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# taz.de -- Neues Polizeigesetz in Meck-Pomm: Mehr digitale Überwachung
> Der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern pocht auf ein neues
> Polizeigesetz. Kritiker*innen sehen die Grundrechte in Gefahr.
Bild: Die Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ fühlt sich vom geplanten Poliz…
Hamburg taz | Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern hat ihren
ersten Entwurf für das neue Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG) in den
Landtag eingebracht. Es soll, so der Plan, den Handlungsspielraum für
Polizei- und Ordnungsbehörden bei der präventiven Gefahrenabwehr und dem
Ermitteln von Straftaten erweitern. Innenminister Lorenz Caffier (CDU)
stellte den von vielen Seiten kritisierten Entwurf am Mittwoch im Landtag
vor.
Das SOG sei eine Antwort auf das digitale Zeitalter, sagt Caffier. „Polizei
und Ordnungsbehörden werden zukünftig in weiteren Bereichen präventiv
handeln können, in denen es ihnen bisher nicht möglich war und bevor eine
Straftat begangen wird.“ Das neue Gesetz soll den Behörden ermöglichen,
Überwachungssoftware auf Computern und Smartphones zu installieren, um
Daten noch vor deren Verschlüsselung abgreifen zu können. Zudem sollen
Personen die „nicht nur in flüchtigem oder in zufälligem Kontakt“ mit ein…
verdächtigen Person stehen, überwacht werden können. Auch Wohnungen
Unbeteiligter könnten so abgehört werden, sollten sich überwachte Personen
dort aufhalten. All diese Maßnahmen sollen nur nach der Genehmigung eine*r
Richter*in möglich sein.
Forderungen von Amnesty International und aus der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs im Fall Ouri Jalloh, jenem in Deutschland lebenden
Sierra-Leoner, der 2005 in einer Gewahrsamszelle des Polizeirevier
Dessau-Roßlau in Sachsen-Anhalt ums Leben kam, werden in dem Entwurf
berücksichtigt. So wird die Videoüberwachung für Räume zugelassen, die von
der Polizei für Ingewahrsamnahmen genutzt werden. Diese Überwachung diene
dem Schutz der Verhafteten als auch der Polizeibeamt*innen, heißt es in dem
Entwurf. Die SPD-Fraktion befürwortete den Gesetzesentwurf des
Koalitionspartners. SPD-Fraktionsvize Martina Tegtmeier spricht von einer
„guten Balance“.
Ganz anders sieht das die Initiative „SOGenannte Sicherheit“. Das
überparteiliche Bündnis kritisiert vor allem die Überwachung von
Kontaktpersonen von Verdächtigen sowie eine flächendeckende Überwachung von
öffentlichen Plätzen und Großveranstaltungen. Sie fordert zudem eine
unabhängige und mit umfassenden Befugnissen ausgestattete Beschwerde- und
Kontrollinstanz für die Polizei.
Erst am vergangenen Wochenende hatte die Initiative zu einer Demonstration
in Schwerin aufgerufen, an der laut der Veranstalter rund 500 Menschen
teilnahmen. Unterstützt wurden sie auch von bekannten Persönlichkeiten wie
dem Rapper Marteria und der Punkband „Feine Sahne Fischfilet“. Mehrere
Künstler veröffentlichten unter dem Hashtag #stasireloaded Aufrufe gegen
das Gesetzesvorhaben. „Obwohl dieses Gesetz immer krasser in die
Grundrechte der Menschen eingreifen wird, ist die kritische Öffentlichkeit
sehr gering“, hieß es auf der Facebook-Seite von „Feine Sahne Fischfilet�…
Der Deutsche Journalisten Verband (DJV) sieht durch das Gesetz die
Medienfreiheit gefährdet. Es schränke das Zeugnisverweigerungsrecht für
Journalist*innen ein. In bestimmten Fällen könnten die Polizeibehörden in
Mecklenburg-Vorpommern dann auch ohne richterlichen Beschluss auf
Recherchematerialien zugreifen. Informant*innen wären nicht mehr
uneingeschränkt geschützt.
Damit geriete ein Eckpfeiler der Presse- und Rundfunkfreiheit in Gefahr.
Man habe die Änderungsvorschläge dem Innenausschuss übermittelt und
erwarte, dass sie im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren einbezogen
werden.
Im Gespräch mit der taz warnt Heinz Müller, der
Landesdatenschutzbeauftragte, man könne mit dem Gesetz „über das Ziel
hinausschießen und das Thema Datenschutz mit der Dampfwalze überrollen“. In
der früheren Fassung des Entwurfs kritisierte seine Behörde bereits einige
Punkte. Unter anderem fehle eine Kontrollinstanz. In einem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts von 2016 heißt es, schwerwiegende Eingriffe in
die Privatsphäre seien nur verhältnismäßig, wenn die Polizei effektiv und
unabhängig kontrolliert werde. Den aktuellen Entwurf wolle man nun prüfen
und sich nächste Woche äußern.
Die Linke befürchtet, dass die Schwelle polizeilicher Eingriffe mit dem
neuen Gesetz weiter sinken werde. „Wir stehen an der Seite derer, die
diesen Gesetzentwurf als einen Angriff auf den Datenschutz sehen und vor
den unabschätzbaren Folgen des SOG warnen“, heißt es in einer
Pressemitteilung.
Der Landesverband der Grünen kritisiert den Entwurf im Kontext der
aktuellen Skandale in den Kriminalbehörden des Landes: „In dieser ganzen
Gemengelage diskutieren wir ernsthaft einen Gesetzentwurf, welches den
Handlungsspielraum der Polizei ausweiten und nicht mehr auf Tatsachen,
sondern auf Einschätzungen beruhen soll und wofür keine Kontrollinstanz,
dafür aber eine Menge Überwachungsmaßnahmen vorgesehen ist?“
Über den Gesetzesentwurf wird nun in den Ausschüssen weiter beraten. Nach
der Sommerpause soll der endgültige Entwurf vorliegen und vom Landtag
verabschiedet werden.
21 Jun 2019
## AUTOREN
Till Wimmer
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Schwerpunkt Überwachung
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