# taz.de -- Datenschützer über neues Polizeigesetz: „Eine Privilegierung de… | |
> Das geplante Hamburger Polizeigesetz berührt auch Befugnisse der | |
> Datenschutzbehörde. Deren Leiter Johannes Caspar erklärt, was das | |
> bedeuten würde. | |
Bild: Muss um seine Kompetenzen fürchten: Hamburgs Datenschutzbeauftragter Joh… | |
taz: Herr Caspar, wie wirkt sich der Entwurf des neuen Hamburger | |
Polizeigesetzes auf Ihre Arbeit aus? | |
Johannes Caspar: Ein erster Entwurf sah vor, die Anordnungskompetenz der | |
Datenschutzbehörde im Bereich der Strafverfolgung zu beseitigen. | |
… also die Befugnis, eine Unterlassung auszusprechen, statt nur zu rügen. | |
Diese Änderung hätte auf das derzeitige Gerichtsverfahren gegen die | |
Löschanordnung der G20-Biometrie-Datenbank Auswirkungen gehabt. | |
… da streiten die Datenschutzbehörde und die Innenbehörde darüber, ob die | |
bei G20 zum ersten Mal eingesetzte Gesichtserkennungssoftware legal ist. | |
Nach dem ersten Entwurf des Polizeigesetzes wäre die Kompetenz als Basis | |
unserer Löschanordnung dann nachträglich weggefallen. Der Entwurf ist dann | |
wieder fallen gelassen worden. | |
Also alles gar nicht so dramatisch? | |
Im Bereich der präventiven Polizeiarbeit soll es aber keine | |
Anordnungskompetenz geben. Das ist problematisch, sieht die EU-Richtlinie | |
zum Datenschutz doch die Schaffung von wirksamen Befugnissen der | |
Aufsichtsbehörden vor. | |
Also haben Sie künftig bei der Strafverfolgung weiter die | |
Anordnungsbefugnis, bei der präventiven Polizeiarbeit bekommen Sie sie aber | |
nicht? | |
Ja. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Befugnisse, je nachdem, ob die | |
Polizei strafverfolgend oder straftatenverhütend tätig wird, erschwert die | |
Rechtsanwendung. Im Bereich der Straftatenverhütung bliebe eine bloße | |
Feststellungskompetenz, die vor Gericht geltend zu machen ist. Eine | |
Feststellungsklage ist ein deutliches Weniger gegenüber der | |
Anordnungskompetenz. Wir wären in die Klägerrolle gezwungen. Damit ließe | |
sich eine Löschung von rechtswidrig erlangten Daten nicht mehr unmittelbar | |
anordnen. Gegenüber anderen öffentlichen Stellen erfährt der polizeiliche | |
Bereich hier eine Privilegierung. | |
Der Senat argumentiert, Ihre Anordnungsbefugnis sei nicht mit „dem | |
Bedürfnis nach ständiger Verfügbarkeit rechtmäßig erhobener Daten und | |
Datenverarbeitungsanlagen“ vereinbar. | |
Die Argumentation suggeriert, dass wir die Anordnungskompetenz als | |
Standardinstrument nutzen und die polizeiliche Arbeit ständig behindern. | |
Hierdurch entsteht ein schiefes Bild der Arbeit meiner Behörde. Tatsächlich | |
haben wir bislang lediglich ein einziges Mal in den letzten eineinhalb | |
Jahren – anlässlich der G20-Fahndung und dem Aufbau einer | |
Biometrie-Datenbank – von dieser Maßnahme Gebrauch gemacht. | |
Seither wird die Datenbank jedoch weiter genutzt. | |
Da wir keine Kompetenz haben, die sofortige Vollziehung anzuordnen, ist | |
rechtlich für den Schutz der Betroffenen nicht mehr drin. Von einer | |
Behinderung der polizeilichen Arbeit kann also beim besten Willen keine | |
Rede sein. | |
Die Löschanordnung hat voriges Jahr für große Diskussionen gesorgt. Die | |
Innenbehörde hat gegen Ihre Anordnung geklagt. | |
Für die Biometrie-Datenbank sehe ich keine rechtliche Grundlage. Anordnung | |
und Klage vor dem Verwaltungsgericht sind der geordnete Gang rechtlicher | |
Verfahren. | |
Das heißt, Rechte von Betroffenen werden solange verletzt, bis ein Urteil | |
gesprochen wird? | |
Streng genommen sogar bis ein letztinstanzliches Urteil ergeht – das kann | |
Jahre dauern. Ich finde es schade, wie schwer es der unabhängigen | |
Kontrollstelle nach wie vor gemacht wird, zum Schutz der Rechte und | |
Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger rechtsbewahrend einzugreifen. | |
Sie sprachen an, dass die polizeilichen Kompetenzen im Bereich der | |
präventiven Arbeit ausgebaut werden. Warum gibt Ihnen das zu denken? | |
Die automatisierte Datenanalyse zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung | |
stellt eine Ermächtigungsnorm für umfassende Datenauswertungen dar. Auch | |
unstrukturierte Datenmengen können zu einem Gesamtbestand zusammengefügt | |
und automatisch analysiert werden. Dahinter können sich | |
Big-Data-Anwendungen im polizeilichen Bereich und letztlich Ansätze für das | |
Verfahren des Predictive Policing, der „Vorhersagenden Polizeiarbeit“, | |
verbergen. Das halte ich für bedenklich. | |
Warum? | |
Die Norm könnte ein Scharnier zwischen einzelnen Datenbeständen darstellen. | |
Sie könnten dadurch zu automatisiert auswertbaren Massendatenbeständen | |
verknüpft werden. Ohne Begrenzung der Datenarten, der zeitlichen und | |
örtlichen Bezüge, besteht die Gefahr, dass dadurch großflächige Analysen | |
von Bewegungsprofilen im öffentlichen Raum entstehen und die Auswertung der | |
Daten sich auf Gefährdungen weit im Gefahrenvorfeld beziehen. | |
Laut dem Entwurf sollen Sie auch neue Kompetenzen erhalten. | |
Richtig, etwa bei der regelmäßigen Datenschutzkontrolle. Leider bleibt | |
Ausstattung zur Umsetzung außen vor. Derzeit ist unklar, wie mit dem | |
aktuellen Personalbestand die neuen Aufgaben erfüllt werden können. | |
19 Sep 2019 | |
## AUTOREN | |
André Zuschlag | |
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