# taz.de -- Kolumne Liebeserklärung: Gefilmte Zivilcourage | |
> Die Überwachung des öffentlichen Raums wird zu Recht kritisiert. Man kann | |
> sie aber auch für Sinnvolles nutzen, wie ein Psychologenteam | |
> dokumentiert. | |
Bild: Böse Videoüberwachung filmt gute Taten | |
Der öffentliche Raum ist sicher, wenn er ein sozialer und demokratischer | |
Raum ist. Man muss deswegen gar nicht zu datenschutzrechtlichen Einwänden | |
greifen, wenn man die reale, geplante oder herbeigeredete flächendeckende | |
Überwachung durch Kameras kritisiert: Wenn die Rechte aller in einer | |
Gesellschaft geschützt und garantiert sind, wenn Entfaltung möglich ist, | |
dann ist auch Sicherheit da. Videoüberwachung spielt von vornherein auf dem | |
falschen Feld. | |
Solange die Dinger nun mal rumhängen, lässt sich aber auch etwas | |
Vernünftiges mit ihnen anfangen: Ein Team von Psychologen aus England, | |
Dänemark und den Niederlanden hat das getan und in der bislang | |
datenstärksten Auswertung von Bildern aus Videoüberwachung nun durchaus | |
überraschende Ergebnisse veröffentlicht. | |
In einer Bedrohungs- oder auch schon Konfliktsituation waren 91 Prozent der | |
gefilmten Zuschauerinnen und Zuschauer bereit, sich einzumischen: Ob nun | |
deeskalierend, aktiv schützend oder das Opfer betreuend und tröstend. | |
„Eingreifen ist die Normalität“, schreiben die Forscher, in 9 von 10 | |
Fällen, und zwar länderübergreifend – ausgewertet wurden Aufnahmen aus | |
Kapstadt, Amsterdam und Lancaster. | |
Was wir sonst mit immer schärferen Teleskopen, mit Lauscheinrichtungen und | |
Satelliten aus dem All zu filtern versuchen, nämlich eine Antwort auf die | |
Frage: Sind wir allein?, diese ja durchaus berechtige Frage, auf der ganze | |
Religionen gegründet sind, haben die Wissenschaftler nun wenigstens für die | |
kleine Erde beantwortet: Wir sind es nicht; und daran haben weder ein | |
halbes Jahrhundert realer Neoliberalismus etwas geändert noch Verhältnisse | |
krasser sozialer Ungleichheit wie in Südafrika – die Ergebnisse waren in | |
allen drei Städten ähnlich. | |
Nun werden Studien durchgeführt, um widerlegt zu werden, und zitiert, weil | |
sie einem in den Kram passen. Auch die Wissenschaftler hatten ein | |
Erkenntnisinteresse, nämlich zu klären, ob der auf einer älteren Studie | |
basierende Begriff der walk on by society noch Gültigkeit habe. Wenn wir | |
uns so umschauen, von der „Sea-Watch“ bis [1][zu Ende Gelände und Fridays | |
for Future], sehen wir: Die Verfechter der These von einer | |
pseudofreiheitlichen Wegseh- und Zerstörungskultur sehen inzwischen ganz | |
schön alt aus. | |
28 Jun 2019 | |
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## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
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