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# taz.de -- Ehemals besetzte Schule in Kreuzberg: Für alle nur eine Zwischenl�…
> In der Gerhart-Hauptmann-Schule eröffnet eine Obdachlosenunterkunft. Von
> der Umsetzung langfristiger Pläne ist der Bezirk weit entfernt.
Bild: Im Januar 2018 hatten die letzten Besetzer die Schule verlassen
Vor fast genau sechs Jahren, am 8. Dezember 2012, wurde die ehemalige
Gerhart-Hauptmann-Schule in der Ohlauer Straße in Kreuzberg von
Geflüchteten und ihren UnterstützerInnen besetzt. Das ist lange her; der
letzte noch besetzte Gebäudetrakt wurde am 11. Januar dieses Jahres
geräumt. Jetzt liegt der Schulhof düster und kalt da. Der
Irving-Zola-Pavillon, in dem Konzerte und Veranstaltungen stattgefunden
hatten, wird abgerissen, die zugewachsenen Sitzecken sind eingezäunt.
Lediglich im Nordflügel brennt Licht. Hier befindet sich seit dem 1.
Dezember eine Notunterkunft im Rahmen der Berliner Kältehilfe. Bis zu 100
Obdachlose werden von 19 bis 7 Uhr ein Bett und eine Mahlzeit bekommen. Es
gibt 34 Betten für Frauen, 66 für Männer. Bis zu zehn Obdachlose dürfen
ihre Hunde mitbringen. Betrieben wird die Notunterkunft von der Berliner
Johanniter-Unfallhilfe.
Am Samstagabend sitzen nur drei Bulgaren im hellen und warmen Speiseraum
und löffeln Linsensuppe. Sie sind drei von gerade mal sechs Menschen, die
an diesem ersten Abend den Weg in die Notunterkunft gefunden haben. Die
beiden Leiterinnen Stefanie Dunkel-Janssen und Marie Schneider sind
erleichtert, dass der große Ansturm vorerst ausgeblieben ist, denn noch ist
alles etwas improvisiert. Obwohl die Johanniter bereits zuvor in der Schule
die Aufnahmeeinrichtung für Geflüchtete betreut haben sowie eine
Kälteambulanz betreiben, ist diese Notunterkunft Neuland für sie.
Neben den Leiterinnen und zwei Security-Mitarbeitern sollen Ehrenamtliche
die Notunterkunft betreuen. Wer hier einen warmen und trockenen
Übernachtungsplatz sucht, gibt zunächst seine Habseligkeiten ab. Dann
bekommt man ein Bett zugewiesen, das erste der drei Stockwerke ist den
Frauen vorbehalten. Es gibt Duschen, für alle Zahnbürste, Zahnpasta und
Seife, dreimal pro Woche öffnet die (noch leere) Kleiderkammer und einmal
pro Woche bietet ein Arzt ehrenamtlich eine Sprechstunde im extra
eingerichteten Behandlungsraum an.
Abweisen wollen die Johanniter niemanden, auch für Drogenabhängige und
psychisch auffällige Menschen stehe die Tür offen. Nur während des
Aufenthalts dürfen keine Drogen konsumiert werden.
Die Überlegung, in der ehemaligen Schule eine Kältehilfe-Einrichtung zu
betreiben, gibt es schon seit dem Sommer. Die Zusammenarbeit mit dem Bezirk
Friedrichshain-Kreuzberg und dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten
(LAF) habe gut funktioniert, lobt Schneider. Letzteres hat sogar eine
Kücheneinrichtung, Betten, Tische und Stühle gespendet.
Spenden haben die Johanniter allerdings auch nötig. Zwar zahlt der Senat
den Johannitern im Rahmen der Kältehilfe täglich 17 Euro pro Bett. Doch die
Kosten seien höher, rechnet Vorstandsmitglied Björn Teuteberg vor, denn
davon müssten die Johanniter Betriebskosten, Strom, Gehälter, Security und
Reinigung bezahlen. Der Verein mit seinen Fördermitgliedern kann da einiges
auffangen, aber Lebensmittel, Kleiderspenden und eben ehrenamtliche Arbeit
sind dringend nötig.
Bisher werden in Berlin etwa 1.000 Schlafplätze während des Winters im
Rahmen der Kältehilfe angeboten – bei geschätzten 6.000 Obdachlosen. Die
Wohnungsnot in Berlin wird immer größer, das merken auch die Johanniter.
Speziell marginalisierte Gruppen wie Geflüchtete und Obdachlose haben
„massive Schwierigkeiten, Wohnungen zu finden“, so Schneider. Die bis zum
30. April geöffnete Notunterkunft mit ihren 100 Plätzen wird diese Not wohl
nur geringfügig ändern.
Noch ist unklar, was danach mit dem Gebäude passiert. Schneider sagt, die
Johanniter hätten ein großes Interesse an einer Weiternutzung für soziale
Zwecke. Vom Bezirk gibt es dazu wenig Konkretes. Auch die Pläne für den
geplanten Neubau scheinen flexibel zu sein. „Der Campus Ohlauer Straße soll
ein lebendiger Ort für Bildung und Teilhabe werden, mit verschiedenen
Wohnformen, einer Bibliothek und einem internationalen Flüchtlingszentrum“,
hieß es vor einem Jahr wolkig.
Im März wurde bekannt, dass ein Teil des Gebäudes als Erstaufnahmestelle
für bis zu 100 wohnungslose Frauen hergerichtet werden soll, statt für
Geflüchtete zur Verfügung zu stehen. Der Mitteltrakt und der erst im Januar
geräumte Südflügel stehen aber noch immer leer, abgesehen von ein paar von
Fixpunkt genutzten Räumen. Das Bezirksamt habe weiterhin vor, eine
Unterkunft dort zu betreiben, entweder für Geflüchtete oder für obdachlose
Frauen, sagte Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann am Sonntag der taz.
Sie seien mit zwei Staatssekretären im Gespräch, die Senatsverwaltung habe
sich aber noch nicht abschließend positioniert.
Von den Geflüchteten, für die im Nordflügel seit 2016 eine Notunterkunft
eingerichtet war, sind jedenfalls am 16. Oktober die Letzten ausgezogen.
Der Vertrag mit dem LAF sei zum 30. November beendet worden, heißt es in
einer dürren Mitteilung aus dem Büro des zuständigen Bezirksstadtrats
Mildner-Spindler (Linke).
Den elf einstigen BesetzerInnen des Südflügels, die am 11. Januar 2018 die
Gerhart-Hauptmann-Schule verlassen mussten, hatte der Senat damals eine
„wohlwollende“ Aufnahme ins Härtefallverfahren zugesichert. Sie werden noch
immer von UnterstützerInnen begleitet. Bisher hat die Härtefallkommission
allerdings die meisten Fälle abgelehnt. Fünf dieser Geflüchteten stehe laut
Innensenator Andreas Geisel (SPD) aufgrund von „schweren Straftaten“ eine
Abschiebung bevor.
3 Dec 2018
## AUTOREN
Darius Ossami
## TAGS
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
Kreuzberg
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Besetzung
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