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# taz.de -- Grüner Vorstoß: Land Berlin als Mieter
> Arme Wohnungsuchende haben auf dem angespannten Mietmarkt kaum eine
> Chance. Deshalb soll das Land Wohnraum an- und an Benachteiligte
> weitervermieten.
Bild: Bausenator Geisel bei einer Grundsteinlegung. Mietet er selbst?
Mal braucht das Jobcenter zu lange, bis der Mietvertrag geprüft ist; mal
will eine Wohnungsbaugesellschaft eine vierköpfige Familie nicht in eine
Dreiraumwohnung ziehen lassen, weil diese angeblich zu klein ist. Für
Flüchtlinge ist die Suche nach einer Bleibe noch unerfreulicher als für die
meisten anderen Wohnungsuchenden. Die Grünen wollen deshalb das Land
stärker in die Pflicht nehmen: „Berlin sollte in diesen Fällen als
Wohnungsmieter auftreten“, sagte Stephan von Dassel, derzeit Sozialstadtrat
in Mitte, zur taz.
Die Grünen haben aus diesem Grund ein sogenanntes Generalmietmodell
entwickelt. Über eine gemeinnützige GmbH könnte das Land als Mieter
auftreten – gegenüber landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften ebenso wie
bei privaten Vermietern. Viele Eigentümer hätten Hemmungen, ihre Wohnungen
an Bedürftige zu vermieten, so von Dassel. Wenn aber Berlin als Mieter
auftrete, würde das den Vermietern eine gewisse Sicherheit geben. Das Land
wiederum könnte Flüchtlinge, aber auch Wohnungslose, ehemalige Häftlinge
und Drogenabhängige dort unterbringen.
## Wohnungen für Flüchtlinge
Von Dassel hat die Schwierigkeiten, Wohnungen für anerkannte Flüchtlinge zu
bekommen, schon früh mitbekommen. Als Stadtrat hat er in Mitte deshalb eine
„Wohnbegleitung“ initiiert, bei der Ehrenamtliche anerkannten Flüchtlingen
bei der Wohnungssuche helfen. Seine Rechnung ist einfach: Bei jedem
Flüchtling, der eine eigene Wohnung hat, spart das Land die hohen Kosten
für die Unterbringung in Sammelunterkünften.
Bislang ist für diese Menschen lediglich ein Kontingent von 270 Wohnungen
pro Jahr bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften vorgesehen. „Aber
das haut nicht hin“, sagt von Dassel. Außerdem vermieten viele
Wohnungsbaugesellschaften bereits an Flüchtlinge, deren Asylverfahren noch
läuft. Deshalb spricht sich von Dassel dafür aus, auch die Wohnungen
privater Vermieter für Bedürftige zu nutzen – ähnlich wie es freie Träger
tun, die etwa Behinderten-WGs betreiben.
Für das Land Berlin würde das viele Vorteile bieten, so von Dassel: „Wir
hätten damit mehr Einfluss auf die Wohnverhältnisse.“ Auch bestünde mit den
Bewohnern kein normales Mietverhältnis. Würde sich jemand danebenbenehmen,
könnte schneller Druck auf ihn ausgeübt werden als auf Bewohner mit
normalem Mietvertrag.
Das ist ein Argument, das auch der Verband Berlin Brandenburgischer
Wohnungsunternehmen (BBU) interessant findet. „Wir finden das einen
erwägenswerten Vorschlag“, sagte BBU-Sprecher David Eberhart der taz.
Allerdings solle man sich davon nicht die Lösung des Problems versprechen.
Dafür seien zu viele Fragen noch ungeklärt. „Was passiert bei eventuellen
Schäden?“, fragt Eberhart. „Interessant wird es für Vermieter erst, wenn
das Land auch dafür aufkommt.“ Außerdem müsse noch geklärt werden, ob die
Tatsache, dass eine gemeinnützige GmbH des Landes, die de facto als
Zwischenmieter auftritt, nicht unter den Tatbestand der Zweckentfremdung
fiele.
Eine erste Hürde hat das Generalmietmodell inzwischen genommen. Am Montag
hat von Dassel seine Idee bei den Koalitionsverhandlungen vorgestellt.
Offiziell will sich weder die SPD noch die Linke zu den Vorschlägen äußern,
auch deshalb, weil über die Inhalte der Verhandlungen Stillschweigen
vereinbart wurde.
## Neuer Senat soll prüfen
Nach Informationen der taz haben sich die drei Parteien darauf geeinigt,
die Idee als Prüfauftrag in den Koalitionsvertrag aufzunehmen. Nun muss
sich noch die Arbeitsgruppe Wohnen und Mieten mit dem Thema beschäftigen.
Ähnliche Modelle gibt es auch in anderen Kommunen, etwa in Lindau am
Bodensee oder in Frankfurt (Oder), wo vor allem kommunale
Wohnungsunternehmen daran beteiligt sind.
19 Oct 2016
## AUTOREN
Uwe Rada
Antje Lang-Lendorff
## TAGS
Grüne Berlin
Wohnungsbaugesellschaften
Koalitionsverhandlungen
Immobilienmarkt
Soziales
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