bei der Kommunikation | |
über Telefon und Internet. Dafür sollen in Bremen die Bürger*innen aber | |
künftig mehr Möglichkeiten haben, die Polizeiarbeit zu kontrollieren. | |
Die wichtigste davon ist die Einführung eines*einer unabhängige*n | |
Polizeibeauftragte*n – also einer Instanz, die polizeiliches Fehlverhalten | |
untersuchen soll. Der*die Beauftragte soll von der Bürgerschaft gewählt | |
werden und kann sowohl von Bürger*innen als auch von Polizist*innen | |
angerufen werden. Die neue Instanz soll Akteneinsicht nehmen und Zeug*innen | |
befragen können. In mehreren Ländern gibt es bereits Polizeibeauftragte – | |
[2][etwa in Schleswig-Holstein]. | |
Damit Polizist*innen ihre internen Beschwerden überhaupt loswerden dürfen, | |
gibt es zudem einen neuen Whistleblower-Paragrafen. Damit wird die | |
dienstliche Verschwiegenheitspflicht der Beamt*innen unter bestimmten | |
Umständen aufgehoben. | |
Auch [3][Racial Profiling] soll das neue Gesetz verhindern helfen. Zwar | |
kennt es weiterhin besondere Gefahrenorte, doch die Rechte, die | |
Polizist*innen dort haben, verändern sich: Bisher durften Beamt*innen an | |
den zuvor festgelegten Orten ohne weitere Anhaltspunkte die Identität | |
feststellen. | |
Das geht jetzt nur noch, wenn die kontrollierte Person selbst einen Anlass | |
dazu bietet. Bisher mussten laut Betroffenenberichten vor allem schwarze | |
Menschen etwa am Bahnhof mit überdurchschnittlich vielen Kontrollen | |
rechnen. Wenn sie in Zukunft kontrolliert werden, können sie eine | |
Begründung verlangen, womit sie den Verdacht auf sich gezogen haben. | |
Bei einigen Punkten, die die Macht der Polizei einschränken, wundert man | |
sich, dass sie bisher erlaubt waren: So gab es in Bremen bis dato keine | |
feste Vorgabe, wie lange Menschen ohne Gerichtsurteil in Gewahrsam genommen | |
werden konnten – theoretisch ging das unbeschränkt. In Zukunft sind | |
Ingewahrsamnahmen nur noch für bis zu 96 Stunden möglich, nach spätestens | |
24 Stunden wird den Betroffenen vom Gericht ein Anwalt zur Seite gestellt. | |
## Mehr Überwachung – im real life und digital | |
Die neuen Kontrollmöglichkeiten können nicht darüber hinwegtäuschen, dass | |
mit dem Gesetz auch Bürger*innen stärker überwacht werden können. Die | |
Videoüberwachung wird ausgeweitet und auch auf die Kommunikation über | |
Telefon und Internet hat die Polizei mehr Zugriff, wenn die Bremische | |
Bürgerschaft das neue Gesetz wie geplant im September verabschiedet. | |
Besondere Verschärfungen, die einige andere Landesregierungen in ihre | |
Polizeigesetze geschrieben hatten, wiederholt Bremen indes nicht: Weder | |
darf die Polizei Schusswaffen gegen Kinder unter 14 Jahren einsetzen, | |
[4][wie es in Schleswig-Holstein seit April erlaubt ist]. Eine | |
Präventivhaft von bis zu 35 Tagen wie in Niedersachsen kommt in Bremen auch | |
nicht infrage. | |
Kommunikation über Telefone und Internet darf die Polizei schon heute | |
überwachen, wenn eine Straftat begangen wurde. Künftig soll das auch dann | |
möglich sein, wenn eine schwere Straftat unmittelbar bevorsteht. Als | |
Beispiele dafür nennt SPD-Sprecher Kevin Lenkeit schwere Brandstiftung, | |
Mord und Kindesmissbrauch. Ein Richter muss die Überwachung jeweils | |
anordnen. | |
In der vorigen Legislaturperiode hatte diese Telekommunikationsüberwachung | |
2018 [5][zum Scheitern des geplanten Polizeigesetzes] geführt, weil die | |
Grünen ihr Veto eingelegt hatten. Inzwischen gibt es gleich zwei | |
Regierungsparteien mit überwachungskritischen Wahlprogrammen. Eine Einigung | |
in der Frage nach mehr Überwachung, die SPD-Innensenator Ulrich Mäurer | |
immer gefordert hatte, wurde von Beginn an als [6][möglicher Stolperstein | |
für die Koalition] betrachtet. | |
Die Ausweitung fällt nun kleiner aus als 2018 geplant: Zum einen soll nicht | |
schon bei „drohender“, sondern nur bei „unmittelbar bevorstehender“ Gef… | |
überwacht werden, zum Zweiten ist die umstrittene | |
„Quellen-Telekommunikationsüberwachung“, also ein Staatstrojaner, aus dem | |
Spiel: Die Polizei darf auch in Zukunft keine Programme auf die Handys der | |
Betroffenen aufspielen, um Nachrichten auf dem Gerät abzugreifen, bevor sie | |
von Apps wie Whatsapp oder Telegram verschlüsselt werden können. | |
Mehr Videoüberwachung ist noch so ein Punkt, der es in den Gesetzentwurf | |
geschafft hat, obwohl Grüne wie Linke sich in der Vergangenheit dagegen | |
ausgesprochen hatten: In Zukunft soll Videoüberwachung nicht nur dauerhaft | |
an besonderen „Kriminalitätsschwerpunkten“ möglich sein, sondern auch | |
anlassbezogen bei Großveranstaltungen wie dem Freimarkt. | |
Die Daten aus dieser anlassbezogenen Überwachung dürfen viel länger | |
aufbewahrt werden als die der stationären Kameras: 30 Tage statt 48 | |
Stunden. Wird nun nächste Saison beim möglichen Nordderby zwischen Werder | |
Bremen und dem HSV der Ostertorsteinweg gefilmt? Innensenator Ulrich Mäurer | |
(SPD) bestreitet das: Das „Viertel“ rund ums Weserstadion sehe er gar nicht | |
als besonderen Gefahrenpunkt. | |
26 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bremische-buergerschaft.de/drs_abo/2020-06-25_Drs-20-511_d0238.… | |
[2] /Interne-Ermittlungen-bei-der-Polizei/!5435513 | |
[3] /Racial-Profiling-bei-den-Behoerden/!5691334 | |
[4] /Polizeigesetz-in-Schleswig-Holstein/!5635574 | |
[5] https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-bremer-gruene-brem… | |
[6] /Rot-Gruen-Rot-in-Bremen/!5599183 | |
## AUTOREN | |
Lotta Drügemöller | |
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