# taz.de -- Besetzte Flüchtlingsschule: Ende eines Fluchtwegs | |
> Am Donnerstag soll die Gerhart-Hauptmann-Schule geräumt werden. Die | |
> Zukunft der verbliebenen Bewohner ist weiterhin ungewiss. | |
Bild: Eingang zur Gerhart-Hauptmann-Schule im Dezember 2017 | |
Warum wird jetzt geräumt? | |
Den konkreten Termin, Donnerstagmorgen um 8 Uhr, hat die | |
Gerichtsvollzieherin festgesetzt. Sie kommt, weil der Bezirk mit seinen | |
zivilrechtlichen Klagen gegen die 24 Männer, die sich im Sommer 2014 | |
erfolgreich gegen den ersten Räumungsversuch gewehrt hatten, Erfolg hatte. | |
Das Landgericht [1][urteilte im vergangenen Juli], dass das auf dem Dach | |
der Schule unterschriebene Einigungspapier zwischen den Flüchtlingen und | |
dem Stadtrat Hans Panhoff (Grüne) nur eine vorübergehende Vereinbarung zur | |
Deeskalation der Situation gewesen sei. Noch leben etwa zwölf der | |
Geflüchteten in der Schule. Wenn sie nicht vorher freiwillig gehen, müssten | |
sie wohl mithilfe der Polizei aus dem Gebäude geholt werden. | |
Was passiert mit den Bewohnern? | |
Im November wurde den Schulbewohnern in einem Brief des Bezirksamts eine | |
vierwöchige Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft zugesichert. | |
Danach drohte die Obdachlosigkeit. All ihre Hoffnungen auf eine Unterkunft, | |
Bleiberecht und Arbeitserlaubnis sind bislang unerfüllt geblieben. Viele | |
sind davon [2][zermürbt]. | |
Inzwischen gibt es immerhin eine Perspektive für eine längere | |
Unterbringung, geknüpft an den Stand der Asylverfahren. Was in dieser Frage | |
geschieht, ist weiterhin unklar. Einen gesicherten Aufenthalt hat niemand, | |
einige haben noch nie einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Vorstellbar | |
wäre ein kollektives Bleiberecht nach Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes | |
oder individuelle Härtefallentscheidungen. Vom Innensenator bis zum | |
Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten schweigen sich dazu alle aus. | |
Und mit dem Gebäude? | |
Im Nordflügel der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule befindet sich eine | |
Notunterkunft für Flüchtlinge, die von den Johannitern betrieben wird. Bei | |
der Eröffnung im August 2016 wurde vonseiten des Bezirks angekündigt, diese | |
bald in eine Gemeinschaftsunterkunft umzuwandeln, das ist noch nicht | |
geschehen. | |
Im bislang besetzten Südflügel will der Bezirk ein „Beratungszentrum“ für | |
Flüchtlinge einrichten. Auf dem Gelände will außerdem die landeseigene | |
[3][Howoge bauen]: In einem fünf- bis siebengeschossigen Gebäudekomplex | |
sollen 120 Mietwohnungen entstehen. Der Baubeginn ist für August dieses | |
Jahres, die Fertigstellung für Herbst 2020 geplant. Nachbarschaftsprotest | |
gegen die Pläne gibt es bereits. | |
Wird es Proteste gegen die Räumung geben? | |
Die große Unterstützung, die die Flüchtlinge noch vor drei Jahren hatten, | |
als tausende Menschen dauerprotestierend Kreuzberg lahmlegten, ist lange | |
vorbei. Die linke, antirassistische Szene hat sich überwiegend neuen | |
Themenfeldern gewidmet. Dennoch soll am Donnerstag protestiert werden, | |
angemeldet sind eine Kundgebung während der Räumung und eine anschließende | |
Demonstration. Die Initiative geht von Berliner Antirassismus-Aktiven aus. | |
Von Blockadeversuchen oder Ähnlichem ist nicht die Rede. | |
Mitdemonstrieren wird die Nachbarschaftsinitiative Ohlauer Straße, die | |
sich konstant um die Geflüchteten bemüht hat. Die Nachbarn etwa vom Theater | |
Metropolis, der örtlichen Buchhandlung Leseglück oder dem | |
Gesundheitsprojekt Heilehaus begleiten die Flüchtlinge seit Jahren in | |
asylrechtlichen oder anderen persönlichen Angelegenheiten. Ihre Sprecherin | |
Kim Archipova will die Besetzung „nicht unkommentiert zu Ende gehen | |
lassen“, hofft aber, dass es zu keinen weiteren Zuspitzungen kommt: „Darin | |
sehe ich keinen Sinn mehr.“ | |
Hätte es Alternativen zur Räumung gegeben? | |
Nein, sagt der Bezirk. Bürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) hatte | |
zuletzt immer wieder gesagt, ihr bliebe nach all den Jahren der | |
Verhandlungen keine andere Möglichkeit mehr. Den Bewohnern seien | |
„weitreichende Zusagen“ gemacht worden, die diese abgelehnt hätten. „Das | |
Ende ist erreicht.“ | |
Ja, sagt dagegen Kim Archipova von der Nachbarschaftsinitiative: „Es gab | |
sechs Versuche, ein International Refugee Center mit den Bewohnern auf die | |
Beine zu stellen.“ Dort, so der Plan, hätten die Besetzer wohnen bleiben | |
und sich an der Arbeit beteiligen können. 2016 gab es vom Bezirk eine | |
mündliche Zusage für ein solches Projekt, im Sommer 2017 kritisierten die | |
Trägervereine, dass der Bezirk sich weigerte, dies schriftlich zu | |
bestätigen. Seitdem ist nichts passiert. Wer das geplante | |
Flüchtlingsberatungszentrum betreibt, steht nicht fest. Nur, dass die | |
Flüchtlinge kein Teil davon sein werden. | |
Was hat die Besetzung gekostet? | |
Im ersten Halbjahr 2017 hat der Bezirk für die Unterhaltung, | |
Bewirtschaftung und den Wachschutz, der die Schule seit dem Sommer 2014 | |
rund um die Uhr präsent ist, 535.179 Euro ausgegeben. Über die fünf Jahre | |
summieren sich die Kosten auf etwa 5 Millionen Euro. Insbesondere die im | |
Bezirk irrelevante CDU hat diese Ausgaben immer wieder angeprangert. | |
9 Jan 2018 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
Malene Gürgen | |
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