# taz.de -- Von Geflüchteten besetzte Schule in Berlin: Räumung ohne Bewohner | |
> Der Kampf der Geflüchteten in der zum Symbol gewordenen Schule in Berlin | |
> geht zu Ende – die Politik hat ihnen ein Bleiberecht zugesagt. | |
Bild: „Ein Meilenstein der Protestgeschichte“: Die Gerhart-Hauptmann-Schule… | |
BERLIN taz | Für einen kurzen Moment fühlt es sich noch einmal an wie | |
damals im Sommer 2014. Durch das morgendliche, noch dunkle Kreuzberg | |
schallt aus etwa 200 Kehlen der Ruf: „We are here and we will fight. | |
Freedom of movement is everybody's right.“ Es ist einer der Slogans der | |
Flüchtlingsbewegung an einem Ort, der wie kaum ein anderer mit dieser | |
verbunden ist: die ehemalige Gerhart-Hauptmann-Schule in der Ohlauer Straße | |
in Berlin-Kreuzberg. | |
An diesem nasskalten Donnerstagmorgen geht der Kampf der Flüchtlinge in der | |
zum Symbol gewordenen Schule zu Ende, mehr als fünf Jahre nach ihrer | |
Besetzung. Noch einmal sind Geflüchtete und ihre Unterstützer, Nachbarinnen | |
und – inzwischen – Regierungspolitiker zusammengekommen. Und auch die | |
Polizei ist mit einem Großaufgebot vor Ort. Für 8 Uhr hatte sich die | |
Gerichtsvollzieherin angekündigt, um die letzten zwölf Bewohner aus dem von | |
ihnen besetzt gehaltenen Südflügel zu holen. Der grün geführte Bezirk | |
Friedrichshain-Kreuzberg hatte die Räumung [1][vor Gericht durchgesetzt]. | |
Aus dem Inneren des Schulgebäudes ist Licht in allen Etagen zu sehen. Doch | |
in der Menge sickert langsam das Gerücht durch, das Politiker kurz darauf | |
bestätigen werden. Von den Bewohnern ist niemand mehr da. Sie sind am | |
Mittwochabend freiwillig gegangen, zunächst in eine Unterkunft in | |
Lichtenberg, in zwei bis drei Wochen sollen sie dann in Kreuzberg | |
untergebracht werden. | |
„Es ist keine Niederlage, dass heute niemand auf dem Dach steht“, sagt eine | |
Rednerin des Bündnisses „Zwangsräumungen verhindern“ und trifft damit die | |
allgemeine Stimmung. Eine Wiederholung der dramatischen Aktionen, mit denen | |
ein erster Räumungsversuch im Sommer 2014 vereitelt wurde, hat hier niemand | |
gewollt. Dennoch: „Ein Meilenstein der Protestgeschichte“ sei es damals | |
gewesen, „als ein ganzer Kiez solidarisch mit den Geflüchteten war“, so die | |
Sprecherin. | |
Hakan Taş, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, | |
steht mit Mantel und Schirm vor den Absperrgittern, direkt vor dem Eingang | |
zur Schule. Er beschreibt das „komische Gefühl“ wieder hier zu sein, aber | |
er hat auch eine gute Nachricht; eine auf die hunderte Geflüchtete, die | |
ihren Protest 2012 auf dem nahen Oranienplatz begonnen hatten, seit jeher | |
gewartet hatten. Heute gilt sie noch für das letzte Dutzend: „Wir haben für | |
jeden einzelnen eine Lösung gefunden, mit der alle zufrieden sind“, sagt | |
Taş. Ins Detail will er nicht gehen, „wegen der rechten Opposition“. | |
## Individuelle Lösungen | |
Antje Kapek, Fraktionsvorsitzende der Grünen, gibt dann doch noch ein | |
bisschen mehr preis. Demnach sollen alle eine individuelle | |
Einzelfallprüfung erhalten und dann als Härtefälle deklariert ihr | |
Bleiberecht bekommen. Das Ergebnis hätten Innensenator Andreas Geisel (SPD) | |
und Integrationssenatorin Elke Breitenbach (Linke) am Dienstag im Senat | |
verkündet und auch Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) | |
bestätigt. | |
„Die Bedingung für diese Vereinbarung war, dass die Flüchtlinge freiwillig | |
gehen“, so Kapek. Die Geflüchteten haben ihren Teil erfüllt. [2][Mit großer | |
Skepsis]. Der taz sagten sie: „Wir haben kein Vertrauen in die Versprechen | |
der Politik. Aber wir haben keine Wahl und Macht. Deshalb haben wir uns | |
entscheiden, friedlich zu gehen, um so den Politikern die Chance zu geben | |
ihre Versprechen einzulösen.“ | |
Am Tor zur Schule ist derweil reger Verkehr, Polizisten gehen ein und aus. | |
Einen Geflüchteten finden sie nicht mehr, der Gebäudeteil ist leer. Später | |
wird er versiegelt. Nach den Plänen des Bezirks soll hier ein | |
Flüchtlingszentrum mit Beratungsangeboten einstehen. | |
Das wollten auch die Geflüchteten, allerdings selbstverwaltet und mit | |
dauerhaftem Wohnrecht. Warum die Pläne, für die es bereits konkrete | |
Ausarbeitungen und einen Träger gab, scheiterten, vermag so recht niemand | |
zu sagen. Hakan Taş aber versucht, die Hoffnung aufrecht zu erhalten: „Wir | |
müssen mit den Flüchtlingen über ein selbstgetragenes Projekt an einem | |
anderen Ort sprechen.“ | |
An das Mikro der Protestierenden tritt eine Frau in langen Gewändern, die | |
sich als Maria aus Rumänien vorstellt. Anderthalb Jahre habe sie mit ihrer | |
Familie in der Schule gelebt, jetzt stehen sie auf der Straße. „Wir würden | |
gern zurückkehren“, sagt sie. Es wird eine Hoffnung bleiben. Kurz darauf | |
setzt sich die Menge in Bewegung, zu einer letzten Demonstration bis zum | |
O-Platz. Sie singen „O là là, o lé lé, solidarité avec les sans-papiers�… | |
manche erinnern sich wieder an die veränderte Zeile: „Ohlauer, o lé lé“. | |
11 Jan 2018 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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