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# taz.de -- Schärferes Polizeigesetz in Niedersachsen: Der Feind in meinem Bett
> Die neuen Polizeigesetze sollen Bürgerrechte beschneiden. In
> Niedersachsen bleibt der Protest heftig: Für Samstag ist eine Demo
> angekündigt.
Bild: Kommt das Polizeigesetz, kommt die Bodycam an der Polizeiuniform
Hannover taz | 35 Tage Präventivhaft für Menschen, von denen man annimmt,
sie werden demnächst eine Straftat begehen, Überwachung bei Demos und
anderen öffentlichen Veranstaltungen, Filmen mit Bodycams an
Polizeiuniformen, [1][automatisches Scannen von Autokennzeichen,] Einsatz
von Staatstrojanern auf privaten Computern und Smartphones, Vermummung als
Straftat. Das und noch manch anderes droht Menschen in Niedersachsen, wenn
der Landtag in Hannover am Dienstag kommender Woche tatsächlich das
reformierte Polizeigesetz verabschiedet.
Der Protest dagegen ist groß. #NoNPOG, ein Bündnis von rund 140 Initiativen
aus dem gesamten Bundesland, ruft für Samstag zu einer Demo im Zentrum
Hannovers auf. Erwartet werden etwa 7.000 Menschen, sagte Bündnissprecherin
Juana Zimmermann. Es ist bereits die dritte Großdemo gegen eines der
Hauptvorhaben der niedersächsischen Koalition aus SPD und CDU. Im
vergangenen September gingen 15.000 Menschen auf die Straße, im Dezember
etwa 6.000. Das Bündnis, das das Polizeigesetz stoppen will, hat dem
Landtag kürzlich eine diesbezügliche Onlinepetition mit knapp 25.000
Unterschriften übergeben.
Niedersachsen ist nicht das einzige Bundesland, das sein Polizeigesetz
verschärft. Auch in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und
Brandenburg wurden härtere Gesetze verabschiedet, in Sachsen steht das
bevor. In [2][Schleswig-Holstein] und [3][Berlin sind schärfere Gesetze in
der Debatte], in Bremen liegt das Projekt auf Eis.
Im ursprünglichen Gesetzentwurf waren auf Drängen der CDU 74 Tage
Präventivhaft vorgesehen, aber die Christdemokraten konnten sich damit
nicht durchsetzen. Ebenso rieten Expert*innen sowie der Gesetz- und
Beratungsdienst des Niedersächsischen Landtages von einer solch langen
Präventivhaft ab. Die jetzt im Entwurf enthaltenen 35 Tage ergeben sich aus
zunächst 14 Tagen für Terrorverdächtige, die um weitere 14 und dann noch
einmal um 7 Tage verlängert werden können.
## „Zugeständnis an autoritären Zeitgeist“
In der verkürzten Präventivhaft sieht das Bündnis #NoNPOG ein „paar
kosmetische Änderungen“ sowie ein „billiges Ablenkungsmanöver, das nichts
daran ändert, dass Recht und Freiheit, zwei Grundelemente des
Grundgesetzes, massivst beschnitten werden“, sagt Sprecherin Zimmermann.
Für den Flüchtlingsrat Niedersachsen ist das Gesetz ein „Zugeständnis an
einen autoritären Zeitgeist“, der „Ordnungsrecht vor politisches Handeln
stellt“, sagt Sprecher Sigmar Walbrecht. Er fürchtet, dass willkürliche
Haft von Geflüchteten ohne konkrete Straftaten – so wie schon in Bayern –
ebenso in Niedersachsen möglich ist. „Viele polizeiliche Maßnahmen werden
an Geflüchteten erprobt“, sagt Walbrecht.
Sie wehrten sich seltener. Zudem würden solche Einsätze als „inszenierte
Bedrohung“ aufgebaut, um damit Stimmung gegen Geflüchtete zu machen, sagt
Walbrecht. Bislang würden nicht selten Menschen, die auf den ersten Blick
nicht deutsch aussehen, grund- und anlasslos kontrolliert.
Bündnissprecherin Zimmermann fürchtet, dass Menschen durch das Gesetz einen
Teil ihrer Privat- und Intimsphäre einbüßen. „Der Einsatz eines
Staatstrojaners ist eine Gefahr für alle“, sagt Zimmermann. Dabei wird eine
Spähsoftware auf Handys und Computer gespielt, die deren Nutzer
ausspionieren kann. Dies ist durch Sicherheitslücken in der Software
möglich. Zimmermann sagt: „Statt die Lücken zu schließen, nutzt das Land
sie bewusst, um Bürger*innen zu überwachen.“
## FDP und Grüne wollen klagen
Die Oppositionsparteien FDP und Grüne haben eine Normenkontrollklage gegen
das Gesetz angekündigt, die Piraten denken über einen Gang zum
Bundesverfassungsgericht nach. Das Gesetz sei „in weiten Teilen
verfassungsrechtlich bedenklich bis verfassungswidrig“, kritisiert
FDP-Fraktionschef Stefan Birkner.
Der angekündigten Klage dürfte die Große Koalition „ruhigen Gewissens
entgegensehen“, sagt Timon Dzienus, Sprecher der Grünen Jugend: „Wenn das
Gesetz so gut ist, wie SPD und CDU immer wieder betonen, dann dürften sie
eine Klage nicht fürchten.“
9 May 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Simone Schmollack
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