Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Wohnungslose in Berlin-Moabit: Schikanen im Gästehaus
> Der Eigentümer einer Unterkunft für Wohnungslose will lieber Profit mit
> Flüchtlingen machen. Doch die Betroffenen und der Bezirk wehren sich.
Bild: Wohnungslose und ihre Unterstützer demonstrieren im vergangenen Januar v…
Berlin taz | Ein Jahr nach der [1][Schocknachricht] sind viele der Bewohner
des Gästehauses Moabit noch immer da, trotz aller Schikanen und entgegen
den Profitinteressen des Hauseigentümers. Seit Jahren bietet das Heim in
der Berlichingenstraße einen sicheren Zufluchtsort für wohnungslose Männer.
In dem fünfstöckigen Altbau können sie selbstbestimmt leben, jeder in
seinem eigenen Zimmer.
Es war im vergangenen Dezember, als die damals 33 Männer die Kündigung
ihrer Räume erhielten. Im März sollten sie raus. Zuvor hatte der private
Eigentümer dem alten Betreiber gekündigt – und das Haus für einen etwa
dreimal so hohen Preis weitervermietet.
Die Firma Gikon Hostel, die den Zuschlag erhielt, wollte die Wohnungslosen
gegen Flüchtlinge ersetzen. Für deren Unterbringung zahlte der Senat bis zu
50 Euro pro Tag – ohne Anspruch auf Einzelzimmer. Für Wohnungslose liegt
der Satz hingegen bei 22,50 Euro. Für das gute Geschäft mit den
Flüchtlingen sollten die Obdachlosen auf der Strecke bleiben.
Doch es kam alles anders. Mithilfe von Initiativen wie „Zwangsräumungen
verhindern“ wehrten sich die Bewohner gegen ihre Verdrängung, immer mit der
Maßgabe, sich nicht gegen die Flüchtlinge ausspielen zu lassen. Und sie
erhielten Unterstützung vom damaligen Baustadtrat von Mitte, Stephan von
Dassel, inzwischen grüner Bürgermeister des Bezirks.
Der machte frühzeitig deutlich, keine Flüchtlinge in dem Heim
unterzubringen. Der taz sagt er: „Jeder soll wissen, dass es richtig Ärger
geben kann, wenn er glaubt, mit einem Federstreich alle sozialen Probleme
los zu sein.“ Geprüft wurde gar eine Enteignung des Hauses. Doch auch die
hätte den Schutz der Bewohner nicht dauerhaft garantiert.
Auch aufgrund des öffentlichen Drucks zog sich Gikon Hostel noch vor der
geplanten Übernahme zurück. Seitdem ist das Haus betreiberlos, der Bezirk
überweist keine Miete mehr. Die Wohnungslosen sind sich selbst überlassen,
der Eigentümer will sie weiterhin aus dem Haus kriegen. Eine Lösung ist für
nicht in Sicht. „Ich bin bald am Ende meines Lateins“, sagt von Dassel.
## Schikanen überall
Derweil wird die Situation immer dramatischer. Nachdem der Eigentümer schon
zum Jahresanfang die Müllentsorgung abbestellte – die seitdem von von
Dassel bezahlt wird –, ließ er im Sommer das Wasser abstellen. Ende
November wurde dann der Gaszähler im Keller ausgebaut und die Gasleitung
durchtrennt. Die Bewohner saßen im Kalten.
Gegen eine Reparaturfirma, die der Weihnachtsmarkt am Gendarmenmarkt
beauftragt hatte, erließ er Hausverbot. Die Bezirksverordnetenversammlung
von Mitte beschloss daraufhin eine Ersatzvornahme – damit Arbeitern
stattfinden können, auf Kosten des Eigentümers. Zudem hat von Dassel
Strafanzeige wegen Körperverletzung gestellt.
Eine Lösung wäre möglich, doch der Hauseigentümer stellt sich stur. „Er h…
noch nicht einmal mit uns geredet“, so von Dassel. Dabei hat der Bezirk
einen Träger an der Hand, der das Haus übernehmen würde, auch die
Nachzahlung der ausstehenden Miete wurde in Aussicht gestellt. Rainhard
Kilian, der seit 2001 in der Berlichingenstraße wohnt, gibt sich gegenüber
der taz ernüchtert. Die Situation im Haus sei „Mist“, sagt er. Viele
Bewohner seien inzwischen zermürbt.
Zusammen mit Mietaktivisten versucht der aktive Teil der Wohnungslosen
dennoch den Druck aufrechtzuerhalten. Anfang Dezember kamen mehr als 30
Menschen vor dem Sitz des Eigentümers in der Kantstraße zusammen und
forderten ihn auf, das „großzügige Angebot des Bezirks anzunehmen“, wie es
in einer Mitteilung von „Zwangsräumungen verhindern“ heißt.
Stattdessen hat der Eigentümer – von Dassel spricht von „einem alten Mann,
der sich verrannt hat“ – vor dem Amtsgericht auf Räumung geklagt. Zunächst
gegen den Betreiber, nun ersatzweise gegen die Bewohner, die ihrerseits
Widerspruch eingelegt haben. Ein Termin ist für den 10. Januar 2017
angesetzt.
Von Dassel erhofft sich eine rechtliche Klärung, ob mit der Kündigung eines
Gewerbemieters auch sämtliche Wohnverhältnisse der Bewohner entfallen. Wenn
es schiefgeht, verspricht der Bezirksbürgermeister: „Niemand wird auf der
Straße landen.“
28 Dec 2016
## LINKS
[1] /!5270965/
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
Wohnungslosigkeit
Häuserkampf
Stephan von Dassel
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Soziales
Berlin
Obdachlosigkeit
Grüne Berlin
Flüchtlinge
## ARTIKEL ZUM THEMA
Hausbesetzung in Berlin-Moabit: Mit Sympathien geräumt
Die Polizei beendet eine Besetzung in Moabit. Die Politik reagiert hilflos
auf den Leerstand der ehemaligen Unterkunft für Wohnungslose.
Verdrängung sozialer Einrichtungen: Kein Platz mehr für betreutes Wohnen
8.000 Berliner leben in betreuten Wohnformen. Doch den Trägern werden die
Wohnungen vermehrt gekündigt – auch wegen der Rechtslage.
Über Zwangsräumungen in Berlin: Wenn die Ertragserwartungen locken
Beinahe jeden Berliner Altmieter kann eine Kündigung treffen. Der
Stadtsoziologe Andrej Holm spricht über den „Häuserkampf von oben“.
Kommentar Angriff auf Obdachlosen: Perfide Anteilnahme
Der Übergriff auf einen Obdachlosen sei „nicht normal“, beklagt die AfD.
Unsinn. In der Rechten sind Angriffe auf die Schwächsten genau das:
Normalität.
Grüner Vorstoß: Land Berlin als Mieter
Arme Wohnungsuchende haben auf dem angespannten Mietmarkt kaum eine Chance.
Deshalb soll das Land Wohnraum an- und an Benachteiligte weitervermieten.
Unterkunft für Wohnungslose in Berlin: Die Rebellen von Moabit
In Berlin gibt es seit Jahren ein Haus für Wohnungslose. Jetzt wurde ihnen
gekündigt, denn Geflüchtete bringen mehr Geld ein. Doch die Betroffenen
wehren sich.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.